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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.01.2018

Heftige Kälte

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée (Friederike Matthée ermittelt 1)
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Wie meistert man sein Leben in eisiger Kälte, ohne eine Möglichkeit, ihr zu entkommen? In diesem Buch geht es nicht nur um temperaturbedingte Kälte, sondern auch um menschliche Kälte, durch den Krieg verloren ...

Wie meistert man sein Leben in eisiger Kälte, ohne eine Möglichkeit, ihr zu entkommen? In diesem Buch geht es nicht nur um temperaturbedingte Kälte, sondern auch um menschliche Kälte, durch den Krieg verloren gegangene Empathie, Misstrauen und Feinseligkeit, Missgunst und Denunziantentum.
In erster Linie geht es um einen Mord an einem Schwarzhändler im strengen Nachkriegswinter 1946/47. Ein Junge hat den Mord beobachtet, hüllt sich aber aus Angst in Schweigen, so dass die britische Besatzungspolizei nicht weiterkommt. Leutnant Richard Davies holt sich Friederike Matthée, von der Weiblichen Polizei, zu Hilfe, um den rätselhaften Mord zu klären, dem bald noch ein zweiter Mord folgt.
Im Laufe der Ermittlungen kommen viele böse Machenschaften der Nazis, aber auch von Privatpersonen ans Tageslicht, das Geschehen wird immer komplexer. Zum Ende hin löst sich aber alles auf und man versteht die Zusammenhänge.
Das Buch liest sich gut, die Spannung entwickelt sich vehement, so dass es für mich zum Pageturner wurde. Sehr interessant fand ich den historischen Bezug, ich habe sehr viel Hintergrundwissen zu dieser schwierigen Zeit der deutschen Geschichte erhalten, ergänzend zu meinem Schulwissen und den Informationen, die ich von Eltern und Verwandten bekommen habe.
Die Protagonistin Friederike Matthée ist mir sehr sympathisch, sie macht zunächst ihren Job nicht gern, sondern nur um ihr Zimmer halten zu können. Aber in der Praxis stellt sich heraus, dass sie ein gutes kriminelles Gespür hat, und sie fängt an, ihren Beruf zu mögen. Sie kommt aus Ostpreußen und hat Schlimmes auf der Flucht erlebt. Man ahnt bereits, worum es geht, erfährt die Umstände aber erst später. Als ehemalige 'Tochter aus gutem Hause' ist sie psychisch sehr angeschlagen und fühlt sich schwach, sie fragt sich, warum sie sich nicht besser durchsetzen kann, erst in äußerster Gefahr erlernt sie diese Fähigkeit wieder.
Auch Leutnant Richard Davies, mit dem Friederike zusammen arbeitet, hat ein schweres Schicksal hinter sich. Vordergründig ist er freundlich und kooperativ, hat aber immer wieder Phasen, in denen er unnahbar und grüblerisch erscheint. Auch hier erkennt man die Ursachen später, und dann spitzt es sich auch gefährlich zu. Er ist Friederike aber wohlgesonnen und stärkt sie in ihren Aufgaben.
Zunächst fand ich die vielen Namen etwas verwirrend, aber man bekommt immer wieder den Bezug geliefert. Ansonsten ist mir nichts negativ aufgefallen, ich bin rundherum zufrieden und stark beeindruckt von diesem Buch. Ich habe mich in diese Zeit hineingesetzt gefühlt und kann das Buch nur wärmstens empfehlen. Es kann sowohl Krimi-Fans ansprechen als auch historisch Interessierte. Themen wie Judenhass und Denunzierung politisch Abtrünninger sind auch hier Gegenstand des Geschehens.
Ich hoffe auf weitere Bücher dieser mir bislang unbekannten Autorin.

Veröffentlicht am 03.01.2018

Rührend und anrührend

Lied der Weite
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Dies war das erste Buch von Kent Haruf für mich, aber es wird nicht das letzte sein. Ich habe die Lektüre so sehr genossen, dass ich traurig war, als ich das letzte Kapitel beendet hatte. Es ist sein einfacher ...

Dies war das erste Buch von Kent Haruf für mich, aber es wird nicht das letzte sein. Ich habe die Lektüre so sehr genossen, dass ich traurig war, als ich das letzte Kapitel beendet hatte. Es ist sein einfacher Schreibstil, der mich so gefesselt hat, man liest immer weiter und versetzt sich in die Situation hinein, man ist irgendwie dabei als stiller Zuschauer.
Interessant ist die fehlende Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede, alles ist Erzählung.

Hinzu kommt, dass ich diese Geschichte in der Weihnachtszeit gelesen habe und die Betreuung Victorias durch die McPheron Brüder sehr rührend fand. Diese rauen Farmer zeigen ein so einfühlsames und sorgendes Verhalten dem 'Mädchen' gegenüber, dass mir teilweise die Tränen in den Augen standen (passiert mir wirklich selten).
Es geht in diesem Buch nicht um außergewöhnliche Dinge, sondern vorwiegend um Alltagsprobleme, trotzdem versteht es der Autor diese so zu verpacken, dass der Erzählfluss einen mitreißt. Mir gefällt es zu beobachten, wie Victoria mit ihrer Schwangerschaft umgeht, wie Ike und Bobby ihre langweiligen Ferien gestalten oder Guthrie mit seiner zerbrochenen Ehe umgeht. Besonders gefällt mir der Charakter der Victoria, die wie ein Fels zu ihrem Kind steht, den unzuverlässigen Vater jedoch ablehnt, aber sich anderen Personen öffnet. Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, in Holt zu leben und diese junge Frau kennen zu lernen.....

Was mir nicht gefallen hat, war die detaillierte Beschreibung der Untersuchung der Kühe durch die Brüder McPheron, aber es soll wohl zu ihrer Charakterisierung beitragen. Absolut überflüssig fand ich die Beschreibung der Obduktion des toten Pferdes, vielleicht dient es aber auch dazu, den rauen Alltag zu beschreiben, der auch vor Kindern nicht verschlossen bleibt. Interessant hätte ich es auch gefunden, zu erfahren, wieso die Ehefrau von Guthrie depressiv ist, ob es was mit dem harten Landleben zu tun hat oder mit seinem Verhalten.

Diese drei Punkte beeinflussen aber nicht meine Bewertung des Buches. Ich möchte hier eine volle Empfehlung aussprechen, das Buch hat mich sehr beeindruckt, und ich möchte mehr Bücher von diesem Autor lesen.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Spektakuläre Ereignisse am West Coast Trail

Der finstere Pfad
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Die Bücher von Jenny Blackhurst versprechen atemberaubende Spannung, überraschende Wendungen, unerwartete Geschehnisse und sind dementsprechend regelrechte Pageturner. So ist es auch in diesem Buch, man ...

Die Bücher von Jenny Blackhurst versprechen atemberaubende Spannung, überraschende Wendungen, unerwartete Geschehnisse und sind dementsprechend regelrechte Pageturner. So ist es auch in diesem Buch, man möchte es einfach nicht aus der Hand legen.
Inhaltlich geht es um eine junge Frau, die sich eine Auszeit nehmen möchte, aber von ihrer besten Freundin dabei im Stich gelassen wird. So begibt sie sich allein zum abenteuerreichen Erleben des kanadischen West Coast Trail. Schnell lernt sie andere junge Leute kennen, aber am Ende der Tour steht ein schreckliches Verbrechen. Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, als Laura, Mutter von zwei Kindern und glücklich verheiratet, eine erschreckende Nachricht hört. Am kanadischen Wanderweg wurden menschliche Knochen gefunden, und damals war auch sie am Ort des Geschehens. Von nun an passieren merkwürdige Dinge und Drohungen erreichen die heile Welt von Lauras Familie. Wie hängt das alles zusammen, und was ist damals wirklich passiert?
Sehr positiv ist, dass man dauernd mitgerätselt hat, wer und aus welchem Grunde hier agiert und auch damals agierte. Hierzu konnte man viele Theorien entwickeln, die dann aber schnell von der Autorin wieder als Sackgasse gestoppt wurden, was den Spannungsbogen noch erhöhte.
Gut gelungen fand ich den Perspektivwechsel, der so manche Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtete und beleuchtete. Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich und gut verständlich. Die Charaktere werden ausgiebig beleuchtet einschließlich all ihrer Heuchelei und Verlogenheit, ab und an auch etwas überzogen. Mir ist es bis zum Schluss nicht gelungen, den rätselhaften Sachverhalt zu lösen, deshalb war es spannend bis zum Ende.
Die grundlegende Idee dieses Thrillers ist sehr einfallsreich, und die Autorin ist bemüht, alle Fäden am Ende zusammenzufügen, auch wenn ihr das nicht ganz gelingt. Ein paar Fragen bleiben unbeantwortet und einiges wirkt sehr konstruiert.
Aber alles in allem hatte ich aufregende und unterhaltsame Lesestunden und freue mich bereits auf den nächsten JB-Thriller.

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Veröffentlicht am 05.01.2020

Vorverurteilung oder Wahrheit?

Nebeljagd
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Eine Frau wird in einem kleinen Dorf ermordet, und sofort fällt der Verdacht auf ihren Pflegesohn Johann Haug, der nie ein gutes Verhältnis zu ihr hatte. Außerdem steht er in Verdacht, seine frühere Freundin ...

Eine Frau wird in einem kleinen Dorf ermordet, und sofort fällt der Verdacht auf ihren Pflegesohn Johann Haug, der nie ein gutes Verhältnis zu ihr hatte. Außerdem steht er in Verdacht, seine frühere Freundin vor 20 Jahren grausam ermordet zu haben, was aber nie bewiesen wurde. Ohne ausreichende Beweise wird eine Gerichtsverhandlung initiiert, und Linn Geller ist seine Pflichtverteidigerin. Sie ist in ständigem Zweifel was Haugs Schuld betrifft und recherchiert auf eigene Faust, da sie das Gefühl hat, dass hier einiges verschleiert werden soll. Sie sieht sich der abweisenden Front der Dorfgemeinschaft gegenüber, die sich ihre feste Meinung gebildet hat und nicht davon abweicht.
Genau wie die Verteidigerin werden auch die Leser immer wieder in verschiedene Denkrichtungen gelenkt, so dass man bis zum Ende hin in Unsicherheit bleibt, ob Johann Haug wirklich ein Mörder ist. Diese Komplexität, die den Leser immer wieder in Sackgassen führt und die ein Umdenken erfordert, erzeugt eine durchgreifende Spannung, denn man möchte unbedingt die Wahrheit erfahren.
Am Anfang erschien mir der Kriminalroman etwas langatmig, vielleicht lag es daran, dass ich den Vorgängerband nicht kannte und erstmal in das Geschehen hineinfinden musste. Aber die Spannung steigerte sich ständig und ließ mich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Der Schreibstil ist flüssig und leicht. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und erscheinen realitätsnah. Linn ist eine Anwältin, die sich durch Ehrgeiz und Hartnäckigkeit auszeichnet. Auch persönliche Bedrohungen schüchtern sie nicht ein. Wir erfahren zwar auch etwas über das Privatleben der Anwälte/Ermittler, aber das hält sich in Grenzen und ist so völlig akzeptabel. Die Szenerie wird intensiv und sehr atmosphärisch beschrieben, besonders die unsägliche Verbohrtheit und der Starrsinn der Dorfbewohner.
Ein sehr spannendes und in sich schlüssiges Buch, das ich gern gelesen habe. Besonders die sich steigernde Spannung habe ich genossen. Und ich möchte dementsprechend eine eindeutige Lesempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 11.02.2024

Skurril und humorvoll

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Der Rentner Heinz Labensky, der in einem Seniorenheim seine letzte Zeit verbringt, nimmt uns mit auf seine Reise an die Ostsee. Dort will er sich nämlich mit Ritas Tochter treffen, die ihm einen Brief ...

Der Rentner Heinz Labensky, der in einem Seniorenheim seine letzte Zeit verbringt, nimmt uns mit auf seine Reise an die Ostsee. Dort will er sich nämlich mit Ritas Tochter treffen, die ihm einen Brief geschrieben hat, dass ihre Mutter verschwunden ist. Rita war seine große Jugendliebe. Beide waren Außenseiter in ihrem Dorf und fanden zueinander, um sich gegenseitig Halt zu geben, der ihnen von den Menschen um sie herum verweigert wurde.
Heinz Labensky ist schon ein skurriler Typ. Das wird deutlich, als er sich ganz einfach in einen Flixbus setzt, um zur Ostsee zu gelangen. Schon auf dem Weg zur Haltestelle begegnen ihm die ersten Schwierigkeiten. Da er aber Menschenfreund ist und keine Berührungsängste zu kennen scheint, arbeitet er sich Schritt für Schritt voran, um seine 'Etappenziele' zu erreichen.
Heinz wurde in der Schule als förderungsunfähig eingestuft und verließ die Schule ohne Abschluss. Er akzeptiert alles, was andere sagen, weil er es nicht anders weiß. Trotzdem schlägt er sich auf seine skurrile Weise durch. Während er zur Ostsee fährt, durchdenkt er einzelne Stationen seines Lebens und vermittelt uns seine Biographie. Diese spielte sich im Osten Deutschlands ab, in der ehemaligen DDR.
Die Gedankengänge haben mich gut unterhalten und auch informiert. Da gibt es lustige Wortschöpfungen und DDR-Vokabeln, die mir nicht bekannt waren. Er nimmt Sprache auseinander und spielt damit. So ist er z.B. stolz darauf, Studentenfutter zu essen, obwohl er keinen Schulabschluss hat. Köstlich! Allerdings sind manche seiner Erinnerungen kaum glaubhaft, sie hören sich sehr konfus an. Aber naja, Erinnerungen verblassen und werden modifiziert.....
Heinz erinnert sich gerne, er erzählt auch gerne, so dass es an einigen Stellen im Buch zu einer gewissen Langatmigkeit kommt, weil die Details zu sehr ausgebreitet werden oder sich wiederholen.
Ich hatte alles in allem auf jeden Fall unterhaltsame Stunden mit diesem Buch, wozu auch der Schreibstil beigetragen hat, der sich fließend lesen lässt.
Sicherlich ist der Roman besonders empfehlenswert für ehemalige DDRler, da wird bestimmt so einiges ins Gedächtnis zurückgeholt. Aber auch für mich als 'Wessie' war das Buch lesenswert.

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