Veröffentlicht am 31.03.2024

Gefühle zwischen den Zeilen und zwischen den Zeiten

KathieMarie

Lilly deGray ist eine Zeitreisende, wie ihre ganze Familie. Gemeinsam mit ihrem Vater hat sie es sich zur Aufgabe gemacht verlorengegangene Schätze aus verschiedenen Zeiten wiederzubeschaffen. Ein äußerst lukrativer Auftrag könnte die massiven Geldprobleme der Familie lösen, das einzige Problem dabei ist, den letzten Hinweisen zur Folge ist das Schmuckstück gemeinsam mit der Titanic auf den Grund des Atlantischen Ozeans gesunken. Es bleibt Lilly also nicht anderes übrig, als die Reise auf das, dem Untergang geweihte, Schiff zu wagen. Als wären die Umstände der Reise aber noch nicht genug, gibt es da auch noch Ray, einen Passagier der ersten Klasse, der sich still und heimlich in Lillys Herz schleicht, obwohl sie genau weiß, dass er den Untergang der Titanic nicht überleben wird.

Die Handlung wird im New York der Gegenwart rund um Lilly und ihren Vater eröffnet und recht schnell finden wir uns auch 1912 in Southhampton wieder. Bis auf wenige Reize gestaltet sich der Einstieg und auch die erste Zeit in der Vergangenheit als schleppend, manche Umstände scheinen erzwungen, sodass sie nur zu gut in die gewollte Handlung hineinpassen. Der stärkste Spannungsaufbau in diesem Abschnitt ist eindeutig der Wechsel zwischen den Sichtweisen der beiden Figuren. Geübte Lesende können sich aus diesen beiden Sichtweisen bereits zusammenreimen, wie es ausgehen wird - es gilt somit, dass der Weg das Ziel ist. Und dieser Weg nimmt nach dem ersten Drittel auch allmählich an Spannung zu, die spätestens mit dem beginnenden Untergang der Titanic ihren Höhepunkt erreicht, die Emotionen aufwühlt und die Gedanken lebendig werden lässt. Nicht anders als erwartet wird man von der Handlung von einem (dieses Mal emotionalen) Cliffhanger zurückgelassen und jede Menge Frage bleiben offen.

Lilly ist ein Mädchen, das von Liebe begleitet und behütet aufgewachsen ist und sich auf dieser Reise nun als die Frau beweisen will, die sie geworden ist. Nicht nur allen anderen will sie beweisen, dass sie mutig, tapfer und selbstbewusst ist, sondern vor allem sich selbst. Geprägt vom frühen Tod ihrer Mutter ist ihr Vater alles an Familie, was sie noch hat und liebt und für die, die sie liebt würde sie alles tun. Sie ist ein scheuer, introvertierter Mensch und lebt fast nur für sich und die Vergangenheit, nur in dieser und mit einer Mission im Blick scheint sie aufzublühen und aktiv zu werden. Die Vergangenheit ist für sie eine Art Zuflucht geworden, doch als sie Ray immer besser kennenlernt, wird aus dieser Zuflucht mehr - sie wird zu einem Ort ihrer Sehnsucht.
Ray gibt den mustergültigen jungen Mann der oberen Gesellschaft, doch verbirgt er tief in sich einen Schmerz, den er seit Kindertagen in sich trägt. Er ist ein hochemotionaler Mensch und lässt sich durch diese auch nur allzu leicht von seinem Vater kontrollieren. In dessen Ketten gefangen ist er der Rebell, der auszubrechen versucht, doch dabei auf keinen Fall seine Schwester, von der er als Einzige in der Familie je Liebe erfahren hat, zurücklassen will. Und dann ist da noch Lilly, in die er sich vom ersten Augenblick an mehr verliebt und sein Geheimnis, dass sie zerstören könnte.

Zu Beginn unterscheidet sich der Erzählstil der beiden Sichtweisen noch deutlich voneinander, gleicht sich aber immer mehr an - er geht zunehmend zu mehr Emotionalität über. Besonders aus Lillys Sichtweisen erhält man immer wieder Informationen zu den einzelnen Gästen an Bord der Titanic, die eine mehr oder weniger große Rolle einnehmen (auf den letzten Seiten im Buch gibt es außerdem ein Verzeichnis der historischen Personen an Bord, die auch im Buch auftauchen) und mal, mal weniger wird auf verschiedene Weise erwähnt, dass ja die Titanic in x Tagen untergehen wird. Lillys innerer Konflikt bezüglich Ray nimmt zunehmend mehr Raum ein. Zeitweise hatte ich das Gefühl das ursprüngliche Ziel aus den Augen zu verlieren und gegen Ende war es dann wie eine 180-Grad Wende und ihr ursprüngliches Ziel - das Schmuckstück - war wieder das Einzige, woran sie denken konnte, statt zu versuchen Ray auf eines der Rettungsboote zu verfrachten.
Die Sprache ist einfach gehalten, wie ich finde aber gut der Zeit Anfang 20. Jahrhundert angepasst. Am stärksten sind für mich die lebhaften Beschreibungen der Umgebung.

Regeln bestehen, Regeln können gebrochen werden. Ein einzigartiges Schmuckstück ist der Anfang von etwas noch viel wertvollerem, doch die Zeit rast und hat ein Ablaufdatum. Kann die Liebe gegen die Unerbittlichkeit von Zeit und Regeln bestehen oder muss sie sich geschlagen geben?

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