Profilbild von txtrovert

txtrovert

Lesejury Profi
offline

txtrovert ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit txtrovert über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.02.2018

Traurig, verstörend und doch so real: Die Blaupause einer dysfunktionalen Familie

Marie
0

Das wunderschöne Cover hat mich gelockt, Steven Uhlys „Marie“ zu lesen. Eigentlich wollte ich vorher noch den Vorgänger dieses Buchs, „Glückskind“, lesen, aber irgendwie hat es sich nicht ergeben. Dabei ...

Das wunderschöne Cover hat mich gelockt, Steven Uhlys „Marie“ zu lesen. Eigentlich wollte ich vorher noch den Vorgänger dieses Buchs, „Glückskind“, lesen, aber irgendwie hat es sich nicht ergeben. Dabei bin ich jetzt, nach der Lektüre, noch viel begieriger drauf, mehr von der Familie und deren Vorgeschichte zu erfahren. Es geht um die Familie Kelber, Mutter geschieden, alleinerziehend mit drei Kindern: Mira, Frido und Chiara. Der Vater hat sich mit einer anderen Frau ein neues Leben aufgebaut und nimmt die Kinder am Wochenende vielleicht mal, aber nur wenn es denn unbedingt sein muss, und auch nur „Frido und die Kleine“! Veronika, die Mutter, ist sichtlich überfordert mit der Situation und schafft es immer nur gerade so, den Kindern rechtzeitig eine Mahlzeit (meistens Pizza) auf den Tisch zu stellen. Der elfjährige Frido muss daher vieles erledigen, was eigentlich kein Kind erledigen sollte: schauen, dass seine Schwestern rechtzeitig zur Schule kommen, sie dorthin begleiten, sie ermuntern, Hausaufgaben zu machen, etc. Dass das nicht gut ist für ein Kind, realisiert Veronika nicht. Und als Frido Chiara eine Gutenachtgeschichte erzählt, die sich als näher an der Realität herausstellt als gedacht, gerät das Leben der Kinder völlig aus den Fugen.


Wow. Als ich „Marie“ zur Hand nahm, war mir bewusst, dass dies kein Gute-Laune-Roman sein wird, aber dass mich das alles so mitnehmen würde, hätte ich dann auch nicht gedacht. Das Bild einer Familie, wie sie sein sollte, durchbrechen die Kelbers und zeigen so ziemlich das Gegenteil. Die Mutter kommt überhaupt nicht mit ihrer Vergangenheit klar und die Kinder werden vernachlässigt, nicht umsorgt und offensichtlich auch nicht geliebt. Hätte sie doch bloß verhütet, dann wäre ihr Leo nicht weggelaufen. Wären die Kinder doch bloß nicht gewesen… Solche Gedanken schiebt Veronika in ihrem Kopf hin und her, und die Geschichte aus „Glückskind“, die hier eine tragende Rolle spielt, wird nach und nach von den Kindern aufgedeckt. Es geht um ein Baby namens Marie, das von einem Obdachlosen in einer Mülltonne gefunden wurde. Relativ am Anfang des Buches wird klar, dass Chiara dieses Baby sein muss, und sie spürt es nach der Gutenachtgeschichte irgendwie auch. Die Sechsjährige beginnt, sich mit Marie zu identifizieren und es baut sich eine zweite Persönlichkeit in ihrem Innern auf. Während Veronika immer instabiler wird, weil die Geschichte nach sechs Jahren nun wieder auf dem Tisch liegt, verwahrlosen ihre Kinder zusehends weiter.


"Sie muss funktionieren, Das ist auch eine Strafe, sagt sie sich, Im Gefängnis hättest du es doch viel zu leicht gehabt, du dumme Kuh, denkt sie. Sie muss hart gegen sich selbst werden, dann wird es gehen."


Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/steven-uhly-marie

Veröffentlicht am 17.02.2018

Bitterböse und mit einer geballten Portion der Jacobson’schen Finesse gibt es seit dem Beginn von Trumps Präsidentschaft mal wieder was zu Lachen.

Pussy
0

Seit ich letztes Jahr im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts Jacobsons „Shylock“ gelesen hatte, war mir klar: Der Mann kann schreiben. Nachdem ich mir sein Werk „J“zugelegt (und ins Regal gestellt) ...

Seit ich letztes Jahr im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts Jacobsons „Shylock“ gelesen hatte, war mir klar: Der Mann kann schreiben. Nachdem ich mir sein Werk „J“zugelegt (und ins Regal gestellt) habe, war jedoch erst mal Ruhe. Als ich aber gesehen habe, dass der King of Cynicism eine Trump Satire geschrieben hat, musste diese doch direkt bei mir einziehen. Und so landete Howard Jacobsons „Pussy“ in meinem Regal. Zugegeben, das Cover hat mich zunächst aufgrund der Karikatur abgeschreckt, aber der Name des Autors hat dies dann wieder wett gemacht. ? Das Buch handelt von Prinz Fracassus, der im Reich Urbs-Ludus aufwächst, in dem strikte Mantelpflicht herrscht und der Überfluss regiert. Fracassus‘ Eltern merken bereits früh, dass mit ihrem Spross etwas nicht stimmt, gehen aber doch davon aus, dass sein verschlossenes Wesen auf ein hart arbeitendes Gehirn schließt. Einige Zeit später beginnt Fracassus zu sprechen und spätestens dann wird jedem klar, dass dieser Junge eine Spezialbildung benötigt, um seine Spezialtalente zu fördern. Ihm werden diverse Mentoren zur Seite gestellt, die einer nach dem anderen zum selben Schluss kommen: Es hilft nichts.

"So etwas wie Volkes Wille gibt es nicht. Es gibt bloß den Willen derjenigen, die dem Volk sagen, was Volkes Wille sein soll."

Der junge Fracassus wächst langsam heran und relativ schnell wird klar, dass er mindestens in die Fußstapfen seines Vaters treten will, mindestens ein Casino mit jeder Menge „Nutten“ aufmachen möchte und eine Mauer errichten, mit der er jene aussperren kann, die nicht seine Meinung teilen. Fracassus‘ kindliche Züge spiegeln sich allerdings nicht nur in seiner beschränkten Sichtweise, sondern auch in seinem ebenso beschränkten Vokabular und seinem fehlenden Verständnis für die Dinge dieser Welt wider. Schnell empfiehlt man „seiner Durchlaucht“ die Nutzung von Twitter, damit die Leute Notiz von ihm und seinem ungeheuren Potential nehmen mögen. Während seine Mentoren besorgt sind, er würde die 140 Zeichen nur mit Unsinn füllen, hält seine Mutter dagegen, dass er nicht genügend Worte kenne, um diese Zeichen zu füllen. „Prostituierte“ sei schließlich sein längstes Wort.

Gespickt von einigen von Fracassus‘ Tweets lässt uns Howard Jacobson hier an der kleinen Pilgerreise teilhaben, die Fracassus von seinem Vater empfohlen wird, um zu „reifen“. Dass er dabei diverse Bordelle und Casinos besucht und mit einem Diktator namens Spravchik Zehenwrestling macht und im Anschluss dessen Seelenverwandter wird, hat er sich mit Sicherheit nicht vorgestellt. Als Fracassus schließlich den Präsidenten Phonocrates auf seinem Sterbebett besucht, offenbart dieser ihm das ultimative Geheimnis guter Staatsführung: »Halte nie deine Versprechen.« Fracassus kehrt schließlich von seiner Reise zurück, und ich muss wohl kaum erwähnen, dass das letzte Kapitel »Das Ende aller Tage« heißt. ?



Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/howard-jacobson-pussy

Veröffentlicht am 21.01.2018

Spannender Tagebuchroman, der alle Grenzen überschreitet — ein verrückter Ritt durch die Prüderie Japans und dessen Gepflogenheiten.

Der Schlüssel
0

Zunächst nur neugierig durch das wunderschöne Cover und die Gestaltung, hat mich dann spätestens der Klappentext komplett abgeholt: Die Rede ist vom Tagebuchroman „Der Schlüssel“von Junichiro Tanizaki. ...

Zunächst nur neugierig durch das wunderschöne Cover und die Gestaltung, hat mich dann spätestens der Klappentext komplett abgeholt: Die Rede ist vom Tagebuchroman „Der Schlüssel“von Junichiro Tanizaki. In den 50er Jahren zuerst erschienen, kam der Roman mit einer fantasievollen und teilweise leider unpassenden Übersetzung zu uns nach Deutschland, weshalb sich der Cass Verlag, der sich auf japanische Literatur spezialisiert hat, entschloss, den japanischen Klassiker neu zu übersetzen. Heraus kam ein Roman, wie ich ihn zuvor noch nicht gelesen habe: Ikuko und ihr Mann, der als einziger namenlos bleibt, sind bereits seit 20 Jahren verheiratet. Im Schlafzimmer läuft es allerdings für beide Parteien nicht so, wie sie es sich vorstellen. Während Ikuko ihren Mann „ohne Perversitäten“ im abgedunkelten Schlafzimmer empfangen würde, dürstet es dem Professor danach, seine Frau nach zwanzig Ehejahren endlich einmal nackt zu sehen. Man muss vielleicht noch erwähnen, dass Ikuko streng konservativ erzogen wurde und deshalb nicht weiß, wie sie mit ihrer Scham vor diesem höchst privaten Thema umgehen soll. Weil der Professor seine Frau nicht auf dieses heikle Thema ansprechen möchte und Ikuko der Meinung ist, dass es sich nicht geziemt, beginnt er, seine Tagebucheinträge direkt an seine Frau zu richten. Denn er weiß, dass sie weiß, wo er sein Tagebuch aufbewahrt und vermutet auch, dass sie darin stöbert, also lässt er fortan den Schlüssel dazu scheinbar unabsichtlich an einer offenen Stelle liegen. Ikuko, die derweil auch mit dem Tagebuchschreiben begonnen hat, liest es natürlich nicht, blättert lediglich darin, ohne sich die Wörter anzusehen. Und so entspinnt sich zwischen den beiden über ihre Tagebücher hinweg ein Dialog, während sie stets vorgeben, das Tagebuch des anderes nicht zu lesen. Zunächst bewegt das Ehepaar sich auf einem sicheren Gebiet, doch als der Freund ihrer Tochter Toshiko, Kimura, hinzukommt, gerät das Ganze schnell aus den Fugen…

Halb hasse ich meinen Mann, halb liebe ich ihn. Eigentlich passen wir nicht zusammen, aber deshalb suche ich mir nicht einfach einen anderen. Der Grundsatz der ehrsamen Ehefrau ist so tief in mir verankert, dass ich mich nicht darüber hinwegsetzen kann. Die zudringliche, perverse Art und Weise, in der mein Mann mich liebkost, bringt mich in Verlegenheit, gleichzeitig weiß ich, dass er mich wahnsinnig liebt, und da muss ich ihm doch entgegenkommen.

Was für ein toller Roman! Ich habe bisher nur in meinen Jugendtagen einen E-Mail-Roman gelesen (und die Tagebücher der Bridget Jones), aber noch nie ein Buch im Stil von „Der Schlüssel“. Hier wird der Leser auf eine Reise mitgenommen, die er so schnell nicht mehr vergisst: Sexualität in Japan, das Eheleben, Tabuthemen, Betrug, Alkoholismus, Krankheit und Liebe sind nur einige der Themen, die behandelt werden. Es geht nicht nur darum, seine (konservativen) Grenzen zu übertreten, sondern auch die des Vertrauens, und sich zu fragen „Bin ich zu weit gegangen?“. Während die Eifersucht die Leidenschaft des Professors immer weiter befeuert, gerät Ikuko in einen Schlund aus Gefälligkeit und Betrug: Sie möchte ihren Mann rasend vor Eifersucht sehen, um ihrerseits ihre nymphomanische Neigung (ja, man hält es anfangs nicht für möglich!) zu befriedigen, allerdings überschreitet sie dabei „die letzte Grenze“ und ihre Ehe gerät immer mehr in eine Schieflage. Zudem spielt die Gesundheit der beiden auch eine zentrale Rolle, denn Ikukos Mann leidet immer mehr unter stark erhöhtem Blutdruck und Schwindelanfällen, sodass er auf Anweisung seines Arztes strikte Ruhe einhalten soll. Doch der Wunsch, seine Frau zu befriedigen, ist stärker als seine Vernunft.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de

Veröffentlicht am 21.01.2018

Eine Geschichte über Freundschaft, Zusammenhalt und Familie, wunderschön illustriert und meisterhaft erzählt.

Das Wunder der wilden Insel
0

Auf Instagram habe ich dieses wunderschöne Buch schon des öfteren gesehen und so zog es über kurz oder lang dann doch noch bei mir ein. Nachdem ich erst neulich das Kinderbuch „Pax“ von Sara Pennypacker ...

Auf Instagram habe ich dieses wunderschöne Buch schon des öfteren gesehen und so zog es über kurz oder lang dann doch noch bei mir ein. Nachdem ich erst neulich das Kinderbuch „Pax“ von Sara Pennypacker gelesen hatte und doch ein sehr berührendes Leseerlebnis hatte, war ich diesem Buch nicht mehr so abgeneigt. Die Geschichte, die Peter Brown mit dem „Wunder der wilden Insel“ erzählt, ist spannend und neu: Ein Schiff erleidet Bruch. An Land gespült werden einige Kisten mit Robotern, von denen jedoch nur eine die holprige Anreise übersteht. Neugierige Inselbewohner inspizieren die Box und betätigen dabei versehentlich den „An“-Knopf. So wird das Robotermädchen Roz aus ihrem Schlaf geweckt und findet sich nun völlig abgeschieden auf einer kleinen Insel wieder. Doch allein ist sie nicht, denn hier wohnen zahlreiche Lebewesen, vom Hasen über den Fuchs bis hin zum Bären. Die Tiere halten zunächst Abstand von dem „Monster“, das nie frisst und auch nicht ihre Sprache spricht. Da Roz kein Mensch ist und somit auch keine Gefühle hat (sollte man meinen!), schmerzt sie dieses Verhalten auch nicht, jedoch ist ihre Neugier geweckt und nachdem sie sich einige Zeit immer wieder anders getarnt hat, um sich an die Inselbewohner anzuschleichen, lernt sie allerhand neue Dinge, zum Beispiel die Sprache von jedem einzelnen tierischen Bewohner. Da sie sich nun verständigen kann, versucht sie erneut, Kontakt mit den Tieren aufzunehmen, die aber immer noch abweisend reagieren. Erst, als sie einigen der Anwohnern in Nöten hilft, wächst ihr Vertrauen in Roz. Als Roz eines Tages versehentlich ein Vogelnest zerstört, rettet sie das verbliebene heile Ei und behütet es, bis es schlüpft. Doch mit dem frisch geschlüpften Küken tun sich für sie ungeahnte Schwierigkeiten auf und Roz ist auf die Hilfe der Inselbewohner angewiesen, um ihre Mutterrolle erfolgreich auszufüllen.

Roz hatte gemerkt, dass die Tiere sie umso mehr liebten, je wilder sie sich gab. Also bellte sie mit den Füchsen, sang mit den Vögeln und zischte mit den Schlangen. Sie tollte mit den Wieseln, sonnte sich mit den Eidechsen und sprang mit den Hirschen durch den Wald. Dieser Frühling war eine sehr wilde Zeit für den Roboter.

Peter Brown erzählt in „Das Wunder der wilden Insel“ eine emotionale Geschichte, in der es um das Zurechtfinden in einer neuen Umgebung, das Finden neuer Freunde, das Kümmern um einander und um das Abschiednehmen geht. Doch nicht nur das, denn auch der Zusammenhalt in jeder Situation ist auch ein wichtiger Kernaspekt, der im späteren Verlauf des Buchs zu Tragen kommt. In einer wunderbar kindgerechten Erzählweise und -sprache baut der Autor hier eine kleine Welt auf, in der alle zusammenhalten müssen, um beispielsweise den Winter zu überstehen. Der Leser lernt nicht nur viele verschiedene Tiere näher kennen, sondern auch deren Verhaltensweisen und wie die vielen Tiere der Insel Puzzlestücke zu einem großen Ganzen sind, die das Leben auf der Insel erst funktionieren lassen. So bauen die Biber einen Damm, der alle Insulaner vor der Flut schützt, und andere sorgen mit ihrem Kot dafür, dass bestimmte Blumen und Beeren erst richtig blühen, sodass so Nahrung für alle entstehen kann. Jedes einzelne Tier in Browns Geschichte hat eine eigene Persönlichkeit. Ganz besonders schön finde ich die Beziehung von Roz und dem Entenküken Leuchtschnabel, die sich allen Widrigkeiten entgegensetzt und zu einem herzzerreißenden Ende hinführt.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de

Veröffentlicht am 04.01.2018

Sadako Sasakis Geschichte, kindgerecht aufbereitet und illustriert — ein Leseerlebnis der besonderen Art!

Sadako. Ein Wunsch aus tausend Kranichen
0

Nachdem ich Jean-Marc Cecis „Herr Origami“ gelesen hatte, habe ich mich nach der Lektüre mit der Legende der tausend Kraniche befasst. Diese besagt, dass man einen Wunsch erfüllt bekommt, wenn man 1000 ...

Nachdem ich Jean-Marc Cecis „Herr Origami“ gelesen hatte, habe ich mich nach der Lektüre mit der Legende der tausend Kraniche befasst. Diese besagt, dass man einen Wunsch erfüllt bekommt, wenn man 1000 Papierkraniche gefaltet hat. Um diese Legende herum fußt auch die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte um Sadako Sasami in „Sadako. Ein Wunsch aus tausend Kranichen“. Sadako ist ein kleines Mädchen, das als Kind relativ nahe von Hiroshima gelebt hat und auch von der Druckwelle der Atombombe, die damals fiel, erfasst wurde. Sie lebte ein normales Leben, bis eines Tages, nachdem sie nach einem Sportlauf zusammenbricht, Leukämie bei ihr festgestellt wurde. Ihre beste Freundin Chizuko will das Schicksal Sadakos nicht akzeptieren und erzählt ihr also von der Legende der tausend Kraniche. Sadako beginnt eifrig zu falten und selbst als sie wieder nach Hause darf, hört sie nicht mehr mit dem Falten auf. Ob sie ihr Werk vollenden kann und ihren Wunsch erfüllt bekommt, wissen Kenner dieser Geschichte zwar bereits, aber ich als Unwissende hatte mein Vergnügen mit diesem Buch und war äußerst berührt von der Erzählung.

»Warum willst du jetzt aufgeben? Da draußen sitzt unsere ganze Schule. Sie wollen dich laufen sehen. Deswegen sind sie hier. Sie glauben, dass du es schaffen kannst.«

»Und wenn sie sich irren?«, fragte Sadako zögerlich.

»Du hast mir selbst erzählt, dass nicht mal die Atombombe dir etwas anhaben konnte. Du musst einfach schneller laufen als die Angst.«

Der Erzählstil ist einfach gehalten, schließlich handelt es sich hier um ein Kinderbuch, dennoch schafft Johanna Hohnhold es, auch große Leser zu fesseln und Emotionen zu wecken. Angesichts der Länge des Buches war mir auch von vornherein bereits klar, dass irgendwo in der Geschichte auch Abstriche gemacht werden mussten, und die sind ganz klar erkennbar bei den Charakteren. Alle Charaktere, die Protagonistin eingeschlossen, werden lediglich mit wenigen Strichen skizziert, aber für die Vermittlung der Geschichte genügt dies auch. Ich hätte mir aber ein wenig Tiefe und Detail schon gewünscht. Die Illustrationen, die sich durch das Buch ziehen und viele Seiten schmücken, sind wunderschön und stellen allerhand Szenen und Elemente der Geschichte dar. Besonders schön fand ich die Erklärung von Chizuko, wie man Kraniche faltet, was es mit der Legende der tausend Kraniche auf sich hat und, dass die chinesischen Schriftzeichen gezeigt wurden. Im Anhang des Buches findet der Leser dann auch eine detaillierte Anleitung, wie er selbst einen kleinen Papierkranich falten kann. Den Einband finde ich auch sehr ansprechend gestaltet, die Bleistiftzeichnungen aus dem Innenteil haben auf dem Umschlag an Farbe gewonnen und bezaubern durch ihre Schönheit. „Sadako“ hat also eine tolle Ausstattung!

Die vollständige Rezension findet ihr auf dem Blog: https://killmonotony.de