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Veröffentlicht am 01.11.2020

Rasant durch Raum und Zeit

Die zitternde Welt
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So wie eine Eisenbahn erst langsam Fahrt aufnimmt, haben auch Figuren und Ereignisse im Verlauf der Handlung immer mehr an Dynamik und Intensität gewonnen.

Zu Beginn erschienen mir Maria und Wilhelm noch ...

So wie eine Eisenbahn erst langsam Fahrt aufnimmt, haben auch Figuren und Ereignisse im Verlauf der Handlung immer mehr an Dynamik und Intensität gewonnen.

Zu Beginn erschienen mir Maria und Wilhelm noch spröde, haben nur wenig über ihr Innenleben preisgegeben. Sie waren mir fremd, so wie auch Ort und Zeit der Ereignisse. Doch dann wurde ich mit auf eine rasante Fahrt genommen, habe mich so wie Maria in ihre anatolische Heimat verliebt und die beiden in ihrer sicherlich nicht nur für die damalige Zeit ungewöhnlichen Beziehung immer besser kennengelernt und sehr gerne begleitet. Maria, der Freigeist, voller Lebensgier und Lebensmut, und Wilhelm, dessen Beständigkeit und Verlässlichkeit sie erdet und in dem sie eine sichere Zukunft für sich und ihre Familie sieht.

Der Bruch, der zweite Teil des Romans. Der Erste Weltkrieg mit all seinen Schrecken und Grausamkeiten, die auch das persönliche Unglück der Familie werden. Wir erleben als Leser Perspektivwechsel, Sprünge durch Zeit und Raum und eine Schnelligkeit und Beschleunigung, die mich die Handlung wie im Rausch erleben ließen. Die Familie zerfällt so wie auch das Osmanische Reich. Die Folgen sind gravierend – für jeden einzelnen.

War ich zu Beginn noch etwas zögerlich, konnte ich das Buch schon bald nicht mehr aus der Hand legen. Gerade der Wechsel im Erzählstil hat für mich in der Rückschau einen großen Reiz der Handlung ausgemacht, und das intensive Innenleben insbesondere von Erich, das wir in der zweiten Hälfte des Romans erleben dürfen, hat mich ob der Tiefe und damit auch seiner erzählerischen Qualität beeindruckt.

Jetzt, am Ende der Reise, lässt mich das Buch ein wenig traurig zurück aufgrund der zerbrochenen Leben und dem Leid der Hauptfiguren. Aber es hat mir auch Einblicke in Zeit, Politik und Länder gewährt, die mir zum Teil nur wenig vertraut waren. Doch vor allem hat es mich mit seiner Geschichte in den Bann gezogen, und die Gedanken und Bilder in meinem Kopf werden die letzte Seite überdauern.

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Veröffentlicht am 01.11.2020

Weltenspiel mit Tiefgang

Cryptos
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Von Ursula Poznanski erwarte ich beste Unterhaltung und Stunden voller Spannung, Abenteuer und Nervenkitzel bis mir der Atem stockt – und all das habe ich in „Cryptos“ gefunden.
Wir werden mit in ein dystopisches ...

Von Ursula Poznanski erwarte ich beste Unterhaltung und Stunden voller Spannung, Abenteuer und Nervenkitzel bis mir der Atem stockt – und all das habe ich in „Cryptos“ gefunden.
Wir werden mit in ein dystopisches Konzept unseres Lebens genommen, mit in eine Welt, die ihre Bewohner mit widrigsten Bedingungen und einem feindlichen Äußeren konfrontiert, eine Welt, frei von realen, tatsächlichen Freuden und Annehmlichkeiten – wenn, ja wenn nicht eine entsprechende Kompensation im Virtuellen geschaffen worden wäre. Eine unendliche Zahl an Zufluchten, alles ist erlaubt, alles ist möglich, auch für die Autorin, die für ihre überbordenden Fantasie so eine große Spielwiese geschaffen hat, mit der sie den Leser verzaubert und immer wieder aufs Neue zu überraschen vermag.
Zu erleben, wie Ursula Poznanski so selbst zu einer Weltendesignerin wird, war für mich ein großes Vergnügen, das gerne noch viele Seiten hätte andauern dürfen. Und dass ich als große Freundin von Monstern, Horror und allem Untoten dann auch noch mit auf einen Ausflug nach „Vampyrion“ genommen wurde, war für mich eine ganz besondere Freude und ein tolles Erlebnis. Hier hoffe ich sehr auf eine Fortsetzung!
Doch Poznanski wäre nicht Poznanski, gäbe sie sich mit unglaublich guter Unterhaltung und einem Leseerlebnis, das auch mal die Nacht zum Tag werden lässt, zufrieden. Sie will den Leser zum Nachdenken anregen und sein gewohntes Denken – vielleicht auch seine Bequemlichkeit – durchkreuzen. Umweltzerstörung, schwindende Ressourcen und ein Konzern, der unreguliert Geld und Macht vermehrt und seinen ganz eigenen Interessen nachgehen kann. Zum Glück ist das alles nur ein Gedankenexperiment und eine große Fiktion – oder etwa nicht?

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