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Veröffentlicht am 06.01.2018

Abgründe des Bösen

Dunbar und seine Töchter
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Eines vorweg - das "Original" - Shakespeares König Lear habe ich nie gelesen. "Dunbar und seine Töchter" ist eine moderne Neuinterpretation. Henry Dunbar ist ein alternder Medienzar, ihm gehört ein großer ...

Eines vorweg - das "Original" - Shakespeares König Lear habe ich nie gelesen. "Dunbar und seine Töchter" ist eine moderne Neuinterpretation. Henry Dunbar ist ein alternder Medienzar, ihm gehört ein großer Konzern, er ist Milliadär. Zwei seiner Töchter haben ihn in ein abgelegenes Altersheim abgeschoben mittels Pharmaka ruhig gestellt und versuchen nun auch die Firmenleitung an sich zu reißen. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass ihr Vater und ihre jüngere Halbschwester ihre Pläne durchkreuzen wollen. Denn Dunbar flieht aus dem Heim - die Suche der unterschiedlichen Schwestern nach ihm aus den unterschiedlichsten Gründen gerät zu einem Wettlauf mit Dunbars Leben.
Der Roman führt psychologisch die ganze Bandbreite an Abgründen auf. Der alternde Egomane Dunbar, der sich am Ende seines Lebens wandelt, die Boshaftigkeit der älteren Schwestern, deren Grausaumkeiten keine (Schmerz-)Grenzen kennen, die "gute", jüngere Schwester, die den Vater nicht des Geldes wegen sucht, sondern der Familienbande wegen.

Der Roman wurde gut geschrieben, die Sichtweisen wechseln, die Gefühle und Gedanken, die Abgründe des (modernen) Menschen werden detailliert ausgeführt. Macht und Mammon, Gier und Ehrgeiz, gepaart mit einer unterirdischen Hemmschwelle erschrecken. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der "bösen" Seite, die "gute" Seite wird Nebenschauplatz.
St. Aubyn weiß sich auszudrücken, die Situationen zu beschreiben, bildhaft, die krankhaften Züge seiner Protagonisten ausleben zu lassen, und dennoch ab und an mal auch Humor durchblitzen zu lassen.
Im Laufe des Romanes flacht die Spannung ziemlich ab und manche der Ausführungen waren mir etwas zu ausgebreitet oder auch zu blaß, so dass ich lange schwankte, ob ich drei oder vier Sterne vergeben kann, dennoch, am Ende hat mich das Drama wieder gefangen genommen, so dass ich die 3,5 Sterne, die ich gerne verteilt hätte, gerne aufrunde. Denn eines ist sicher, das Erschrecken über die Abgründe hallt noch lange nach.

Fazit:
Moderne Neuinterpretation von Shakespeares König Lear. Interessant, psychologisch, durchdacht, detailliert,abgründig - aber gerade dadurch auch anstrengend zu lesen.

Veröffentlicht am 08.12.2017

Kann man die Uhr zurückdrehen ?

Unsere Tage am Ende des Sees
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Hannas Mann ist bei einem Verkehsunfall vor einigen Monaten ums Leben gekommen, die einzige Tochter ist als Austauschschülerin in die USA geflogen. Sie ist immer noch tief in ihrer Trauerphase, als sie ...

Hannas Mann ist bei einem Verkehsunfall vor einigen Monaten ums Leben gekommen, die einzige Tochter ist als Austauschschülerin in die USA geflogen. Sie ist immer noch tief in ihrer Trauerphase, als sie das erste Mal nach 25 Jahren wieder was von ihrer Mutter Gaby hört. Ein Telefonanruf der alles verändert, der wieder einen Kontakt herstellt, eine Aussprache, aber auch die Vergangenheit wieder zurückholt. An die Zeiten, die Hanna einerseits als die schlimmsten ihres Lebens betrachtet, in der sie sich aber auch das erste Mal verliebt hatte. In Alex. Was wäre gewesen, wenn damals alles anders gewesen wäre ? Hat sie damals alles richtig gemacht ? Gab es einen anderen Ausweg, als den, den sie gewählt hat ?

Von Linda Winterberg habe ich schon "Das Haus der verlorenen Kinder" gelesen, dass während des 2. Weltkriegs und in der Jetzt-Zeit spielt, gelesen. Eine Geschichte, die mich beim Lesen sehr bewegt hatte. Auch diesmal wählt die Autorin zwei Zeitschienen, Gegenwart und Vergangenheit. Abwechselnd erleben wir Hanna heute und als 16jährige im Jahr 1990. Anfangs habe ich diesmal etwas gebraucht um richtig in die Geschichte hinein zu finden, vielleicht lag es an den vielen Informationen und Begebenheiten, die nötig waren um das Szenario in beiden Zeiten aufzubauen. Erst hinterher, als die Geschichte in "ruhigeres" und emotionaleres Fahrwasser kommt, war ich mitgerissener. Die Geschichte dreht sich um eine verlorene Liebe, aber auch um eine verlorene Kindheit. Um einerseits die Aufarbeitung all dessen und um einen Neuanfang. Um Gefühle und Bindungen, um Träume und Alpträume.

Durch die wechslenden Erzählstränge kommt auch etwas Spannung auf, denn was damals passierte, warum und wieso der Kontakt abbrach ahnt man zwar, aber immer bleibt lange im Ungewissen darüber, was sich genau damals abgespielt hat. Und während die Handlung in der Vergangenheit immer weiter eskaliert, werden die Emotionen in der Gegenwart immer mehr gesteigert, bis....ja, hier will ich nicht zuviel verraten, lasst euch einfach auf viel Gefühl ein.

Eine Geschichte, die einen nachdenklich macht und berührt und die nicht überreizt wurde mit Aktionen, sondern gerade durch diese ruhige Erzählweise mitten ins Herz trifft.

Veröffentlicht am 07.10.2017

Eintauchen in eine vergangene Zeit

Das blaue Medaillon
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1676. Alessa lebt bei ihrem Großvater in Venedig. Von ihm hat sie gelernt an Wänden hoch zu klettern und über Dächer zu laufen - im Geheimen, im Dunkeln....eine Meisterdiebin zu sein. Doch als ihre Tante ...

1676. Alessa lebt bei ihrem Großvater in Venedig. Von ihm hat sie gelernt an Wänden hoch zu klettern und über Dächer zu laufen - im Geheimen, im Dunkeln....eine Meisterdiebin zu sein. Doch als ihre Tante Zenobia stirbt und ihr ein blaues Medaillon hinterlässt, taucht ein gefährlicher Gegenspieler auf, der weiß, dass mit dem Medaillon gefährliche Geheimnisse ans Tageslicht gelangen können. Es ist Mezzanotte, ein gefährlicher Gegner, der skrupellos jeden meuchelt. Auch Alessas Großvater fällt ihm zum Opfer, Alessa selbst kann mit Müh und Not fliehen. Sie schließt sich einer Schauspieltruppe an, die zufällig nach Celle aufbricht. Am dortigen Hof von Georg Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Lüneburg lebt passenderweise auch ihr Cousin, ein illegitimer Sohn des Herzogs mit Zenobia.

Martha Sophia Marcus kann gut erzählen. Bei ihr ist man beim Lesen mitten im Geschehen, man kann sich alles sehr bildhaft vorstellen. Am Ende des Romanes (hier fehlt ein Hinweis vorne) gibt es ein Glossar und eine Übersetzungsliste für die eingestreuten italienischen Ausdrücke.
Besonders gut gefallen hat mir, dass sie historische Personen mit in diese Geschichte hinein gearbeitet hat und man dadurch viele von der Autorin recherchierte Einzelheiten in einer guten Geschichte verpackt präsentiert bekommt.
Auch das Leben einer Schauspieltruppe, ihr Alltag, ihr Üben, ihr Agieren untereinander wird m.E. sehr realistisch dargestellt.
Der Spannungsbogen bei dieser Geschichte ist am Anfang sehr hoch, auch gegen Ende passiert noch so einiges - auch überraschendes. Doch manche Ausschmückung fällt zu Lasten der Spannung - daher bleibt der Spannungsbogen nicht konstant hoch.
Da es sich hier um einen historischen Roman und nicht um einen Krimi oder Thriller handelt, stelle ich dies aber nicht in den Vordergrund. Muss es auch nicht.
Wie in den meisten historischen Büchern, gehört zu einem guten Roman auch ein gehöriger Schuß Liebe und Romantik, auch hier knistert es, auch wenn es nicht im Vordergrund steht. Und das bekommt dem Roman auch gut - denn mir haben vor allem die Spannungselemente und die historischen Fakten interessiert, das so toll beschriebene Leben am Hof und der Schauspielkunst in der damaligen Zeit. Die vielen eingestreuten "Bonbons" der Unterrichtung der damaligen Lebensweise. Das Los als Dienerschaft, der Intrigen am Hof, die Licht und Schattenseiten, aber auch Kleinigkeiten, wie das Aufkommen von "Chocolate" oder "Marzapane". Die romantischen Szenen waren mir manchmal etwas zu "aufgedrückt", kamen nicht ganz so natürlich rüber, wie die vielen anderen sehr gut beschriebenen Szenen.

Fazit:
Ein historischer Roman, der sehr gut unterhält und dabei auch informiert. Mit Spannungs- und Überraschungsmomenten, einem Schuß Liebe und Humor.

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Veröffentlicht am 03.10.2017

Suche nach Leben

Niemand verschwindet einfach so
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Elyria kommt aus einem schwierigen Elternhaus, Eltern getrennt, Mutter alkoholabhängig. Als die Stiefschwester, mit der sie sich zeitlebens nie richtig verstand, Selbstmord begeht, gerät ihre Welt aus ...

Elyria kommt aus einem schwierigen Elternhaus, Eltern getrennt, Mutter alkoholabhängig. Als die Stiefschwester, mit der sie sich zeitlebens nie richtig verstand, Selbstmord begeht, gerät ihre Welt aus den Fugen. Schon die Heirat mit demProfessor ihrer Stiefschwester ist wie eine Flucht nach vorne, denn auch dieser hat s eine schwierige Vergangenheit und Elyria hofft auf eine Begründung für Rubys Tod. Doch Iigendwann erreicht Elyria den Punkt, an dem sie für sich nur noch den Ausstieg als Ausweg sieht - sie will einfach verschwinden. Sie kauft sich ein One-Way-Ticket nach Neuseeland . Doch kann man einfach so verschwinden ?

Es ist ein Roman, der aus Sicht von Elyria geschrieben wurde. Es geht weniger um Handlung oder Spannung, sondern um Elyrias Gefühle und Empfindungen, ihre Gegenwart und ihre Vergangenheit. Sie ist an einem Punkt angelangt, an dem sie selber nicht mehr weiter weiß, die Welt, das Leben, sich selbst nicht mehr mag und versteht. Sie hat tausend Fragen, keine Antworten. Ihr innerer Monolog findet manchmal selber keinen Punkt, ellenlange, verschachtetelte Sätze, in denen die Protagonistin ihre Empfindungen bis ins kleinest auftröselt, immer weiter ausholt, immer engere Kreise zieht - spiegelt das wider.
Darauf muss man sich als Leser einlassen können. Diese Sätze unterstreichen aber auch sehr gut den Zustand der Protagonistin, die sich viele Sinnfragen stellt, vieles in Frage stellt und versucht Antworten zu finden.
Es ist eine Suche nach dem was Leben bedeutet und ausmacht, was von dem Einzelnen bleibt, ob man einfach so verschwinden kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Fragen, die sich die Protagonistin stellt, die sie umtreibt - nicht nur innerlich, sondern auch auf ihrer ziellosen Wanderschaft. Immer mehr fängt sie an sich aufzulösen - ja, bis.... am Ende bleibt ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Ein Buch, das vielleicht beim Leser nicht lange nachhallt, den Leser etwas enttäuscht, weil es keine Lösung am Ende gibt, vielleicht nur ein kleiner Hoffungsschimmer . Das lies mich etwas ratlos zurück, wenn ich auch zugeben muss, das es eine realistischeres Ende ist, als wenn sich die Protagonistin am Ende eine rapide Kehrtwendung gemacht hätte, was auch nicht gepasst hätte.
Ich empfand beim Lesen sehr gut was Elyria empfunden hat. Ihre Gedanken, ihre Fragen. Das war nicht immer leicht, denn die Depression, in der sich die Protagonistin befindet, verlangt auch vom Leser viel ab. Dennoch sind es Fragen, mit denen sich Protagonistin auseinandersetzt, die die meisten Menschen im Laufe des Lebens auch sich selbst stellen. Nach dem Sinn des Lebens, den Spuren eines selbst, die bleiben oder auch nicht.

Fazit:
Keine leichte oder gar seichte Lektüre, eine auf die man sich einlassen muss, bei dem man das Gelesene auch nachspüren muss, bei der es weniger um Handlung als um Gefühle und Sinn-Fragen geht. Von mir eine Empfehlung für alle, die sich damit auseinandersetzen möchten, die dennoch aber bereit sind auf eine vorgesetzte Lösung zu verzichten.

Veröffentlicht am 07.08.2017

Kurzweiliger Roman

Willkommen in der Provence
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Vivianne ist 49 Jahre und hat es sich in ihrem Leben gemütlich gemacht. Ihr Mann Victor, Banker, mit dem sie 25 Jahre verheiratet ist, bringt genügend Geld mit nach Hause, dass Shopping-Touren keine Probleme ...

Vivianne ist 49 Jahre und hat es sich in ihrem Leben gemütlich gemacht. Ihr Mann Victor, Banker, mit dem sie 25 Jahre verheiratet ist, bringt genügend Geld mit nach Hause, dass Shopping-Touren keine Probleme sind, ablästern mit den Freundinnen zur Tagesordnung gehören und nebenbei wird, weil ihre eigene Agentur den Bach herunter gegangen ist, ein paar Stunden in der Woche auch im Cezanne-Museum gearbeitet. Doch alles ändert sich schlagartig, als Victor auf einmal verschwindet, ohne eine Wort zu sagen, dafür aber die Bankkonten leer räumt und auch noch einen Haufen Schulden hinterlässt.
Anfangs kommt Vivianne mit allem nicht klar, sie kann sich den Freundinnen nicht öffnen. Doch als ihr das Wasser bis zum Hals steht, bleibt ihr nichts anderes übrig. Und als die Hemmschwelle bei ihr gefallen ist, erzählt nicht nur sie, sondern auch ihre Freundinnen haben alle das ein oder andere Geheimnis, das sie sich nun endlich anvertrauen.

Vivianne beginnt sich zu wandeln, aus der Luxus-Ehefrau wird eine, die eigene Ideen entwickelt und Ratschläge der Freundinnen annehmen kann. Aus einer eher unsymphatischen Protagonistin, entwickelt sich nach und nach eine, die auch anderen helfen möchte und kann. Nebenbei vermietet sie leerstehende Zimmer und trifft so auf ganz unterschiedliche Gäste. Und sie lernt Felix kennen.....

Der Roman ist flott geschrieben, der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, er ist sehr abwechslungsreich, immer wieder passiert etwas Neues. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, immer wieder darf auch geschmunzelt werden. Anfangs liegt der Schwerpunkt auf der Person Vivianne, wir lernen sie kennen, ihre Eigenarten, ihre Vorlieben, ihre Ecken und Kanten. Schon gleich zu Anfang verschwindet Victor, es geht also gleich am Anfang interessant los. Da der Roman aus der Ich-Persepektive von Vivianne geschrieben wurde, lernt man Vivianne und ihre Gedanken und Gefühle, ihre Zweifel, ihre Veränderungen auch gut kennen.
Im zweiten Teil sind die Aktionen, die Vivianne unternimmt, größer, sie setzt sich auch für ihre Freundinnen ein, manchmal geht es dann Schlag auf Schlag, weil nun viele Personen involviert sind, es wird rasanter in der Geschichte und immer wieder überraschende Entwicklungen.

MIr hat der Erstlingsroman von Brigitte Guggisheim sehr gut gefallen, immer wieder blitzte Humor durch, die Protagonistin hat sich in diesem Roman überzeugend wandeln können, hat erkannt, dass in einer Ehe beide verantwortlich sind, auch sie hat Fehler gemacht, lange weiß man nicht, wie wird sie sich am Ende entscheiden. Der Schluß gibt eine Richtung vor, die anfangs etwas überrascht, weil ich etwas anderes erwartet hatte. Dennoch lässt er der Fantasie auch ihren Raum, weil er zwar eine Richtung anzeigt, aber keinen Blick in die Zukunft wirft.

Ein kurzweiliger, unterhaltsamer Roman mit vielen humorigen Szenen, ein toller Debütauftakt der Autorin.