Politische Meinung gepackt in einen naiven Charakter
EintagskükenWas hab ich mir von "Eintagsküken" erwartet? Jedenfalls nicht das, was ich im Endeffekt dann auch zu lesen bekam. Klar, auf dem Klappentext stand, dass sie hinterfragt, dass sie anders denkt. Aber ich ...
Was hab ich mir von "Eintagsküken" erwartet? Jedenfalls nicht das, was ich im Endeffekt dann auch zu lesen bekam. Klar, auf dem Klappentext stand, dass sie hinterfragt, dass sie anders denkt. Aber ich dachte mir dann, dass sie vielleicht auch wirklich so denken würde... Stand ja schließlich auf dem Klappentext.
Das Einzige, wobei ich wirklich den Eindruck hatte, dass es um ihre Meinung ging, war beim Thema der Eintagsküken.
(Wer nicht weiß, was damit gemeint ist: Männliche Küken, die kaum nach ihrer Geburt in einer Schreddermaschine landen.)
Zweifelsohne ein schwieriges Thema. Es ist auch nicht übel, wenn Jugendromane etwas dergleichen mal aufgreifen. So, dass man überhaupt erstmal daran denkt. Ist ja ein ganz guter Gedanke, die Message in Raptexte zu packen. Letztere verursachen übrigens tatsächlich Gänsehaut, ein unangenehmes Jucken im Nacken.
Problem: Das Drumherum. Selbstverständlich würden Jugendliche vermutlich eher selten zu Romanen greifen, die einzig und allein Missstände, die eine gewisse Person in unserer Gesellschaft anprangern möchte, enthalten. Man muss ja auch zielgruppenorientiert bleiben.
Wackelpunkt an dem Buch ist, dass das Sprachrohr dieser politischen Überzeugung, Fran, den Eindruck erweckt, dass sie selbst eigentlich nicht die Anschauung vertritt.
Anfangs wirkt sie unsicher, scheint die Meinung überhaupt bloß anzudenken, weil Ben davon redet. Der, in den sie heimlich verliebt ist.
Ben ist übrigens selbst nicht unbedingt interessiert an den Eintagsküken. Vielmehr scheint er sich abgrenzen zu wollen durch Ablehnung der Handynutzung etc. Eher erweckt er den Anschein, sich als Held aufspielen zu mögen. Und dazu will er Frans plötzliche Berühmtheit ausnutzen. Durch und durch ein negativer Charakter, mitten in dieser großen Scheinwelt des Rettertums.
Fran steckt dann irgendwann mitten drin, in dieser Umweltschützer-Friedensstifter-Sache. Nachdem sie es anfangs noch für naiv abgetan hat, die Welt in einer Einmannrettungsaktion verbessern zu wollen, scheint sie es ab Mitte des Buchs plötzlich selbst zu denken.
Die Charakterentwicklung gefiel mir gar nicht.
Plötzlich prallt sie dann auf, auf dem Boden der harten Realität. Das geschieht, als eine einzig und allein am Profit interessierte Plattenfirma Fran für sich beanspruchen möchte.
Da gefällt mir ihr Charakter dann wieder ein wenig, ganz am Ende, als sie ihrer neu gewonnenen Stellung zur Gesellschaft dann wenigstens treu bleibt und sich dagegen aussagt. Schließlich hat sie zuvor noch gerade gegen Geldgier argumentiert.
Ben hätte sie im Übrigen direkt dazu überredet, zu unterschreiben. Die Eintagsküken waren ihm urplötzlich gar nicht mehr wichtig.
Wobei auch sie sich kurz von dem Ruhm hatte blenden lassen.
"Ich meine, wer würde das nicht wollen? Popsängerin, Fans, Geld wie Heu... Erfolg, Ruhm, Massen, die Kuscheltiere auf die Bühne werfen..."
~S.208
Was mich aber insbesondere stört: Fran fängt an, die Schule zu schwänzen, in vollkommener Ablehnung unserer Gesellschaft. Das grenzt eher an kindlichen Starrsinn und Entrüstung, da sie selbst so ihre Probleme mit der Schule hat, als dass es sich um tatsächlichen Protest handelt. Argumentieren tut sie allerdings mit Gesellschaftskritik. Sie hielte es in dem bestehenden System nicht mehr aus.
"Ich habe keine Lust auf Diskussionen darüber, warum gerade ich, das jüngste der drei Lehmann-Küken, so aus der Art geschlagen bin. Meine Eltern können sich trösten: Wenigstens meine beiden älteren Schwestern sind gut gelungen, geradezu optimal."
~S. 19
Fernab der Charaktere: Der Schreibstil dahinter gefällt mir ganz gut, leicht und flüssig, aber auch ironisch, zu lesen. Hier stimmt alles wieder mit der Zielgruppe, der Jugend, überein. Ich möchte nochmals die Raptexte loben - wirklich gelungen. Sie gehen da unter die Haut, wo Fran uns niemals erreichen könnte.
Das Fazit
Fran ist ein sehr schwacher Charakter für einen Roman mit politischer Aussage. Die kleinen Revolutionäre der Mittel- und Oberstufe laufen auf Eis - so hört sich der Roman schließlich an. Sie wirken wie missverstandene Teenager, die ihre eigenen Probleme auf die gesamte Welt projizieren.
Dennoch, der Roman hält einen nach Ende noch etwas gefangen.