Ruth Jefferson ist seit zwanzig Jahren als einzige afroamerikanische Hebamme in einer kleinen Klinik tätig. Stets war sie pflichtbewusst und immer auf ihre Patienten bedacht. Doch dann kommt in der Klinik der kleine Davis zur Welt, dessen Eltern Brittany und Turk zur White Power Bewegung gehören. Turk untersagt Ruth ihren Sohn auf irgendeine Art und Weise zu behandeln, was sogar mit einem Post it Zettel in Davis' Akte vermerkt wird. Als Davis nach einem Routineeingriff auf der Säuglingsstation überwacht werden soll, ist ausgerechnet Ruth diejenige, die mit ihm allein gelassen wird. Doch der Routineeingriff ergibt Komplikatonen und Davis verstirbt. Ruth wird beschuldigt, das Baby getötet zu haben und es kommt zu einer Gerichtsverhandlung. Dabei wird sehr schnell klar, dass auch in unserer heutigen Gesellschaft Rassismus leider noch zu alltäglich ist.
Meine Meinung:
Würde ich nur von der Optik dieses Buches ausgehen, hätte ich so gar nicht mit dem Inhalt gerechnet, doch schon der Klappentext verrät, dass sich Jodi Picoult wieder einem Thema gewidmet hat, vor dem wir nur allzu gerne unsere Augen verschließen.
Mittlerweile habe ich mehrere Bücher der Autorin gelesen, aber dieses hier konnte mich doch gleich von Beginn an fesseln. Jodi Picoults Schreibstil ist sehr einnehmend, auf ihre eigene Weise und unverkennbar, beschreibt sie das Geschehen und lässt den Leser tief in der Geschichte versinken.
Ich fühlte mich, vor allem im ersten Drittel, sehr tief in die Geschichte gezogen, denn ich konnte deutlich spüren, dass sich Picoult mit vielen Thema auseinander gesetzt hat. So beschreibt sie zunächst Ruth Tätigkeit und ich bekam einen guten Einblick auf Ruth Umgang mit den Patienten. Umso mehr ging es mir zu Herzen, als sie von der Behandlung des kleinen Davis abgezogen wird und ich konnte richtig gut nachempfinden, wie sich Ruth dabei gefühlt haben muss. Doch nicht nur mit diesem Moment zeigte Picoult mir, dass es immer noch eine Menge Vorurteile gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe gibt. Sei es in der Unterhaltung mit Ruth's Vorgesetzter Marie, die mit einem kleinen Kommentar, den sie unbedarft von sich gibt, ihre Vorurteile Preis gibt oder mit weiteren Szenen, die die Autorin immer wieder mit einbaut. All das ließ mich hier während des Lesens mit gemischten Gefühlen zurück. Ich war mit Ruth gemeinsam wütend, konnte teilweise nur den Kopf schütteln und vor allem spürte ich ganz viel Verbundenheit mit Ruth, denn immer wieder kreiste die Frage durch meinen Kopf: wie würdest du dich in dieser Situation fühlen?
Inhaltlich habe ich anhand des Nachwortes herausgefunden, dass Picoult sich zu Recherchezwecken auch mit ehemaligen Mitgliedern der White Power Bewegung unterhalten hat. Dadurch konnte sie dem Leser sehr glaubhaft den Part von Davis Vater Turk darstellen. Inwieweit diese Szene heute in den USA agiert, kann ich nicht nachvollziehen, doch das, was die Autorin beschreibt, hat mir zeitweise eine Gänsehaut bereitet.
Die gesamte Geschichte wird in der Ich-Perspektive erzählt, doch Jodie Picoult wechselt hier die Perspektiven zwischen Ruth, der beschuldigten Krankenschwester, Turk, dem Kindsvater und Kennedy, der Anwältin. Alle drei sind auf den ersten Blick doch recht stereotyisch, doch genau dies regt auch immer wieder dazu an, innezuhalten und nachzudenken. Dadurch, dass Jodi Picoult die selben Szenen dann durch unterschiedliche Personen wiedergibt, erfährt man auch, wie ein und das selbe Ereignis von verschiedenen Charakteren auf unterschiedliche Weise wahrgenommen wird.
Spannend wird es dann vor allem im letzten Teil, als Jodi Picoult die Gerichtsverhandlung mit in die Geschichte einbaut. Hier habe ich die Seiten nur so verschlungen und konnte doch nicht schnell genug lesen.
Durch die Charaktere und deren Verhalten war ich sehr schnell von einer Person eingenommen. Genau das denke ich, war hier auch so gewollt. So habe ich mit Ruth gehofft, gezittert und gebangt und letzten Endes auch gekämpft. Turks Verhalten war hier recht typisch beschrieben, auch sein Denken und wie er sich für manche Handlung rechtfertigt, fand ich ein wenig zu vorhersehbar. Die wohl größte Entwicklung lag hier bei der Anwältin Kennedy, die hier wohl auch den "typischen" Weißen verkörpert, der sich für wenig voreingenommen hält und dem so nach und nach doch die Augen geöffnet werden.
Mein Fazit:
Alles in allem konnte mich Jodi Picoult trotz oder gerade wegen ihrer gewählten Charaktere an die Seiten fesseln, denn auch wenn mich keiner von ihnen großartig mit seinem Verhalten überraschen konnte, war ich doch hier mitten in der Geschichte und konnte mitfühlen, miterleben und nachempfinden. Durch den flüssigen und fesselnden Schreibstil verflogen die Seiten nur so beim Lesen und ich habe das Buch an nur einem Tag, trotz seiner über 570 Seiten, beendet. Mich konnte die Autorin mit ihrer Geschichte sehr bewegen und abholen und deshalb sag ich nur: Leseempfehlung!