Dieser Krimi ist der Auftakt einer Serie rund um den Schriftsteller Eric Marchand, der erst bei der Durchsicht des Nachlasses seiner jüngst verstorbenen Mutter entdeckt, dass er korsische Wurzeln hat. Seine Neugierde ist geweckt und da er ohnehin Abstand von Paris braucht, macht er sich auf, die raue Insel zu entdecken.
Kaum angekommen, gerät er in eine seit Jahrzehnten andauernde Vendetta zweier verfeindeter Clans. Denn er ist, wie sich unmissverständlich herausstellt, der letzte männliche Verwandte …
Doch wie ist die Ermordung des Vizebürgermeisters hier einzuordnen? Hat die mit Marchands Auftauchen zu tun, oder sind die Täter woanders zu suchen?
Meine Meinung:
Vitu Falconi, ist ein fesselnder Krimi gelungen. Hinter dem korsisch anmutenden Namen steckt der deutsche Autor Thomas Thiemeier.
Schon der Prolog zeigt dem Leser deutlich, dass er sich hier mit einem Krimi auseinandersetzen muss, in dem viele archaische Rituale Platz finden.
Geschickt verquickt er die aktuellen (lokal)politischen Probleme mit der langen Tradition der Blutrache. Für viele von uns ist das Thema schlecht vorstellbar, weil wir der Rechtsprechung trauen. Doch in Korsika ticken die Uhren nach wie vor ein wenig anders.
Die Schreibweise ist bildgewaltig und so können wir mit Eric durch die Landschaft streifen oder uns im Gestrüpp der Macchie verstricken, ohne uns von den Dornen zerkratzen zu lassen.
Unheimlich gut und stimmig sind die vielen korsischen Ausdrücke, denen man auch heute anhört, dass Korsika bis 1769 unter Genueser Herrschaft stand. Selbst der bekannteste Sohn der streitbaren Insel Napoleone Buonaparte (korsisch Nabulione) sprach ursprünglich italienisch bzw. korsisch. Erst in der Kadettenschule lernte er Französisch.
Die Charaktere finde ich gut getroffen.
Sehr spannend finde ich die Wandlung von Eric vom „unkonventionelle Städter“, der durch seine analytische Denkweise der Pariser Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen zur Seite gestanden ist, zum Korsen, der mit sich ringt ob er sich den Traditionen anschließen oder mit ihnen brechen soll.
Auch gefällt mir Chefinspektor Mahmoud Clément, von der Police Nationale Ajaccio recht gut. Er ist, quasi als Quoten-Araber, neu auf der Insel und merkt schnell, dass hier vieles anderes ist als im Rest Frankreichs. Ein witziger Zeitgenosse ist der windige Journalist, der eine höchst interessante Schwester hat.
Eine besonders liebenswerte Gestalt ist Laurine, die Mateu Santini, dem Sohn des Clan-Chefs die Stirne geboten und die Scheidung abgetrotzt hat. Sie ist, obwohl noch jung so etwas wie eine „weise Alte“ und verbindet Modernes mit Tradition. Durch ihre Erklärungen findet Eric Zugang zur brutalen Vergangenheit seiner Familie, denn allein der Geburtsname seiner Mutter „Giuliani“ wirkt wie die Lunte an einem Pulverfass. Unter dem Lichte der aktuellen Ereignisse bekommt der Unfalltod seines Vaters vor vielen Jahren eine neue Bedeutung. Doch das wird (hoffentlich) der Stoff für eine Fortsetzung sein.
Fazit:
Wer einen spannenden Krimi mit viel Lokalkolorit und authentischen Charakteren lesen möchte, dem kann ich diesen Krimi nur empfehlen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.