Profilbild von Kapitel94

Kapitel94

Lesejury Profi
offline

Kapitel94 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Kapitel94 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.02.2019

Wenn Jack the Ripper auf Sherlock Holmes trifft...

Abtrünniges Blut
0

Ich habe bisher noch nicht viele Thriller gelesen, denn die wenigen, die ich kenne, haben mich einfach nicht gefesselt. Als ich dann aber von Abtrünniges Blut von Jakob Bedford hörte, musste ich dem Buch ...

Ich habe bisher noch nicht viele Thriller gelesen, denn die wenigen, die ich kenne, haben mich einfach nicht gefesselt. Als ich dann aber von Abtrünniges Blut von Jakob Bedford hörte, musste ich dem Buch eine Chance geben. Es wurde mit dem Slogan „Wenn Jack the Ripper auf Jane Austen trifft“ angepriesen und wer mich kennt, weiß, dass ich ein großer Austen-Fan bin und mir diesen Roman somit nicht entgehen lassen konnte. Ich gab dem Genre „Thriller“ also eine zweite Chance, begab mich in das 18. Jahrhundert – dreißig Jahre bevor Jane Austen überhaupt geboren wurde – und ließ mich überraschen…

Schon im ersten Kapitel erfährt man von einem Serienmörder, der in London sein Unwesen treibt. Vor allem Prostituierte und ihre Freier hat er auf dem Gewissen und lässt diese meist übel zugerichtet auf den Straßen zurück. Nun könnte man meinen, dass sich die Stadt deswegen in Aufruhr befindet, doch das stimmt nicht ganz. Natürlich sind die Bewohner Londons leicht beunruhigt, doch die Regierung sieht noch keinen Grund darin, sich der Sache anzunehmen, schließlich gibt es wichtigere Probleme: Der neue Friedensrichter Henry Fielding befürchtet, dass Anhänger der Jakobiter den König stürzen könnten, um wieder an die Macht zu kommen. Zu diesem Zweck beauftragt er John Shinfield, mögliche Verbündete der Jakobiter ausfindig zu machen und nähere Informationen zu sammeln. An dieser Stelle musste ich ein paar Geschichtsstunden aus der Schule nachholen, da mir die Jakobiter und Hannoveraner zwar nicht völlig fremd waren, ich den Zusammenhang ihrer Machtkämpfe allerdings nicht mehr auf dem Schirm hatte. Von 1603 bis 1714 regierte das Haus Stuart über England. Schon im Jahr 1688 wurde Jakob II., der zum Katholizismus konvertierte, gestürzt und in diesem Kampf gelang seinem Erben Charles die Flucht nach Frankreich. 1714 wurde die Stuart-Herrschaft dann vom Haus Hannover abgelöst, doch Jakobs Nachfahre baute sich in Frankreich eine Gefolgschaft auf und plante, die Herrschaft als rechtmäßiger Thronfolger wieder an sich zu reißen.

Während John sich also einen Weg durch die Häuser vermeintlicher Jakobiter bahnt, wird er schon bald selbst zur Zielscheibe. Er findet heraus, dass mehr als nur eine Person sein Leben auf dem Gewissen hat und als dann noch die Leiche eines wohlhabenden Mannes am Ufer der Themse auftaucht, wendet sich das Blatt komplett. Der Serienmörder scheint sich in die reichen Herrenhäuser Londons geschlichen zu haben und versetzt die Bewohner in Todesangst. Gemeinsam mit seinem Freund Paul de l’Estagnol lässt John allerdings nicht locker. Wer möchte ihn gern tot sehen und was hat all dies mit den Jakobitern zu tun?

In Abtrünniges Blut fand ich es besonders aufregend, dass sich einige Kapitel nur um den Serienmörder drehen – man verfolgt ihn bei seinen Handlungen, ist Zeuge einiger Gespräche, die er mit seinen Komplizen führt – doch man erfährt nie, um wen es sich handelt. Zwischen den Zeilen bekommt man als Leser hier und da kleine Informationen an den Kopf geworfen, mit denen man schon bald selbst versucht herauszufinden, wer der Mörder sein könnte. Immer wieder habe ich die unterschiedlichsten Charaktere verdächtigt, war mir sicher, den Täter entlarvt zu haben, und musste stets feststellen, dass ich mich auf der falschen Fährte befand.
Des Weiteren gefiel mir die Darstellung der einzelnen Charaktere ungemein. Von einem bunten Kanarienvogel, der vor Lebensfreude trotzt über einen gesellschaftlich zurückgezogenen Sohn des Earls bis hin zu verschrobenen und eingebildeten Engländern ist hier alles vertreten. „Wenn Jack the Ripper auf Jane Austen trifft“ oder vielleicht eher „Wenn Jack the Ripper auf Sherlock Holmes trifft“, denn nicht nur die Hauptpersonen müssen Spuren verfolgen und Geheimnisse aufdecken, auch als Leser rätselt man fieberhaft mit. Abtrünniges Blut hat mich schockiert, frustriert, gefesselt, an der Nase herumgeführt und letztendlich völlig aus der Bahn geworfen. Genau das erwarte ich von einem Thriller.

Veröffentlicht am 05.02.2019

Ein Buch voller Freundschaft

Arthur und seine Freunde
0

Arthurs Geschichte geht in die zweite Runde. Nachdem Mikael Lindnords Buch über den ecuadorianischen Streuner die Bestsellerlisten in mehreren Ländern stürmte, fragten sich viele, wie es Arthur mittlerweile ...

Arthurs Geschichte geht in die zweite Runde. Nachdem Mikael Lindnords Buch über den ecuadorianischen Streuner die Bestsellerlisten in mehreren Ländern stürmte, fragten sich viele, wie es Arthur mittlerweile geht. Hat er sich an sein neues Leben in Schweden gewöhnt? Mag er die Kälte? Und was hat er seit seiner Rettung alles erlebt? Kurzentschlossen schrieb Mikael Lindnord ein zweites Buch, in dem er Einblicke in sein Familienleben gibt und gleichzeitig auch Geschichten anderer Hundeeltern teilt, die ihren Liebling aus einer Tierschutzorganisation adoptiert haben. Wer dachte, dass Arthur schon emotional geschrieben war – Arthur und seine Freunde schafft es, dies zu übertreffen.

Nachdem ich Arthur – Der Hund, der den Dschungel durchquerte, um ein Zuhause zu finden beendet hatte, ging es mir wie so vielen anderen auch: Ich musste wissen wie es mit Familie Lindnord weitergeht. Ich habe nach ein paar Interviews, die im ersten Teil angesprochen werden, gesucht und folge nun auch Mikael Lindnord bei Instagram, doch die Bilder stellten mich nicht zufrieden. Es war vor allem Mikaels gefühlvolle und liebenswürdige Art, mit der er Arthur geschrieben hatte, die mich völlig in seinen Bann zog und somit wusste ich, dass Arthur und seine Freunde unumgänglich war.
Voller Wissensdrang stürzte ich mich auf Arthur‘s Nachfolger und wurde nicht enttäuscht. Schon nach den ersten Seiten hatte ich das Gefühl, Mikael und seine Frau Helena heißen mich in ihrem Zuhause willkommen. Als Leser erhält man viele persönliche Eindrücke – Wie verliefen Arthurs erste Tage in Schweden? Wie kam er mit den Interviews klar? Schafft er es, von Mikael getrennt zu sein, wenn dieser bei neuen Wettkämpfen an den Start gehen muss? Und was hat es mit der Krankheit auf sich, von der schon im Klappentext die Rede ist? Wie schon im ersten Buch war ich Teil von Arthurs Geschichte. Ich konnte völlig in seine Welt abtauchen, habe Mikael und seinen besten Freund auf ihren Unternehmungen begleitet, stand ihnen in schwierigen Situationen zur Seite und habe mit ihnen gelacht und geweint.

Doch damit nicht genug: In Arthur und seine Freunde habe ich noch viel mehr Bekanntschaften geschlossen. Nach jedem Kapitel über Arthur folgen ein paar Steckbriefe zu anderen Streunern und Tierschutzhunden, die in ein liebevolles Zuhause aufgenommen wurden. Ihre Geschichten ähneln sich mit Arthurs – zwar haben sie niemanden im Dschungel auf Schritt und Tritt begleitet, doch die Aufnahme in eine neue Familie gestaltete sich bei ihnen genauso abenteuerreich. Jedes Hundeelternpaar schreibt mit so viel Hingabe und Liebe über ihre Schützlinge, dass nie ein Auge bei mir trocken blieb. Arthur und seine Freunde ist nicht nur ein leiser Aufruf, einen Hund aus dem Tierheim bei sich aufzunehmen, es versprüht außerdem Optimismus, Zuneigung, ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Freundschaft. Ganz viel Freundschaft. Ich danke Mikael für seine Heldentat, ohne die wir Arthur niemals kennengelernt hätten und ich danke dem Streuner für seine Gelassenheit, seine Ruhe und für sein großes Herz, das mich durch ein paar Seiten stark berührt hat.

Veröffentlicht am 27.01.2019

Wie ein Segeltörn alles veränderte

Wendemanöver
0

Als ihr ältester Sohn mit dreizehn Jahren verkündet, dass er von nun an bei seinem Vater in Frankfurt am Main wohnen möchte, fühlt sich Franziska Krafft etwas auf den Schlips getreten. Aber sie sagt zu. ...

Als ihr ältester Sohn mit dreizehn Jahren verkündet, dass er von nun an bei seinem Vater in Frankfurt am Main wohnen möchte, fühlt sich Franziska Krafft etwas auf den Schlips getreten. Aber sie sagt zu. Warum auch nicht? Ein österreichisches Bergdorf ist für einen Teenager einfach viel zu langweilig. Nachdem ihr Sohn ausgezogen ist, kämpft Franziska darum, regelmäßig Kontakt zu ihm zu haben, doch weder Jonas noch sein Vater melden sich bei ihr. E-Mails bleiben unbeantwortet und auch die Telefonate mit Jonas sind selten und kurz. Das einzige Lebenszeichen, dass sie hin und wieder bekommt, ist von den Schulen und dem Jugendamt in Frankfurt: Jonas war schon wieder nicht im Unterricht. Jonas musste die Schule wechseln. Franziskas Sorgen werden immer größer. Ihr Sohn hat ADHS, er braucht bei manchen Dingen viel Aufmerksamkeit, doch sein Vater ist oft auf Geschäftsreise im Ausland – schließlich kommt ja ein Teenager auch ganz gut allein zurecht. Als die besorgte Mutter dann auch noch erfährt, dass ihr Sohn Drogen nimmt und diese verkauft, bricht eine Welt für sie zusammen. Wie konnte das nur passieren?

Nach einem langen und beschwerlichen Rechtsweg, stehen Jonas und Franziska letztendlich vor einer Wahl: Haftstrafe oder Entzug? Da ihr Sohn schon in einigen Kliniken war und Drogen auf irgendeinen Weg hineinschmuggeln konnte, weiß sie, dass sie sich etwas einfallen lassen muss. Ihr mittlerweile sechzehnjähriger Sohn darf nicht ins Gefängnis, denn wegen des ADHS‘ würde er dort niemals zurecht kommen. Und dann kommt ihr die Idee: Wie wäre es, wenn wir einen Segeltörn machen? Nur du, ich und das Meer.
Die Behörden waren anfangs nicht begeistert, gaben letztendlich aber ihre Zustimmung. Zwei Monate lang würden Franziska und Jonas auf einem Segelboot wohnen. Gemeinsam mit Jonas‘ Brüdern und ein paar Freunden würden sie die Küsten von Holland und Dänemark anfahren, Schleusen bewältigen und wieder zueinander finden. Die dreifache Mutter hat keine Ahnung, ob ihr Plan funktioniert, doch sie ist zuversichtlich – irgendwie muss sie es schaffen, ihren Sohn von der schiefen Bahn zu bekommen.

Ich muss ehrlich zugeben, dass mich Franziska Krafft etwas einschüchterte. Sie ist Architektin, Ski-Lehrerin (mit einer Sonderausbildung für Blinde und Rollstuhlfahrer), geht wandern, sie vermietet Ferienwohnungen und ist nebenbei auch noch Hobbyseglerin. In meinen Augen gibt es nichts, was diese Frau nicht schaffen kann und schon zu Beginn von Wendemanöver war ich zuversichtlich, dass auch der gemeinsame „Urlaub“ mit ihrem Sohn gut ausgehen würde. Zwar hat sie noch nie einen Entzug durchgemacht und weiß auch nicht wirklich, wie man am Besten Medikamente absetzt, doch Franziska lebt nach einem Motto, das ich auch gern öfters in meinen Tag integrieren möchte: Wir denken da gar nicht zu lange drüber nach, sondern machen es einfach. Schritt für Schritt holt sie ihren Sohn wieder ins Leben zurück, natürlich gibt es einige Höhen und Tiefen zu überwinden, doch als Leser war ich völlig „on board“.
Mir hat vor allem der Erzählstil von Franziska gefallen, denn ich hatte beim Lesen das Gefühl, als erzählte sie mir die Geschichte persönlich – von Angesicht zu Angesicht. Dadurch blätterte ich mich regelrecht durch das Buch, denn ich konnte nicht schnell genug erfahren, was als Nächstes passiert. Bis zum Schluss bleibt die Spannung erhalten, immer wieder habe ich zwischendurch diese Anspannung gespürt, dass vielleicht doch nicht alles nach Plan läuft – wird Jonas den Kampf gegen die Drogen gewinnen?

Veröffentlicht am 07.01.2018

Liebe als oberstes Gebot

Stolz und Vorurteil
0

Vor meinem Bachelorstudium hatte ich nicht ein Buch von Jane Austen gelesen. Dann, in meinem 5. Semester, belegte ich einen „Jane Austen Reading“ Kurs und habe mich in die britische Schriftstellerin verliebt. ...

Vor meinem Bachelorstudium hatte ich nicht ein Buch von Jane Austen gelesen. Dann, in meinem 5. Semester, belegte ich einen „Jane Austen Reading“ Kurs und habe mich in die britische Schriftstellerin verliebt. So sehr sogar, dass ich mich dazu entschied, meine Bachlorarbeit über eines ihrer bekanntesten Werke zu schreiben: Stolz und Vorurteil.

Elisabeth Bennet hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht ohne Zuneigung zu heiraten. Im 19. Jahrhundert waren arrangierte Ehen Gang und Gebe, doch Lizzy stellt sich, sehr zum Ärgernis ihrer Mutter, quer. Als der wohlhabende Junggeselle Mr Bingley in die Nähe der Bennets zieht, macht es sich Elizabeths Mutter zur Aufgabe, ihre älteste Tochter Jane mit ihm zu verheiraten. Auf dem Willkommensball lernen sich die beiden kennen und es scheint, als wäre es Liebe auf den ersten Blick. Doch wer die Werke von Jane Austen kennt, weiß, dass die wahren Liebesgeschichten Zeit brauchen und die Pärchen erst zum Ende des Romans glücklich werden.
Mr Darcy, einer der engsten Freunde von Mr Bingley, ist ebenfalls auf dem Ball, hat aber keine Absichten eine Frau zu finden. So hat er auch recht schnell Elisabeths Abneigung für sich gewonnen, denn in einem Gespräch mit seinem Freund, welches Lizzy überhört, beschreibt er sie als annehmbar, aber keinesfalls hübsch genug für ihn.

Mr Darcy machte auf mich zuerst einen unglaublich arroganten Eindruck. Er war kein würdevoller Mann, wie man es von jemandem mit einem großen Vermögen erwarten würde. Darcy war verbittert, auf eine eitle Weise zurückhaltend und schroff. Dass ausgerechnet er Teil von der größten Liebesgeschichte aller Zeiten werden würde, war für mich nur schwer vorstellbar. Schon von seinem ersten Auftritt an war ich abgeneigt von ihm und es sollte noch lange dauern, bis er mich von seiner guten Seite überzeugen konnte.

Mr Wickham, ein alter Bekannter von Darcy, trifft kurz darauf auf Elizabeth und die eine Sache, die sie gemeinsam haben, führt zu einer gegenseitigen Anziehung – die Abneigung gegenüber Fitzwilliam Darcy. Lügen werden verbreitet, die Beziehung zwischen Jane und Bingley zerstört und es gibt nur einen, den man beschuldigen kann. Mr Darcys Image verschlechterte sich in meinen Augen zunehmend und dann tat er das Unfassbare: er machte Elizabeth einen Antrag. Weder romantisch, noch mit schönen Worten verpackt, Darcys Antrag ist zwar eine Offenbarung seiner für den Leser recht plötzlichen Gefühle, jedoch stellt er sich selbst über Elizabeth und beleidigt somit ihre Familie. Wenn man mich fragt, ist dies nicht unbedingt der richtige Weg um ein Herz für sich zu gewinnen.

Mr Darcy sieht seine Fehler jedoch ein und ganz zu meinem Erstaunen erlebt man einen Sinneswandel in dem vorher noch arroganten und eitlem „Gentleman“. Elizabeth erhält einen Brief, ihre Schwester erlebt das Liebesglück, dass sie verdient und Lydia, die jüngere Schwester von Lizzy, muss nicht mehr Durchbrennen um ihren Wickham zu heiraten. Dass sich alle diese Taten später auf Darcy zurückweisen lassen, war für mich eine Überraschung. Er hat sich Elizabeths kritischen Worte angenommen und sich zum Besseren gewandelt. Seine zweite Liebeserklärung war selbstloser und mit Worten gefüllt, die jedes Frauenherz höher schlagen lassen. Mich konnte er absolut von sich überzeugen. Hätte Elizabeth nicht ja gesagt, dann hätte ich es getan.

Anfangs fand ich den Schreibstil von Jane Austen etwas gewöhnungsbedürftig. Die Literatur aus dem 19. Jahrhundert unterscheidet sich doch sehr von der heutigen, doch wenn ich mich einmal reingelesen hatte, konnte ich das Buch so schnell nicht mehr zur Seite legen. Die Liebesgeschichten sind dramatisch, aufregend und voller Herz. Den Höhepunkt konnte Jane Austen bis zum Ende hinauszögern, ohne, dass es langweilig wurde. Wer ein Fan der britischen Literatur ist, sollte dieses Buch auf jeden Fall zu seinem Bücherregal hinzufügen.

Veröffentlicht am 06.01.2018

Liebe mit Hindernissen

Zwei auf Umwegen
0

Das Wichtigste vorweg: Ich habe dieses Buch geliebt. Noch nie konnte ich mich mehr mit der Hauptperson identifizieren. Lauren neigt dazu, sich in die verschiedensten Dinge zu sehr hineinzuversetzen. Sie ...

Das Wichtigste vorweg: Ich habe dieses Buch geliebt. Noch nie konnte ich mich mehr mit der Hauptperson identifizieren. Lauren neigt dazu, sich in die verschiedensten Dinge zu sehr hineinzuversetzen. Sie philosophiert stundenlang über mögliche Probleme, die eintreten könnten und Ryan ist in ihren Augen der beste Mann auf der Welt.

Lauren lernt ihren Mann auf dem College kennen und es war Liebe auf den ersten Blick. Von Ryans selbstbewusster, offener und meist lustigen Art ist die etwas zurückhaltende Lauren sofort angetan. Und auch er scheint sie nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen. Von Anfang an sind sie wie für einander gemacht; ihre Liebe trotzt allen Widrigkeiten. Sie heiraten, kaufen ein Haus, haben einen Hund und führen ein Leben, von dem sie immer geträumt hatten.

Doch die Jahre vergehen und wo einst Liebe war, tritt jetzt Gleichgültigkeit und Abneigung auf. Mit jedem vergangenen Tag können sich Lauren und Ryan immer weniger aushalten. Sie streiten darüber wo sie essen gehen sollten oder wo sie das Auto geparkt haben. Jede noch so belanglose Kleinigkeit scheint sich bei den beiden zu einem Trennungsgrund zu entwickeln und tatsächlich: eines Tages nennt Lauren das Problem beim Namen.

Die Erkenntnis scheint für beide ein Schock zu sein, dennoch entscheiden sie sich dazu sich zu trennen – jedoch nur auf bestimmte Zeit. Ein Jahr sollen Lauren und Ryan nichts von einander hören; sie sollen ihre Leben ganz normal führen und schauen, ob sie wieder zu einander finden. Für mich klang das sehr riskant. In einem Jahr kann viel passieren, man gewöhnt sich an die Abwesenheit des anderen und kommt vielleicht irgendwann zu dem Entschluss, dass eine Trennung das beste war. Lauren und Ryan haben sich nicht die Gelegenheit gegeben an ihrer Beziehung zu arbeiten und die Entscheidung elf Jahre aus dem Fenster zu werfen erschien mir nicht gerechtfertigt.

Ich würde nicht sagen, dass sich Lauren in ihr neues Leben stürzt. Ihre Gedanken kreisen nach wie vor um Ryan und regelmäßig steht sie kurz davor, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen. So sehr sie sich auch gestritten haben und meinten, nicht mehr miteinander auszukommen – nicht mehr ein Teil von Ryans Leben zu sein ist für Lauren unvorstellbar. Und das wusste sie schon am ersten Tag nachdem ihr Mann ausgezogen war.

Zwei auf Umwegen erzählt von der Liebe in ihren unterschiedlichsten Formen: vom Abschied und vom Neuanfang, vom ersten Verliebtsein und vom Wiederaufblühen der Leidenschaft. Man lernt, dass es keine genauen Spielregeln in einer Beziehung gibt. Man kann sich nicht einfach nach einem Handbuch richten und das machen, was andere für richtig halten. Man muss das tun, was man selber für richtig hält. Jede Liebesgeschichte ist anders, aber jede ist auf ihre eigene Art unersetzlich. Taylor Jenkins Reid hat mir wahrscheinlich die besten Ratschläge gegeben, die ich bisher bekommen habe und ich muss meinen Standpunkt von oben revidieren: Manchmal muss man vielleicht ein wenig Abstand von der Person, die man liebt, gewinnen um wieder zu erkennen, wie wertvoll sie ist. Denn nur weil man ohne eine Person leben kann, heißt das nicht, dass man das auch will.

Nach dem ich Seite für Seite gelesen habe, fühlten sich Lauren und Ryan immer mehr wie gute Freunde für mich an. Ich konnte mich wahnsinnig gut in die Charaktere hineinversetzen und habe sofort eine gewisse Sympathie gegenüber beiden gespürt. Zwei auf Umwegen handelt eigentlich von einer Trennung, aber für mich ist es eine Liebesgeschichte durch und durch – wenn nicht sogar eine meiner liebsten. Ich war noch nie trauriger, ein Buch beendet zu haben.