Lil the Kill - Brillante Unternehmerin und der Schrecken ihrer Zeit
LilIntelligent, selbstbewusst, unabhängig – Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Unternehmerin, ein kluger Kopf und damit der Schrecken der New Yorker-Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn ...
Intelligent, selbstbewusst, unabhängig – Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Unternehmerin, ein kluger Kopf und damit der Schrecken der New Yorker-Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn eine Frau, die sich über Rollenzuschreibungen hinwegsetzt und weibliche Attribute als nachrangig betrachtet, stellt das patriarchale Denken ihrer Zeit auf den Kopf – und bringt die gesellschaftliche Oberschicht damit gegen sich auf.
Wie sehr sich gerade die männlichen Vertreter von ihrem visionärem Denken und Handeln bedroht fühlen, muss Lillian am eigenen Leib und Geist erfahren: Ihr eigener Sohn regt eine Verschwörung gegen sie an und lässt sie in die fragwürdige psychiatrische Anstalt des angesehenen Doktors Fairwell einweisen, der nach einer Karriere als Prediger und Showman sich nun der mentalen Gesundheit seiner zahlungskräftigen Klientel verschrieben hat.
Der Vorwurf und das angebliche Krankheitsbild Lillians sind dabei ebenso suspekt wie aus heutiger Sicht hinfällig: ihre Weigerung, den damaligen Konventionen zu entsprechen und Weiblichkeit in Wesen und Erscheinung zu verkörpern. Die angewandten Methoden gleichen dabei einer Tortur und Folter, für die ihr Sohn Robert nur zu gerne und gut bezahlt.
Doch Lillians Kampfgeist ist unerschütterlich und ihr Rachefeldzug wohl überlegt und grausam. Dabei immer an ihrer Seite ihre Enkelin Libby, bereits in jungen Jahren ein Abbild ihrer Großmutter, und der chinesische Einwanderer Cheng – selbst aufgrund seiner Herkunft an den Rand der Gesellschaft gedrängt und doch mit seiner Intelligenz sowie als Lillians Verbündeter an der Spitze eben dieser stehend.
Markus Gasser hat mit seiner Geschichte einen großen Gesellschaftsroman geschaffen – und das auf gerade einmal 240 Seiten! Seine Erzählung ist voller Leidenschaft für seine überragende Hauptfigur, voller Inbrunst für die gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau, Menschen jeglicher Herkunft und Orientierung. Doch vor allem zeichnet „Lil“ ein sehr feinsinniger und intelligenter Humor aus, mit Wortwitz und einem sarkastisch-ironischen Unterton. Das alles macht den Roman zu einem fesselnden Lesevergnügen, zu einer Geschichte, die lange in Kopf und Herz bleibt.