Barney Kettles bewegte Bilder hat mich schon in der Vorschau wie ein spieltoller Labrador angesprungen. Ich bin verliebt in das Cover und auch unten drunter (huch!) sieht es molto bene aus! Ich muss an der Stelle einfach mal wieder ein dickes Lob an den Verlag und an die Designerin Suse Kopp aussprechen. Das gesamte Zweisamkeit-Programm sieht großartig aus und ich bin noch immer in jedes einzelne Buch schockverliebt.
Und man mag es erstmal nicht so sehen, aber die Aufmachung zu Barney Kettles bewegte Bilder passt wie die Faust aufs Auge. Warum? Die Geschichte ist minimum genauso kreativ, bunt und anders. Und wenn ich eine Sache über alles liebe, dann das, wenn man dieses besondere Gefühl der Kreativität, diesen Moment, wenn einen die Muse küsst, wenn sich alles in deinem Blickwinkel auf diese eine Idee einschießt, einfängt und zu Papier bringt. Kate de Goldi hat hier ein kleines Wunder geschaffen. Denn schon sehr früh in dem Buch, wenn alles noch neu und frisch ist und noch nicht wirklich alles Sinn ergibt, spürt man dieses Feuer. Diese Leidenschaft. In der oft sehr besonderen Wortwahl, im Schreibstil, einzelnen Stilelementen (z. B. das Hervorheben der Orte, das Aneinanderreihen von Begriffen) und in der Geschichte selbst. In den Dialogen, in den Charakteren. In dem ganzen Setting.
Wenn ich mir vor Augen halte wie bunt und lebensfroh dieses Buch ist, muss ich lächeln. Dieses Lächeln hat sich auf den ersten Seiten von Barney Kettles bewegte Bilder eingeschlichen und geht seitdem nicht mehr weg.
Die Charaktere
Da ist Barney, der junge, zwölfjährige, etwas größenwahnsinnige große Bruder, der vom Filmemachen besessen ist. Er stürzt sich von einer Kurzfilmproduktion in die nächste und er verkörpert, für mich, die meiste kreative Energie. Er ist unglaublich zielstrebig, weiß, dass er später mit Spielberg, Allen und Co. mithalten wird können. Er sieht das. Er sieht seine Zukunft auf einem goldenen Weg gepflastert. Und du nimmst dem Kerl das ab. Du spürst als Leser die Leidenschaft, die AufregendeAlchemie, die da in Barney brennt.
Doch hinter jedem erfolgreichen Mann steht bekanntlich ja eine Frau. In diesem Fall ist das zwar Barneys kleine Schwester Ren, die nur ein Jahr jünger ist als er, aber das tut nichts zur Sache. Denn sie ist Schwester/Assistentin/Organisatorin/Kopfmensch/Schrägstrichkönigin. Zwar kann man hier und da denken, dass Barney mal einen Gang rückwärts einlegen dürfte, gerade wenn es um Ren geht, dennoch habe ich schon bald Gefallen an Barneys diktatorischen Zügen gefunden. Denn im Verlauf des Buchs erkennt man, dass Barney in Wirklichkeit ein sehr aufmerksamer, offener und einfach lustiger Typ ist. Er und Ren ergänzen sich im Buch so gut, wie es für ein Geschwisterpaar und Geschäftspartner der Kettle Productions eben nur geht. Und insgeheim ist Ren die gute Seele des Buches, was ein Gleichgewicht schafft.
Doch mal Butter bei die Fische. Worum geht es denn genau in Barney Kettles bewegte Bilder? War’s das schon mit dem Kreativitäts-Filmgedöhns rund um Barney und Ren?
Nope.
Die Geschichte
In dem Buch geht es im Barney und Ren, die in ihrer Straße, der High Street, einen Dokumentarfilm drehen möchten. Nachdem die letzten Kurzfilme eher auf fiktive Geschichten basiert hatten, fällt es den beiden bei einem ihrer Produktionsmeetings wie Schuppen vor die Augen. Jeder Mensch bietet eine eigene Geschichte. Eine ganze Straße bietet Unmengen an Geschichten, die erzählt werden wollen. Kettle Productions macht sich an die Arbeit. Und was anfangs eher gemächlich anfängt und auf den Leser sehr ruhig, ja, vielleicht langweilig wirken kann, kommt die erste Wendung im Buch.
Als Ren und Barney an einem ihrer Drehtage auf einen Umschlag stoßen, mit der Aufschrift „DU“ und einem darin enthaltenden Zine (gesprochen „Zeen“; wie Teen) beginnt eine ganz eigene und wunderbare Schnitzeljagd, die Charme, Witz und Esprit aufweist. Denn hinter diesen Umschlägen mit dem immer enthaltenden Zine steckt ein Abenteuer mit dem Titel „Orange Boy lebt“. Was es genau damit auf sich hat, das sollte jeder Leser selbst herausfinden. Doch eins sei noch gesagt, die heile und sichere Welt von Ren und Barney bekommt einen Knacks. In ihren jungen Jahren werden die beiden mit einer Thematik konfrontiert, die sehr besonders ist und die Autorin auf leichte, aber doch eindringliche Art übermittelt. Das ist übrigens auch der Grund, weswegen es nicht ein einfaches Kinderbuch ist, sondern ein Buch, was zu Recht den Titel eines Königskindes trägt.
Schlussendlich könnte man meinen, das wäre es dann gewesen und es würde sich nur noch um Barney, Ren, Orange Boy und den Dokufilm drehen. Was es nicht tun wird. Es wird noch eine Wendung im Buch geben, die ich selbst beim Lesen nicht vorhergesehen habe. Und die hat mir tatsächlich den Rest gegeben, die hat das Buch auf einen ganz neues Level gehoben. Zwar war das Buch insgesamt eher ein ruhiges, welches unaufgeregt die verschiedensten Charaktere und Lebensstile und den Dorfcharakter einer ganzen Straße einfängt, und somit könnte man auf den einen dicken Knall warten, aber das tut man nicht.
Ich bin gerne in die High Street eingetaucht, bin den unterschiedlichsten Figuren wie z. B. Brown Betty, Suit oder der Unveröffentlichte Dichter begegnet und habe mich einfach wohl gefühlt.
Barney Kettles bewegte Bilder ist ein buntes Potpourri. Eine junge und wunderschöne Geschichte, die Spaß macht und den Leser zum Schmunzeln bringt, aber dabei nicht den Ernst des Lebens vergisst und dazu einige Überraschungen und großartige Szenen bietet. Außerdem ist dieses Buch ein großartiger Beweis dafür, dass junge Bücher definitiv ohne Lovestory auskommen. Das es nicht immer irgendwelche Love Interests geben muss.
FAZIT
„Molto großartig“! Barney Kettles bewegte Bilder ist ein zartes, unglaublich kreatives Wohlfühl-Buch mit ganz viel Subtext und einer unerwarteten, aber heftigen Wendung. Barney Kettles Geschichte mag unscheinbar wirken, entpuppt sich aber als kleiner Wolf im Schafspelz. Wer auf bunte Charaktere und Dialoge steht, wird hier 1 A bedient.