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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hat die erste große Liebe eine Chance?

Mit Flipflops ins Glück
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Mit 17 Jahren begegnet Nina auf einer Klassenfahrt dem Hamburger Gero. Sie verlieben sich ineinander. Gero muss überstürzt die Jugendherberge verlassen und hinterlässt Nina einen kurzen Brief mit seiner ...

Mit 17 Jahren begegnet Nina auf einer Klassenfahrt dem Hamburger Gero. Sie verlieben sich ineinander. Gero muss überstürzt die Jugendherberge verlassen und hinterlässt Nina einen kurzen Brief mit seiner Telefonnummer, die allerdings unvollständig ist, weshalb Nina die Kontaktaufnahme nicht gelingt. Sie tröstet sich bei ihrem Mitschüler Sami, der schon lange ein Auge auf sie geworfen hat. Zwölf Jahre später möchte dieser mit ihr nach Brasilien übersiedeln. Nina ist hin- und hergerissen, ob sie mitgehen soll. Auf einer Probereise nach Sao Paulo trifft sie Gero, zu dem sie letztlich doch noch all die Jahre über Kontakt per Email und wenigen kurzen Treffen gehalten hat. Wie und für wen wird sich Nina entscheiden?

Angesichts der vorangegangenen heiteren Romane des Autors habe ich eigentlich Ähnliches erwartet. In diesen Reigen ordnet sich das Buch nicht ein; es widmet sich dem eher ernsten Thema, wie die Protagonistin ihr weiteres Leben gestalten soll – mit oder ohne ihren langjährigen Lebenspartner, in der vertrauten Heimatstadt oder in der Fremde. Trotz anderer Erwartungshaltung bin ich von der Geschichte aber überhaupt nicht enttäuscht. Erzähltechnisch wird derart vorgegangen, dass von den in der Gegenwart im Jahr 2014 spielenden Abschnitten immer wieder auf die Vergangenheit zurückgeblendet wird, und zwar beginnend zwölf Jahre vorher und dann aufsteigend bis in die Gegenwart. So entfaltet sich Ninas Leben Stück für Stück und bleibt das Lesen spannend. Die innere Zerrissenheit der Protagonistin und das Dilemma, vor dem sie steht, sind gelungen und gut nachvollziehbar dargestellt. Gefallen hat mir, dass es quasi eine kleine Geschichte in der Geschichte gibt; Nina versucht sich nämlich selbst an einem Buch. Sehr schön sind die Impressionen von der Stadt Sao Paulo. Das Ende, wie es letztlich aussieht und das ich nicht verraten will, konnte einfach nur so sein.

Ein gut unterhaltender, kurzer Roman.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Soziopath versus Psychiater

Niemand sieht mich kommen
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Von heut auf morgen wird Eric Parrish vom renommierten Leiter der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses zum vermeintlich Kriminellen. Nicht nur führt er einen erbitterten Sorgerechtsstreit um seine ...

Von heut auf morgen wird Eric Parrish vom renommierten Leiter der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses zum vermeintlich Kriminellen. Nicht nur führt er einen erbitterten Sorgerechtsstreit um seine Tochter. Die Behandlung eines jugendlichen Stalkers mit Zwangsneurose bringt ihn selbst in den Verdacht, dessen weibliches Zielobjekt ermordet zu haben. Obendrein sieht er sich dem Vorwurf der sexuellen Belästigung einer Medizinstudentin ausgesetzt. Parrish ermittelt auf eigene Faust und findet Haarsträubendes heraus …

 

Dieser Thriller ist sehr fesselnd. Während der Leser einen kleinen Wissensvorsprung hat und ihm vom ersten Kapitel an klar ist, dass es ein Soziopath auf Dr. Parrish abgesehen hat – der sich übrigens immer mal wieder in eigenständigen Kapiteln mit Ausführungen  zu Wort meldet -, bleibt dies dem Protagonisten bis fast zum Schluss verborgen. Für den Leser ist natürlich bis ebenda offen, wer hinter der Person des Soziopathen steckt und welches Motiv er hat. Das spornt zum weiteren Lesen an. Die Auflösung ist nach rasanten Entwicklungen und Wendungen recht überraschend und kaum vorhersehbar. Woran ein guter Thriller selbstverständlich nicht vorbeikann, sind Tote. Von ihnen gibt es hier mehrere, ohne dass die Geschichte dadurch aber brutal oder grausam wird. Woran sie etwas schwächelt, ist die Person des Protagonisten. Er mutiert plötzlich vom totalen Gutmenschen zum Bösewicht und ist ebenso rasch wieder rehabilitiert. Das läuft etwas zu glatt und entspricht nicht unbedingt der Realität. Wer zu dem Buch greift, muss sich im Klaren sein, dass es sich um einen amerikanischen Thriller handelt, in dem die eigentümliche, uns fremd anmutende Rolle von Polizei und Justiz von Bedeutung ist.

 

Insgesamt kann ich dieses Buch nur empfehlen.

 

Veröffentlicht am 15.09.2016

Verdrängung der Vergangenheit

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken
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Eines Abends bemächtigen sich zwei entflohene Straftäter der Familie Tremont in deren in der Einöde gelegenem Haus. Vater Ben, Mutter Sandy, Tochter Ivy und der betagte Hund erleben qualvolle Stunden der ...

Eines Abends bemächtigen sich zwei entflohene Straftäter der Familie Tremont in deren in der Einöde gelegenem Haus. Vater Ben, Mutter Sandy, Tochter Ivy und der betagte Hund erleben qualvolle Stunden der Agonie in den Händen des einfältigen, hünenhaften Harlan und des Wortführers Nick. Zwischen letzterem und Sandy besteht eine in der Vergangenheit wurzelnde Verbindung, die Sandy erst allmählich erkennt und ihrer Familie verschwiegen hat …

Erörtert werden in der Geschichte nur wenige Stunden im Leben der Familie Tremont – vom frühen Abend bis in die Nacht hinein -, sie erstreckt sich aber über 476 Seiten. An dieser epischen Breite, in der alle Geschehnisse rund um die Geiselnahme ausgebreitet werden, stoße ich mich ein wenig. Sich wiederholende Gewalttätigkeiten, Fluchtgedanken, Fluchtversuche hätten vielleicht auch straffer dargestellt werden können, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass so die psychische Bedrängnis der Beteiligten gut zum Ausdruck kommt. Ein gelungener Ausgleich ist, dass besondere Erzähltechniken für Abwechslung und Spannung sorgen. Da ist insbesondere zu denken an die regelmäßigen Einschübe, in denen Nicks Kindheit und Jugend sowie sein Verhältnis zur Mutter vor mehr als 20 Jahren bis hin zu der Tat, die ihn ins Gefängnis brachte, geschildert werden. In diesem Zusammenhang sind auch ungewöhnliche Erzählperspektiven (wie die des Hundes) erwähnenswert. Die Spannung bleibt durchweg erhalten, der Schluss wartet sogar noch mit einer überraschenden Entwicklung auf. Erst gegen Ende des ersten Drittels gibt es vage Hinweise, anhand derer der Leser erste konkrete Überlegungen zu den Zusammenhängen zwischen den Beteiligten anstellen kann.
Völlig überzeugt mich das Buch nicht, was aber auch daran liegen mag, dass ich als nur Gelegenheitsleserin von Thrillern etwas zu kritisch sein mag. Deshalb vier von fünf Sternen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Viel Wissenswertes über Eiscreme und Lyrik

Die Eismacher
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So farbenfroh und leicht, wie es die Eiswaffel auf dem Cover vermuten ließe, ist das Leben eines Eismachers ganz und gar nicht. Diese Lehre vermittelt uns die vorliegende Familiensaga rund um die (fiktive) ...

So farbenfroh und leicht, wie es die Eiswaffel auf dem Cover vermuten ließe, ist das Leben eines Eismachers ganz und gar nicht. Diese Lehre vermittelt uns die vorliegende Familiensaga rund um die (fiktive) italienische Familie Talamini. In dritter Generation betreibt Vater Beppi ein Eiscafé in Rotterdam. Das bedeutet für ihn 57 versäumte Sommer – während der Eissaison steht er unentwegt im Café. Nur vier Wintermonate verbringt er mit seiner Familie in seinem Heimatdorf in den Dolomiten. Dabei wäre er eigentlich gerne Erfinder geworden. Trotz anderer Träume unterwirft sich genauso pflichtbewusst sein jüngerer Sohn Luca der Familientradition, nachdem sein älterer Bruder Giovanni – unser Erzähler – das Eiscafé nicht übernehmen will und stattdessen Literat wird, was ihm Vater und Bruder nie verzeihen. Auch die fünfte Generation, verkörpert durch Lucas Sohn, schert aus. Ihn umgibt ein Geheimnis, von dem nur Luca, Giovanni und wir als Leser wissen …

Wie viele Kenntnisse uns der Roman doch vermittelt über die Herstellung guter Eiscreme und die Geschichte der traditionellen Eismacher. Oder ist jedem bewusst, dass die Eiscreme ihren Anfang darin fand, dass unter schwersten Bedingungen Eis aus den Bergen geholt wurde und in einer Maschine unter Zugabe von Früchten ständig gerührt wurde? So wird es in der Familiensaga der Talaminis aufbereitet, was nicht chronologisch, sondern mit Zeitsprüngen geschieht. Familie und Tradition sind hier die vorherrschenden Themen. Dieser Teil der Geschichte liest sich leicht und flüssig. Schwieriger sind dann schon die der Lyrik und der Poesie gewidmeten Bestandteile. Wer Prosatexte vorzieht, fühlt sich etwas fremd. Doch auch hier gibt es interessante Informationen, vermittelt durch den älteren Sohn Giovanni. Seine ganze Liebe gilt der Lyrik, der er sein Leben widmet. Als renommierter Direktor des World Poetry-Festivals reist er über den ganzen Erdball, um andere Poetry-Festivals zu besuchen. So verwundert es nicht, dass viele Anekdoten und Erlebnisse rund um bekannte oder weniger bekannte internationale Dichter eingestreut sind und das eine oder andere ihrer Gedichte zitiert wird. Am Ende des Buches ist eine Liste der zitierten Gedichte zu finden, die einem den erneuten späteren Zugriff auf ein Gedicht erleichtern.

Da mich eher Prosa denn Lyrik anspricht, bewerte ich das Buch mit vier Sternen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Buch über zwei starke Frauen

Die Reise der Amy Snow
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England 1831: Die einzige Tochter wohlhabender Gutsherren findet im Schnee ein nacktes, ausgesetztes Baby. Sie nennt es Amy Snow und setzt beharrlich gegen den Widerstand ihrer Eltern durch, Amy auf dem ...

England 1831: Die einzige Tochter wohlhabender Gutsherren findet im Schnee ein nacktes, ausgesetztes Baby. Sie nennt es Amy Snow und setzt beharrlich gegen den Widerstand ihrer Eltern durch, Amy auf dem Gut aufwachsen zu lassen. Für Aurelia wird Amy zu einer Freundin und Schwester. Nach der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung begibt sich Aurelia auf Reisen. Amy fühlt sich zum ersten Mal von ihr im Stich gelassen. Mit Mitte zwanzig stirbt Aurelia und ihre Eltern jagen Amy fort. Aurelia hat allerdings finanziell für sie vorgesorgt und außerdem in Anlehnung an ein früheres Kinderspiel eine Schatzsuche für sie organisiert. Anhand aufzuspürender Briefe, die viel Neues über Aurelia preisgeben, begibt sich Amy an verschiedene Orte zu wohlgesonnenen Freunden, wo sie ein gut gehütetes Geheimnis Aurelias aufdeckt und obendrein ihr eignes, selbstbestimmtes Leben zu führen lernt.

Die Geschichte ist schon historisch interessant, spielt sie doch im viktorianischen England, benannt nach Queen Victoria, die als emanzipiert und selbstbewusst galt. Über das gesellschaftliche Leben in dieser Zeit ist so manches Detail zu erfahren. Die beiden Protagonistinnen passen vorzüglich zu diesem Hintergrund. Aurelia mit ihrem Drang zu Unabhängigkeit verkörpert ein neues Frauenbild; Amy entwickelt sich von einer grauen Maus zu einer selbstbewussten Frau, der der gesellschaftliche Aufstieg gelingt. Darüber hinaus ist die Geschichte spannend und lässt den Leser miträtseln, was für eine Botschaft Aurelia wohl an Amy weiterleiten wollte. Zwar hegt Amy selbst ab dem Mittelteil eine Vermutung, die aber trotzdem noch auf Bestätigung wartet. Das Buch liest sich recht flüssig. Die gute Strukturierung der Geschichte anhand der Vorgeschichte und der verschiedenen Reisestationen Amys erlauben auch schon einmal eine Lesepause, ohne dass der Faden verloren geht. Anmerken muss ich allerdings, die Passage über Amys Station in Bath im Mittelteil als die schwächste und als ein wenig ermüdend empfunden zu haben. Hier gibt es schlichtweg zu viele in meinen Ohren sehr gekünstelt klingende Dialoge zwischen Amy und ihrem Verehrer Henry.

Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen und kann es Leserinnen historischer Romane empfehlen.