Märchenhaft tiefgründig
Nach ihren beiden Autobiographien und dem Roman „Bevor ich falle“ ist „Die Autobiographie der Zeit“ bereits das vierte Werk das ich von Lilly Lindner gelesen habe. Ich liebe ihre Sprache, ihre ganz eigene ...
Nach ihren beiden Autobiographien und dem Roman „Bevor ich falle“ ist „Die Autobiographie der Zeit“ bereits das vierte Werk das ich von Lilly Lindner gelesen habe. Ich liebe ihre Sprache, ihre ganz eigene Art des Erzählens.
Wer Lillys Bücher kennt weiß, dass sie es wie keine andere versteht, bedeutungsschwere Wortbilder zu malen die einem mit ihrer Schönheit verzaubern und gleichzeitig mit ihrer Schwermütigkeit und Melancholie nachdenklich stimmen. Ihre Texte sind voll von fantastischen Metaphern, Bildern und ungewöhnlichen vergleichen, nie sagt sie direkt was sie ausdrücken will sondern verpackt es in ein wunderschönes Wortgewand.
„Die Autobiographie der Zeit“ stellt hier keine Ausnahme da, ganz im Gegenteil ist sie das bisher wohl abstrakteste und experimentellste Buch das Lilly bisher geschrieben hat. Ein poetischer Roman mit wenig Worten und doch genau genug Worten. Die Kapitel sind nie länger als eine Seite, manchmal nur einen Satz lang, begleitet mit zahlreichen, wunderschönen Illustrationen.
Durchlesen kann man das Buch problemlos an einem Abend, jedoch ist es alles andere als eine nebenbei- oder Zwischendurchlektüre.
Anders als bei ihren anderen Büchern schreibt Lilly hier einen Fantasyroman. Die Geschichte von vier Teenagern auf dem Planeten Winter, die sterben müssen um in unserer Welt als die Supermächte „Abgrund“, „Raum“ , „Beständigkeit“ und „Zeit“ ewig zu Leben und zu walten. Erzählt wird die Handlung aus der Sicht der Zeit, die versucht die Menschen und ihr handeln zu verstehen. Sie grübelt darüber wie die Menschen in Beziehung zu sich selbst, zu anderen und vor allem zur Zeit stehen. Je älter sie wird umso melancholischer und verzweifelter wird sie darüber, wie die Menschen ihre Zeit vergeuden.
Unterbrochen wird dieses Erleben und diese Beobachtungen durch die Versuche der vier ihren Verpflichtungen als Supermächte möglichst gut Nachzukommen und den menschen und sich selbst ihre Zeit unter den Menschen die sie so wenig verstehen möglichst angenehm zu gestalten.
Die Beobachtungen der Zeit sind oft geradezu philosophischer Natur die eine tiefe Wahrheit enthalten.
Mich hat das Buch sehr berührt und etwas melancholisch zurückgelassen. Lilly Lindner scheint den Menschen und seine Beweggründe und sein handeln besser zu durchschauen als die meisten Menschen und regt mit diesem Buch zum nachdenken an. Ich werde das Buch sicherlich noch einige Male lesen und immer wieder etwas Neues, Besonderes und Wahres in ihren Worten finden das mir beim vorherigen lesen entgangen ist.
Wer auf der Suche nach einem Unterhaltungsroman ist in den man abtauchen und bei dem man abschalten kann, dem würde ich von diesem Buch stärksten abraten. Auch wer sich ein typisches Fantasybuch erhofft wird enttäuscht sein.
Wer jedoch bereit ist sich darauf einzulassen der wird nach der Lektüre des Romans innerlich sicher reicher sein als zuvor.
Von mir ganz klare 5 Sterne.