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Veröffentlicht am 03.03.2024

Lil the Kill - Brillante Unternehmerin und der Schrecken ihrer Zeit

Lil
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Intelligent, selbstbewusst, unabhängig – Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Unternehmerin, ein kluger Kopf und damit der Schrecken der New Yorker-Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn ...

Intelligent, selbstbewusst, unabhängig – Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Unternehmerin, ein kluger Kopf und damit der Schrecken der New Yorker-Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn eine Frau, die sich über Rollenzuschreibungen hinwegsetzt und weibliche Attribute als nachrangig betrachtet, stellt das patriarchale Denken ihrer Zeit auf den Kopf – und bringt die gesellschaftliche Oberschicht damit gegen sich auf.
Wie sehr sich gerade die männlichen Vertreter von ihrem visionärem Denken und Handeln bedroht fühlen, muss Lillian am eigenen Leib und Geist erfahren: Ihr eigener Sohn regt eine Verschwörung gegen sie an und lässt sie in die fragwürdige psychiatrische Anstalt des angesehenen Doktors Fairwell einweisen, der nach einer Karriere als Prediger und Showman sich nun der mentalen Gesundheit seiner zahlungskräftigen Klientel verschrieben hat.
Der Vorwurf und das angebliche Krankheitsbild Lillians sind dabei ebenso suspekt wie aus heutiger Sicht hinfällig: ihre Weigerung, den damaligen Konventionen zu entsprechen und Weiblichkeit in Wesen und Erscheinung zu verkörpern. Die angewandten Methoden gleichen dabei einer Tortur und Folter, für die ihr Sohn Robert nur zu gerne und gut bezahlt.
Doch Lillians Kampfgeist ist unerschütterlich und ihr Rachefeldzug wohl überlegt und grausam. Dabei immer an ihrer Seite ihre Enkelin Libby, bereits in jungen Jahren ein Abbild ihrer Großmutter, und der chinesische Einwanderer Cheng – selbst aufgrund seiner Herkunft an den Rand der Gesellschaft gedrängt und doch mit seiner Intelligenz sowie als Lillians Verbündeter an der Spitze eben dieser stehend.
Markus Gasser hat mit seiner Geschichte einen großen Gesellschaftsroman geschaffen – und das auf gerade einmal 240 Seiten! Seine Erzählung ist voller Leidenschaft für seine überragende Hauptfigur, voller Inbrunst für die gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau, Menschen jeglicher Herkunft und Orientierung. Doch vor allem zeichnet „Lil“ ein sehr feinsinniger und intelligenter Humor aus, mit Wortwitz und einem sarkastisch-ironischen Unterton. Das alles macht den Roman zu einem fesselnden Lesevergnügen, zu einer Geschichte, die lange in Kopf und Herz bleibt.

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Eine großartige Wiederentdeckung

Die Alleinseglerin
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Eine Geschichte so ruhig wie das Meer bei Sonnenschein, so aufwühlend wie ein Sturm auf hoher See und so tief wie der Marianengraben – als Almut von ihrem Vater das Segeln auf seinem Drachen erlernt, ahnt ...

Eine Geschichte so ruhig wie das Meer bei Sonnenschein, so aufwühlend wie ein Sturm auf hoher See und so tief wie der Marianengraben – als Almut von ihrem Vater das Segeln auf seinem Drachen erlernt, ahnt sie nicht, dass das Boot für sie lebensentscheidend wird. Und das in vielerlei Hinsicht: Denn der Drachen bringt nach Jahren der Trennung Vater und Tochter wieder zusammen, schafft Verständnis für die Entscheidungen und das Leben des jeweils anderen und stellt zugleich einen Grund und Ort ihres regelmäßigen Zusammenkommens dar.
Als Almut das Boot schließlich von ihrem Vater übernimmt, wird der Drachen jedoch zu etwas ganz Neuem für sie: eine Bürde, Herausforderung und auch Belastung. Zumindest in den Anfängen. Denn als Alleinerziehende reicht ihr mühsam verdientes Geld nicht aus, um die anfallenden Reparatur- und Erneuerungsarbeiten zu beauftragen. Der Drachen scheint unersättlich. Almut übernimmt zusätzliche Aufgaben und verbringt im eisigen Winter doch jedes Wochenende am See, um das Boot für die anstehende Saison fit zu machen. Und hier ist sie die einzige Frau in einer männerdominierten Welt. Almut muss gegen Vorurteile angehen, sich ihren Platz unter den Bootsbesitzerin erkämpfen und ihren Kampgeist beweisen – und wird dabei selbst immer stärker.
Von ihrem ursprünglichen Plan, den Drachen in einen derart guten Zustand zu bringen, dass ein Verkauf einen ihr angemessen erscheinenden Erlös einbringt, weicht sie dabei nach und nach ab. Und das nicht nur, weil sie begreift, dass ihre eigenen finanziellen Vorstellungen auf dem Markt nicht zu verwirklichen sind. Auch ist es das Erkennen, dass der Wert, den Almut selbst dem Drachen beimisst, nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Er ist Erinnerung an ihren Vater und die gemeinsame Zeit. Doch vor allem ist er zu ihrem Heimathafen geworden, zu dem es sie immer wieder zurückzieht, und der ihr Stunden der Freiheit, des Einklangs mit sich selbst und eines Siegs über die Kräfte der Natur ermöglicht.
Diese Geschichte ist so viel: ein Entwicklungs- und Wachstumsroman, eine Erzählung über den Emanzipationsweg der Protagonistin und ein Gleichnis über den Besitz eines Bootes in einem Land, das seine Grenzen und Mauern für die Menschen geschlossen hielt. Doch vor allem ist „Die Alleinseglerin“ eine großartige Wiederentdeckung, stark und überzeugend in ihren Aussagen – heute wie zur Zeit ihrer Entstehung.

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Mörderjagd mit eingeschränkter Sicht

Schneesturm
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Eine kleine irische Insel, durch einen Schneesturm abgeschnitten von der Außenwelt – wenn das nicht schon ein hervorragendes Setting für einen spannenden Thriller ist! Und wenn dann noch eine Leiche in ...

Eine kleine irische Insel, durch einen Schneesturm abgeschnitten von der Außenwelt – wenn das nicht schon ein hervorragendes Setting für einen spannenden Thriller ist! Und wenn dann noch eine Leiche in der rauen irische See auftaucht, geschändet und damit offensichtlich Opfer eines Verbrechens, kann die Mörderjagd beginnen.
Und die Suche nach Motiv und Schuldigen erweist sich als überaus rätselhaft und führt die Leser dabei immer wieder in die Irre und im wahrsten Sinne des Wortes auf Glatteis. Denn mitten in dem Blizzard ist es an der einzigen Inselpolizistin, den Fall aufzuklären und zu ermitteln, wer ihre beste Freundin auf dem Gewissen hat. Eine besondere Herausforderung für Cara, denn ihre ehemaligen Freund*innnen gehören zum Kreis der Verdächtigen. Und nachdem sich die Clique zehn Jahre nicht mehr gesehen hat, scheint jeder von ihnen dunkle Geheimnisse und Abgründe in dem eigenen Leben zu haben. Und ein doppeltes Spiel zu spielen – mit Clara und miteinander.
Clara schlägt sich unter diesen schwierigen Bedingungen tapfer, ist in ihrem Handeln und mit ihren kombinatorischen Fähigkeiten jedoch nicht mit einer ausgebildeten Kriminalkommissarin vergleichbar. Immer wieder unterlaufen ihr grobe Fehler im Vorgehen: mal vergisst sie, die Spuren zu sichern, mal zieht sie ihre Freunde ins Vertrauen und den Mörder in diesem Zuge möglicherweise gleich mit.
Auch der Autorin scheint der eine oder andere Handlungsfaden zu entgleiten. Oder lässt sie ihn möglicherweise bewusst in einer Sackgasse enden? Und nicht immer sind die Figuren in ihrem Verhalten logisch und nachvollziehbar, aber Schock und Isolation sind in ihren Auswirkungen auch nicht zu unterschätzen.
Was für mich bleibt, ist ein durchaus spannendes Lesevergnügen mit einigen Leerstellen und Fragezeichen in meinem Kopf. Und eine Geschichte, die es trotz dieser Mängel geschafft hat, dass ich Weiberfastnacht in Köln lieber mit dem Buch in der Hand abends zu Hause geblieben bin als in den Kneipen zu schunkeln und zu bützen.

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Veröffentlicht am 04.02.2024

Ein Comic so einzigartig wie wunderschön

The Many Deaths of Laila Starr
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Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick! Und das geschieht mir nicht häufig. Doch diesmal hat es mich erwischt: die wunderschönen, ausdrucksstarken Bilder, eine Farbgebung, die nicht nur den Verlauf ...

Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick! Und das geschieht mir nicht häufig. Doch diesmal hat es mich erwischt: die wunderschönen, ausdrucksstarken Bilder, eine Farbgebung, die nicht nur den Verlauf der Handlung direkt verstärkt und widerspiegelt, sondern auch Atmosphäre und Flair Indiens einfängt, und eine Geschichte so tief und doch so schwerelos in ihrem Verlauf.
Und nicht nur das: Auch Witz und gerade Wortwitz haben mir den Kopf verdreht. Denn Lachen soll doch verbinden! Hat es auch – mich mit Laila Starr und den Künstler*innen, die dieses großartige Werk geschaffen haben.
Dabei ist das Sujet, um welches Geschichte und Handlung kreisen, alles andere als leicht und erfreulich: der Tod. Oder eher: die Tod. Denn „Tod“ ist eine Göttin, mit sechs Armen – und leider arbeitslos. Denn sie wurde gefeuert, um genau zu sein: überflüssig und als Mensch auf die Erde verbannt. Grund für ihre plötzliche Arbeitslosigkeit ist Darius, ein kleiner Junge, gerade erst geboren, doch wird er in seinem weiteren Leben die Unsterblichkeit über die Menschheit bringen. Und da Tod, im Körper der Studentin Laila Starr, ihren Job geliebt hat, steht für sie fest: Darius muss sterben! Welche andere Form der Lösungsfindung sollte der Tod auch kennen.
Damit geht es los: eine Reise durch die Jahrzehnte, Begegnungen, die verstören und auch ans Herzen gehen und ein Plot, der für mich so unerwartet wie voller Gedanken und Gefühle ist.
Die Bilder scheinen dabei die Handlung geradezu mühelos zu transportieren, haben mich in einen Rausch an Farben, Formen und Bewegungen abtauchen und über die Seiten fliegen lassen. Und haben mich am Ende eines jeden Kapitels wieder staunend ausgespuckt, ihre Schatten und Trugbilder auf meinen Augen hinterlassend.
Selten hat mich ein Comic so in seinen Bann gezogen und so nachdenklich hinterlassend. Und die erläuternden Texte am Ende des Buches haben diese Empfindungen noch einmal verstärkt, denn zu wissen, dass gerade diese Geschichte mit ihrem Topos zu Zeiten der Pandemie entstanden ist, rührt und trifft noch einmal zusätzlich. Und hebt die Einzigartigkeit dieses Werkes zusätzlich hervor.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Poznanski in Höchstform

Die Burg
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Was zeichnet einen typischen Poznanski aus? Richtig! Der Sogeffekt. Die atemlose Spannung. Und ein überraschender Plot, der Dich sprachlos zurücklässt. Und mit „Die Burg“ haben wir einen Poznanski der ...

Was zeichnet einen typischen Poznanski aus? Richtig! Der Sogeffekt. Die atemlose Spannung. Und ein überraschender Plot, der Dich sprachlos zurücklässt. Und mit „Die Burg“ haben wir einen Poznanski der Meisterklasse. Entsprechend waren meine vergangenen Tage und Nächte: Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Gemeinsam mit einer ausgesuchten Gruppe VIP-Gäste bin ich in die finsteren Gemäuer der Burg Greiffenau abgetaucht, um das neue Projekt des Milliardärs Nevio zu testen: ein Escape-Paradies, gesteuert und individuell geschaffen von einer hochentwickelten KI. Und diese KI lehrt einen das Fürchten. Denn der Gruselfaktor der virtuellen Welten lässt den Besucher*innen das Blut in den Adern gefrieren. Und die Rätsel, die Rettung und den Eintritt in den nächsten Raum versprechen, haben es in sich.
Doch statt Schnittchen und Champagner nach erfolgreicher Schnitzeljagd kommt alles ganz anders. Und die KI treibt plötzlich ihr eigenes Spiel. Und verriegelt die Türen zur Außenwelt.
Was dann folgt, wird natürlich nicht verraten. Nur so viel: Die Autorin hat ein Setting geschaffen, in welchem sie ihre schier grenzenlose Fantasie von der virtuellen Leine lassen kann. Und diese sich so richtig durch die Säle, Grotten und Verliese der mittelalterlichen Burg tobt. Starke Nerven sollten die Leser schon mitbringen, denn es wird blutig. Und Abgründe tun sich auf.
Auch nach den knapp 400 Seiten hatte ich noch lange nicht genug von Gänsehaut, Luft anhalten und Wogen von Adrenalin. Und hätte immer, immer weiterlesen können. So sehr habe ich mich in der virtuellen Spielewelt verloren. Und den Plot tatsächlich nicht kommen sehen. Jetzt wird das Buch schnell weiter an meinen Mann gereicht, denn der sitzt bereits auf glühenden Kohlen. Wenn er wüsste, wie sehr.

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