Nur noch das Jankele
Solange die Hoffnung uns gehörtein jiddisches Kinderlied, das sie Abend für Abend mit ihrer Tochter singt, ist der Opernsängerin Anni Kluger geblieben.
Das Grauen der Judenverfolgungen im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten ...
ein jiddisches Kinderlied, das sie Abend für Abend mit ihrer Tochter singt, ist der Opernsängerin Anni Kluger geblieben.
Das Grauen der Judenverfolgungen im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten wird bereits in vielen Romanen thematisiert (wobei es aus meiner Sicht nicht genug geben kann), wobei es aber immer noch Aspekte gibt, die nicht ganz so ausführlich beleuchtet wurden.
Hier hat die Autorin Linda Winterberg aka Nicole Steyer das Thema Kindertransporte in einem packenden Roman verarbeitet, in dem die Geschichte des Mädchens Ruth erzählt wird, die mit ihrer Mutter, der berühmten Sopranistin und Solistin der Frankfurter Oper Anni Kluger, durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten aus einem überaus angenehmen Leben mit viel Musik gerissen wurde.
In einer hoffnungslosen Situation - die Mutter hat in der Annahme, es könne so schlimm nicht kommen, die Ausreise so lange aufgeschoben, bis es zu spät war - gibt es für Ruth doch noch eine Chance. Einige Monate nach der Reichskristallnacht kann sie mit einem Kindertransport nach England reisen und dort ihre Schulausbildung fortsetzen - allerdings ohne ihre Mutter.
Die Autorin schreibt gekonnt und hat mich mit ihrer Geschichte so fesseln können, dass ich das Buch - das kein dünnes ist - in weniger als zwei Tagen durchgelesen hatte. Für Leser, die wie ich nicht vom Thema Zweiter Weltkrieg in allen Varianten lassen können, ist es ein gefundenes Fressen, vor allem, da auch weitere Schicksale, bspw. von Annis Kollegen und Ruths Freunden thematisiert werden und die Darstellung dadurch eine ziemliche Bandbreite und Weitläufigkeit erhält.
Wir folgen dem Schicksal von Ruth bis in die 1950er Jahre und es ist eine sehr wechselhafte und für meinen Geschmack zeitweilig zu aktionsreiche Geschichte, in der auch leider nicht alle Charaktere so eindringlich dargestellt werden, wie sie es verdient hätten und wie es die Autorin auch vermag. Dies hat man bspw. an der Figur von Annis Weggefährten Georgina/Norbert aus der Oper gesehen, einer überaus faszinierenden Persönlichkeit, aus meiner Sicht DEM Sympathieträger im Roman.
Etwas fürs Herz ist dieser Roman, denn es geht viel um Leidenschaften und Sehnsüchte, wobei aber die historischen Ereignisse an keiner Stelle außer Acht gelassen werden. Als faszinierend empfand ich die Einbindung zahlreicher wahrer Begebenheiten aus dem Frankfurt der 1930er und 1940er Jahre. Keine Frage, bei der Recherche hat Linda Winterberg ganze Arbeit geleistet und die Geschehenisse gelungen in ihre Geschichte eingearbeitet, wenn es auch an manchen Stellen einfach zu viele sind.
Dennoch ein überaus lesens- und empfehlenswerter Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte!