Die Luft trägt den salzigen Duft des Meeres mit sich, wo man auch geht und steht, hört man das stetige Rauschen der Wellen, Möwen kreischen und man kann die Seele baumeln lassen. Ja, so stelle ich mir eine Kreuzfahrt vor. Ob ich so schnell mal eine machen werde? Nach dieser Lektüre eher unwahrscheinlich, denn dank dem Rezensionsexemplar des Thriller “Woman in cabin 10” ist mir die Lust auf Urlaub auf hoher See erst einmal vergangen. An dieser Stelle möchte ich mich aber noch beim dtv Verlag für das zur Verfügung gestellte Buch bedanken! Und nun legt die Rettungswesten an, denn dieser Beitrag kann nicht nur Spuren von Werbung enthalten, sondern könnte euch auch seekrank machen. Es wird holprig!
Was könnte es Schöneres geben, als das Naturschauspiel der Nordlichter auf einem Luxuskreuzfahrtschiff genießen zu können? Gutes Essen, nette Gesellschaft und eine spektakuläre Aussicht auf die norwegischen Fjorde– das alles bietet sich Lo Blacklock, als sie ihre Chefin auf der Jungfernfahrt eines exklusiven Kreuzfahrtschiffs vertreten soll. Doch was ihr neue Kontakte und Jobchancen verschaffen sollte, entpuppt sich für die Journalistin als Albtraum, denn als Lo glaubt Zeugin eines Verbrechens zu werden, will ihr nicht nur niemand glauben, es scheint auch gar kein Opfer zu geben…
Mit der Protagonistin Lo bin ich leider nicht so richtig warm geworden. Mit ihren psychischen Problemen und einem Hang zum Alkohol, der mich an Suchtverhalten denken ließ, erinnerte sie mich sehr an die Protagonistin Rachel aus Paula Hawkings “Girl on the train“. Dass mir dieses Buch damals so überhaupt nicht gefallen hat, sei hier nur am Rande erwähnt. Immerhin hat Lo auch ihre lichten Momente, kann mich aber leider trotzdem nicht von sich überzeugen. Für meinen Geschmack reagiert sie in vielen Situationen viel zu naiv, vor allem unter Alkoholeinfluss handelt entgegen jeder Logik und am Ende gab es einige Momente, die zwar viel Platz einnehmen, für den Verlauf der Story aber keinerlei Bedeutung haben.
Unter anderem trugen diese Szenen dazu bei, dass der Spannungsbogen der Story oft ins Leere lief. Die Autorin schaffte es zwar immer wieder Spannung aufzubauen und mich leichten Nervenkitzel spüren zu lassen, aber oftmals löste sich diese dann in Wohlgefallen auf, woran auch das unlogische Verhalten oder die überspitzen Reaktionen der Hauptfigur meistens nicht ganz unschuldig waren. Doch auch die Nebencharaktere brachten mich nicht wirklich wieder auf Spur. Sie waren teilweise zu blass oder so klein gehalten, dass sie zur Geschichte kaum etwas beitragen konnten, obwohl ja fast alle von ihnen auch potentielle Täter waren. Hier hätte ich mir vielleicht weniger Personen gewünscht, um ihnen aber auch ein Gesicht geben zu können.
Zwischen den einzelnen Kapiteln gab es immer wieder eingestreute Forenbeiträge mit Spekulationen oder Suchmeldungen bezüglich vermisster Personen, die sich auf die Geschehnisse auf dem Schiff bezogen. Dies fand ich sehr spannend, weil sie den Leser auf eine neue Spur lockten und man so immer wieder neue Erkenntnisse erlangte, die nochmal dazu animierten sich selbst Gedanken über den Täter zu machen. Schade ist nur, dass die Auflösung für mich leider sehr konstruiert und wenig überzeugend wirkte. Vor allem der Geistesblitz, der Lo durchfährt und sie der Lösung nahe bringt, macht in meinen Augen wenig Sinn und ließ bei mir einige offene Fragen zurück.
Der klare Schreibstil der Autorin sorgt allerdings dafür, dass man recht schnell durch das Buch durchkommt und sich auch gut in gewisse Situationen hineinfühlen kann. Vor allem die beklemmende Enge unterhalb des Wasserspiegels und die Angst, Selbstzweifel und Unsicherheit von Lo nach der Tat werden sehr gut beschrieben, sodass man sich– zumindest so lange sie nüchtern ist– recht gut in sie hineinfühlen kann, auch wenn sie deshalb nicht unbedingt mehr Sympathiepunkte gewinnen kann. Zu kurz kam mir dann auch die Wechselwirkung zwischen den Mengen an Alkohol und den Antidepressiva, die Lo zu sich nimmt. Und dafür, dass sie vorher scheinbar keinen Tag ohne Tabletten übersteht, hat sie erstaunlich wenig Entzugserscheinungen, als sie sie gezwungenermaßen absetzen muss, wo wir wieder bei dem Punkt realistisch und unrealistisch wären.
hnlich wie bei starkem Seegang war dieses Buch für mich ein ganz schönes Auf und Ab. Es gab einige Dinge, die mir gefallen haben, wie der Schreibstil der Autorin und ihre Beschreibungen von Umgebung und Stimmung, aber auch ein paar, die die Leselust gedämpft haben. Schlussendlich kann ich sagen, dass mich das Buch für den Moment ganz gut unterhalten hat, aber nicht vollends überzeugen konnte. Damit landet es bei mir bei den Mitteldingern, konnte mich aber ohne Zweifel davon abbringen in den nächsten Jahren eine Kreuzfahrt zu buchen. Als Urlaubslektüre auf hoher See würde ich das Buch also eher nicht empfehlen. Vom Bootssteg aus ist es aber bestimmt erträglich!