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Veröffentlicht am 10.02.2023

Wie können wir die Welt bewahren und zusammen weiterleben?

Der Anfang von morgen
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»Es gibt keine Enden. Wenn du das denkst, täuschst du dich. Es sind alles Anfänge. Hier ist einer.« Hilary Mantel, Falken
Das literarische Motto wurde passend gewählt, spannt es für mich den Bogen um die ...

»Es gibt keine Enden. Wenn du das denkst, täuschst du dich. Es sind alles Anfänge. Hier ist einer.« Hilary Mantel, Falken
Das literarische Motto wurde passend gewählt, spannt es für mich den Bogen um die Handlung des Romans.

Ich gehe gern unvoreingenommen an Bücher, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe und lese im Vorfeld weder Rezensionen noch Klappentext. Durch das präsente Medieninteresse wusste ich jedoch um die Thematik und war auf den "Klimaroman" sehr gespannt.

Im Nachhinein finde ich den Klappentext etwas knapp. Leider wird die titelgebende Frage dieser Rezension für mein Verständnis nur ansatzweise beantwortet.

Die vier Protagonisten Didrik, Melissa, André und Vilja stehen exemplarisch für die unterschiedlichen Personenkreise der heutigen Gesellschaft und spiegeln Meinungen bzw. werden (unfreiwillig) mit diesen konfrontiert.

Die Geschichte erstreckt sich über den Zeitraum einer Woche im Spätsommer mit sowohl linear als auch parallel verlaufenden Handlungssträngen, welche die unterschiedlichen Protagonisten nacheinander fokussieren und dabei auch in Rückblenden die Vergangenheit der Vier aufgreifen. Die Notlage wird realistisch geschildert. Allerdings frage ich mich, warum die Protagonisten alle in irgendeiner Form Teil des öffentlichen Lebens sind und das ein oder andere Klischee bedienen (z.B. die Affäre der tablettenabhängigen Influencerin oder der Sohn einer Tennislegende). In dystopischer Form beschreibt Jens Liljestrand eine Momentaufnahme: Einzelschicksale während einer Katastrophe, welche doch mit einander verbunden sind.

Unter einem Klimaroman habe ich mir letztendlich etwas anderes vorgestellt. Die klimatischen Darstellungen waren informativ, wirkten auf mich jedoch auch konstruiert bzw. zu gewollt. (Beispielsweise berichtet eine Nebenfigur, Verkäuferin mit Migrationshintergrund, zufällig einer der Hauptprotagonistinnen während einer Einkaufstour von der schwierigen Situation der Fischerei in Nigeria.)
Neben dem Klima spielen auch Verrat, Untreue und Sucht eine Rolle. Das Verhalten bzw. die Geschehnisse sind streckenweise verstörend und schwer nachvollziehbar. Die Zerstörung lässt mich nachdenklich zurück - vor allem mit Blick auf das aktuelle Weltgeschehen. Ich hätte mir in diesem Zusammenhang jedoch mehr Denkanstöße gewünscht. Diese kamen für mein Dafürhalten lediglich bei einer Nebenfigur (Jennie) in Ansätzen zum Vorschein.

Zum Aufbau und Stil des Buches möchte ich folgendes anmerken: der Autor bedient sich einer bildhaften Sprache, verliert sich in detaillierten, teils befremdlichen Aufzählungen. Exemplarisch habe ich diese Beschreibung von Didriks Säugling gewählt: "Eine Schwere auf meinem Arm wie von einem Sack mit warmem, frisch durchgedrehtem Hackfleisch, die Konsistenz wie rohe Wurst, luftig in einen Darm gestopft mit vorsichtigen Händen, um die empfindliche Oberfläche nicht zu zerreißen, nichts ist gespannt oder geschwollen, keine Muskeln, keine Verhärtungen." Die langen Sätze und wenigen Kapitel erfordern die Aufmerksamkeit des Lesers.

Abschließend bleibt eine die Frage: "Ist dein Leid weniger schlimm, wenn alle anderen um dich herum auch leiden?" Diese sollte jeder Leser für sich selbst beantworten…

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