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Venatrix

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Veröffentlicht am 24.01.2018

Fesselne Spurensuche

Atlas der erfundenen Orte
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Dieser mit historischem Kartenmaterial reich illustrierte Band listet die geografischen Irrtümer auf. Brooke-Hitching entlarvt sie ebenso unterhaltsam wie informativ als Aberglauben, Hirngespinste und ...

Dieser mit historischem Kartenmaterial reich illustrierte Band listet die geografischen Irrtümer auf. Brooke-Hitching entlarvt sie ebenso unterhaltsam wie informativ als Aberglauben, Hirngespinste und Missverständnisse. Wundern darf sich der geneigte Leser über die Zähigkeit und Standhaftigkeit, mit denen einige dieser Irrtümer auch noch in Zeiten von GoogleMaps Bestand haben. Nicht, dass GoogleMaps fehlerfrei wäre, ….

Zur leichteren Übersicht werden Inseln, Königreiche und/oder biblische Landstriche in alphabethischer Reihenfolge dargestellt von „Anian“ bis „Zeno-Karte“.

Was aber hat nun Entdecker und Kartografen aller Jahrhunderte dazu getrieben, nicht existente Inseln und Gebirge in ihre Karten aufzunehmen? Wann und wo hat der Irrglaube seinen Ausgang gefunden?

• Bei jenen Herrschern, die die Herkunft ihrer Bodenschätze verschleiern wollten? Welcher Herrscher gibt schon gerne preis, wo seine (Edel)Metallvorkommen liegen? Eben. (S. 69/ „Die Kassiteriden“)

• Bei jenen, die es nicht aushielten, wenn auf der Karte weiße Flecken blieben und sie daher mit Fabelwesen ausfüllten? (siehe „Carta Marina“ S. 54)

• Bei jenen Entdeckern und Kartografen, die von anderen abschrieben und es mit der Überprüfung der Daten nicht so genau nahmen?

• Bei jenen, die nicht zugeben wollten, gar nicht dort gewesen zu sein?

• Bei jenen, die sich tatsächlich geirrt und Luftspiegelungen für Inseln oder Berge gehalten haben?

Vermutlich wird bei den meisten von allem etwas dabei gewesen sein.

Sir Gregor McGregor (1786-1745) ist da vielleicht die Ausnahme, weil er bewusst den Leuten im „Fürstentum Poyais“ ein Paradies vorgegaukelt hat, um den potentiellen Siedlern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wie kommt es dazu?

1821 gelten die südamerikanischen Staaten als prestigeträchtige und sichere Geldanlage, bei der Renditen versprochen werden, die in Europa der Nach-Napoleonischen Ära nicht erzielt werden können. So ergibt sich eine Immobilienspekulation, die hunderte verarmte Europäer (vornehmlich Briten) dazu treibt, ihre wenige Habe zu verkaufen und in das „Gelobte Land“ zu reisen. Im „Fürstentum Poyais“ angekommen, entdecken die Auswanderer, welcher Lüge sie aufgesessen sind. Nur 49 von 270 werden wieder nach London zurückkehren, die anderen sterben. Der Hochstapler McGregor versucht seinen Coup nochmals, diesmal in Frankreich und fliegt auf. Er flüchtet nach Venezuela und stirbt - unbehelligt von der Justiz - im Jahr 1845 (S. 190).

Manchmal suchen Forscher und Entdecker vergeblich nach einer, in Seekarten verzeichneten Insel und finden eine andere Landmasse: So passiert 1721 als die Niederländische Westindien-Kompagnie nach „Davies Land“ suchen lässt und die „Osterinsel“ findet. (S. 80)

Nicht nur (See)Karten inspirieren die Menschen, sich auf die Suche nach unbekannten Orten zu begeben. Nein, auch die fixe Idee ein „irdisches Paradies“ (S. 92) zu finden, spornt Gelehrte aller Epochen an, nach diesem zu suchen: Antike Griechen und Römer nach dem „Goldenen Zeitalter“ und die Christen nach dem „Garten Eden“, der in Mesopotamien vermutet wird. Mit dem Erscheinen der mathematisch berechneten Längen- und Breitengrade des ptolemäischen Systems (Grundlage der heutigen Kartografie) werden die bislang gültigen „mappae mundi“ ersetzt. Diese mathematischen Karten machen den, mit allerlei Fantasiegeschöpfen und Glaubensinhalten versehenen Karten, den Garaus. Dafür ist ab der Renaissance wenig Platz, der praktische Inhalt ist wichtiger.

Die Gier nach Gold und anderen (Boden)schätzen, lässt schon früh Wagemutige nach der „goldenen Insel“ suchen. Der Höhepunkt der Eroberungen wird dann im 15. und 26. Jh. in Mittel- und Südamerika nach „El Dorado“ suchen. Kolumbus, Pizzaro, Cortez und Sir Walter Raleigh werden auf der Jagd nach dem Gold nicht nur ihre Schiffe, Männer sondern oft auch ihr eigenes Leben verlieren. Und warum? Weil sie dem Mythos des „Goldenen Mannes“ aufgesessen sind. Einer Tradition der Chibcha-Indianer (heute Kolumbien), die ihren neuen König bei seiner Inthronisation mit feinem Goldstaub bedeckten. (S. 100)

Doch nicht nur die Menschen der frühen Jahrhunderte sind Täuschungen erlegen. Viele sehen das, was sie sehen wollen. Sie sehen Berge oder Inseln, die ihnen von Wolkenbänken vorgegaukelt werden. Sie sehen Ruinen, wo es nur eigenwillige Gesteinsformation gibt.

Ein gutes Beispiel hierfür ist „Verlorene Stadt in der Kalahari“ (S. 142), eine angebliche Entdeckung des amerikanischen Erfinders William Leonard Hunt. Auf der Suche nach Diamanten in der Kalahari durchquert er diese, und behauptet, eine uralte Zivilisation entdeckt zu haben. Um seinen Worten Gewicht beizumessen, reicht er seinen Reisebericht inklusive Karte bei der Royal Geographical Society in London und der Berliner Gesellschaft für Erdkunde ein. Ganz bescheiden überlässt er die Beurteilung seiner Entdeckung anderen. Nachfolgende Expeditionen finden keine versunkene Hochkultur, sondern nur natürliche Basaltformationen vor. Allein bis 1967 zählt man 26 Versuche, die „verlorene Stadt“ zu finden. Doch das ist noch nicht das Ende der Suche. 2010 und 2016 werden Ultraleichtflugzeuge zur Auffindung eingesetzt.

Die berühmten „Kong-Berge“ in Äquatorialafrika werden 1889 von Luis Gustav Binger regelrecht zertrümmert. Binger, Offizier aus Straßburg, ist einer der ersten die vor Ort gewesen sind. Zu seiner Überraschung findet er weit und breit keine Berge, ja nicht einmal die kleinsten Hügel.

Doch wie kommt ein Gebirge, das angeblich 6.000 km parallel zum 10. Breitengrad laufen soll, in die Landkarte(n)? Der Fehler/Irrtum wird dem englischen Geografen James Renell zugeschrieben, der 1795-97, alleine (!) nur mit einem kleinen Taschensextanen und zwei Schrotflinten im Gepäck, durch Afrika reist. Doch auch Renell übernimmt nur Gerüchte anderer Europäer, die im 16. Jahrhundert über diesen angeblichen Gebirgszug berichten. (S. 146)

Selbst in der Gegenwart werden nicht existierende Oste von den Karten gestrichen: „Sandy-Island“ wurde erst 2012 entfernt, da sich dort, wo lt. Koordinaten die Insel sein sollte, sich nichts als Meer befindet, an dieser Stelle 1.300 Meter tief. (S. 206)

Meine Meinung:

Historische Landkarten sind ein faszinierendes Thema. Der Autor ist als Sammler solcher Karten bekannt.
Minutiös listet er die erfundenen Orte auf und erzählt die Entstehungsgeschichte der Irrtümer. Die eine oder andere wird auch als bewusste Fälschung entlarvt.

„Wenn im 16. und 17. Jh. Seekarten veröffentlicht wurden, enthielten sie oft bewusstfalsche Angaben, weil die Regierungen verhindern wollten, dass feindliche Staaten davon profitierten.“ (Julio Zamora, Präsident der Geografischen Gesellschaft Mexikos/S. 41)

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Wer sich mit Kartografie beschäftigt, kommt an diesem Buch nicht vorbei, obwohl es eine ganze Menge Literatur über historische Karten gibt.

Die deutsche Übersetzung aus dem Englischen ist gut gelungen.
Das Buch besticht durch seine hochwertige Ausfertigung. Zu jedem der erfundenen Orte gibt es eine oder mehrere farbige Karten. Durch das Hineinzoomen mittels Kartenausschnitt in die jeweilige Region, lässt sich auch eine kleine Insel gut verorten.

In rotes Leinen gebunden und mit einem bunten Schutzumschlag, der an Pergament gemahnt, ist das Buch ein wertvolles Geschenk nicht nur für Liebhaber historischer Karten.

Fazit:

Selten hat mich ein Buch über alte Karten so gefesselt, wie dieses Buch. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 22.01.2018

Dämonen der Vergangenheit

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée (Friederike Matthée ermittelt 1)
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Im strengen Winter des Jahres 1947 wird in der Eifel der Schwarzmarkthändler Jupp Küppers erschlagen. Einziger Zeuge ist der kleine Peter Asmuss, der mit seiner Mutter als Flüchtling nun hier lebt. Peter ...

Im strengen Winter des Jahres 1947 wird in der Eifel der Schwarzmarkthändler Jupp Küppers erschlagen. Einziger Zeuge ist der kleine Peter Asmuss, der mit seiner Mutter als Flüchtling nun hier lebt. Peter spricht seit seiner Beobachtung kein einziges Wort. Die englische Militärpolizei, in Person von Lieutnant Richard Davies, soll den Fall aufklären. Er fordert eine englisch sprechende, weibliche Polizistin an und bekommt Friederike Matthée, eine junge Frau, die mit ihrer Mutter aus ihrer ostpreußischen Heimat geflohen ist, zugeteilt. Als Tochter eines Gutsbesitzers muss sie nun, als eine der ersten weiblichen Polizistinnen Kölns, sich selbst und ihre kranke Mutter durchbringen.

Die Ermittlungen gestalten sich als schwierig, weil nicht klar ist, wer aller noch dem Nazi-Regime nachtrauert. Friederike schafft es, den kleinen Jungen zum Sprechen zu bringen. Noch bevor die beiden Entscheidendes herausfinden, wird ein Pfarrer ermordet, der mit dem ersten Mordopferbefreundet war.


Meine Meinung:

Beate Sauer zeichnet ein authentisches Abbild der rauen Wirklichkeit im britisch besetzten Nachkriegsdeutschland gelungen. Sowohl die tristen Lebensumstände zwischen den Ruinen als auch die Ressentiments Fremden und Juden gegenüber sind gut getroffen. Wenn die Vermieterin meint, dass Friederike und ihre Mutter ihrer Albträume wegen in die Irrenanstalt gehörten, anstatt „ordentlichen“ Deutschen die Wohnmöglichkeit zu nehmen, hat sich mit dem verlorenen Krieg wenig in den Köpfen der meisten Menschen geändert.
Der Argwohn der Displaced Persons in den Lagern der deutschen Polizei gegenüber ist berechtigt, wie das Ende des Krimis beweist.
Die Autorin hat gewissenhaft recherchiert. Die Person Richard Davies steht für viele Emigranten bzw. deren Söhne, die als „German Legion“ an der Befreiung Deutschlands und Österreichs von den Nazis mitgeholfen haben.
Eindringlich, jedoch ohne Pathos sind die Zweifel und Rachegefühle von Richard dargestellt. Ich habe gleich zu Beginn an so eine Verbindung gedacht – und recht behalten.

Der Schreibstil ist elegant und sehr gewählt. Ich konnte hier die Gutsherrentochter gut heraushören. Dass Friederike unsicher wirkt, hat nicht nur mit der Vertreibung aus Ostpreußen und den schrecklichen Erlebnissen auf der Flucht zu tun. Man gibt ihr immer wieder zu verstehen, dass sie als Ostflüchtig nicht willkommen ist. Das nagt natürlich an der Psyche. Andererseits gewinnt sie das Vertrauen mancher Zeugen und hat eine gute, manchmal auch kritische Auffassungsgabe. Ich denke, Friederike wird es gelingen, auch gegen den Willen ihrer strengen Vorgesetzten ihren Weg machen.

Die historischen Begebenheiten sind behutsam in die Kriminal-Geschichte eingeflochten, die durchaus als politisch angesehen werden darf.

Fazit:

Ein fesselnder Auftakt einer Krimi-Reihe. Ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus und vergebe 5 Sterne.

Veröffentlicht am 11.01.2018

Schicksalshügel

Galgenhügel
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ine Touristenfamilie macht während ihres Campingurlaubs in einem kleinen Dorf nahe der holländischen Grenze eine grausige Entdeckung: Am Schaugalgen des Ortes hängt eine wirkliche Frauenleiche.

Schnell ...

ine Touristenfamilie macht während ihres Campingurlaubs in einem kleinen Dorf nahe der holländischen Grenze eine grausige Entdeckung: Am Schaugalgen des Ortes hängt eine wirkliche Frauenleiche.

Schnell wird klar, dass es sich um die bekannte Schauspielerin Ellen Hartmann handelt, die nach einem Flugzeugabsturz im Wellnesshotel ihrer jüngsten Schwester Anne zur Rehabilitation weilt. Aufgrund ihrer Vorgeschichte scheint ein Freitod plausibel.

Als jedoch KHK Heinrich Tenbrink und sein Kollege Maik Bertram erfahren, dass genau auf diesem Galgenberg in der Silvesternacht vor 16 Jahren Ellens Zwillingsschwester Eva ums Leben gekommen ist, zweifelt zumindest Tenbrink an der Selbstmordtheorie.
Die Staatsanwältin will den Fall, aufgrund des Medieninteresses so schnell wie möglich abschließen und lässt Tenbrink nur ein paar Tage für die Ermittlungen Zeit.

Werden Tenbrink und Bertram das Geheimnis um Ellens Tod lüften können?


Meine Meinung:

Dieser Krimi ist Auftakt einer neuen Reihe, die im Münsterland, unweit der holländischen Grenze angesiedelt ist.
Wir begegnen einem interessanten Ermittler-Duo: Da ist zum einer der verwitwete Heinrich Tenbrink, dessen Gedächtnis ihn immer öfter im Stich lässt und der diese Aussetzer mit seiner langjährigen Erfahrung und einer strukturierten Zettelwirtschaft zu kaschieren sucht. Ihm zur Seite steht Maik Bertram, der ursprünglich aus dem Drogendezernat von Magdeburg kommt und dort einer Venusfalle erlegen ist, die ihn beinahe den Job gekostet hat. Nur mit Mühe und der Hilfe seines damaligen Chefs, musste er den Polizeidienst nicht quittieren, wurde aber nach Nordrhein-Westfalen strafversetzt.

Tenbrink und Bertram sind ein gut eingespieltes Team. Doch die Veränderung bei Tenbrink und das Techtelmechtel mit der Staatsanwältin bringen Bertram an seine Grenzen.

Wie wir es von Tom Finnek gewöhnt sind, ist der Schreibstil spannend und flüssig zu lesen. Da werden falsche Spuren gelegt und wieder verworfen, mehrere Verdächtige präsentiert und ein psychologisch gut aufgebauter Plot hinterlegt.

Die Figuren, allen voran Tenbrink und Bertram, sind authentisch. Jede hat so ihre Ecken, Kanten und Untiefen.
Magda Hartmann, zum Beispiel, traut der Leser ohne weiteres zu, am Mordkomplott gegen ihre ehemalige Schwiegertochter, mitzuarbeiten, zumal ihr Sohn Michael bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist. Doch auch Michaels Bruder, der Dorfpolizist Max, reiht sich in die Reihe der Verdächtige ein. Und überhaupt scheint der Zusammenhang in dem Dorf, wenn es darum geht, Dritten keinen Einblick zu gewähren, ein fester zu sein. Trotzdem gibt es Risse in der Dorfidylle, die allerdings aus der langen gemeinsamen Vergangenheit herrühren: Hier die vermögenden Schulzes (aus denen Ellen. Eva und Anne stammen), dort die armen Bewohner der Kotten wie die Hartmanns. Diese Ressentiments schwingen deutlich mit.

Die vielen Spuren, denen das Ermittler-Duo unter erhöhtem Zeitdruck nachgehen muss, verdichten sich zu einem fulminanten Showdown.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt in eine neue Krimi-Reihe aus dem Münsterland. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung. Der nächste Fall für die beiden Ermittler ist für den Sommer 2018 in Aussicht gestellt.

Veröffentlicht am 08.01.2018

Magna Mater Austriae

Maria Theresia
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Autorin und Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger macht ihren Lesern zum 300. Geburtstag von Maria Theresia ein besonderes Geschenk: Eine knapp 1.000 Seiten starke Biographie, die penibel recherchiert ...

Autorin und Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger macht ihren Lesern zum 300. Geburtstag von Maria Theresia ein besonderes Geschenk: Eine knapp 1.000 Seiten starke Biographie, die penibel recherchiert und umfassend dokumentiert ist. Es bleiben kaum Fragen offen. Die Autorin nimmt sich in 15 Kapiteln der vielschichtigen Persönlichkeit der Herrscherin detailliert an. Das hochwertig gebundene und mit Lesebändchen versehene Buch enthält zahlreiche farbige Abbildungen, eine Landkarte der Habsburgischen Länder zur Zeit Maria Theresiens, eine Ahnentafel sowie viele Anmerkungen, weiterführende Literatur und Quellen. Auch ein Personenregister sowie ein Glossar helfen dem Leser sich in diesem opulenten Werk zurechtzufinden.

Obwohl diese Biografie nicht die einzige ist, kann sie als wohltuend und umfassend bezeichnet werden. Ohne zu werten, wird das historische Umfeld, in das Maria Theresia hineingeboren wird, dargestellt.

Obwohl die anderen Monarchien der als „Pragmatische Sanktion“ bekannten Vereinbarung über eine weibliche Thronfolge nach Karl VI. zustimmen, fallen diese Länder (vor allem Preußen unter Friedrich II.) nach dem Tod Kaiser Karls, wie die Aasgeier über die Habsburgischen Erbländer her. Man glaubt mit der jungen Herrscherin leichtes Spiel zu haben.
Trotz der nicht allzu guten Ausbildung schafft es die junge Regentin, ihre Macht auszuspielen. „Die 23jährige zeigte sich vom ersten Tag ihrer Regierung an als die geborene Herrscherin“. (Prolog S.XX)

Die einzelnen Kapitel umreißen verschiedene Episoden aus dem langen Leben Maria Theresias. In ihrem tief katholischen Religionsverständnis verschreibt sie sich dem Kampf gegen den „protestantischen Irrglauben“. Sie siedelt Bewohner aus „infizierten Gegenden“ weit weg vom Wiener Hof an. Daher gibt es in einigen Ländern der ehemaligen Donaumonarchie auch heute noch protestantische Enklaven (z.B. Siebenbürgen)

Wir erhalten Einblick in das recht komplizierte Hofleben. Gemäß der Auffassung dieser Zeit ist „der fürstliche Körper im Alten Europa ein politischer Gegenstand ersten Ranges“.
In Wien geht man zwar nicht so weit, wie im absolutistischen Frankreich, wo man dem König bei seinem Stuhlgang beobachten konnte. Ein wenig Privatleben behält sich Maria Theresia vor.

Interessant ist jedenfalls ihr Verständnis zu ihren Titeln und Ländereien. So lässt sich zum König (und nicht zur Königin) von Ungarn bzw. Böhmen krönen, weil dort keine weibliche Thronfolge vorgesehen ist.
Sie ist eine unermüdliche Arbeiterin mit einem überaus vollen Stundenplan. Die hohen Ansprüche, die sie an sich selbst stellt, verlangt sie auch von den anderen.
Ihre (Liebes)Heirat mit Franz Stephan von Lothringen stellt in der damaligen Zeit, in der Ehen ausschließlich nach dynastischen Überlegungen geschlossen wurden, eine einsame Ausnahme dar. Ihre Kinder verheiratet sie nach nützlichen und Gewinn bringenden Aspekten, ohne Rücksicht auf deren Gefühle zu nehmen (Kap. IX „Kapital der Dynastie)).

Maria Theresia gilt als große Reformerin. Mit der Einführung der Schulpflicht für alle Kinder macht sie sich nicht überall beliebt, denn die Kinder sind als Arbeitskräfte oft unentbehrlich. Die langen Sommerferien (9 Wochen), die es in Österreich nach wie vor gibt, sind ein Erbe dieser Verordnung.

Die verschiedenen Verwaltungsreformen, die Maria Theresia einführt, bestehen in einigen Grundzügen im österreichischen Staat heute noch: z.B. die Kameralistik und/oder die „Maria Theresianische Kanzleiordnung“. Mit diesen Verwaltungsreformen gelingt es ihr aus dem „heruntergekommenen Riesenreich“ einen modernen Staat zu machen. Zwar bleiben die Reformen hinter jenen Friedrich II. von Preußen zurück, doch dessen Reich ist um einiges kleiner und beheimatet weniger unterschiedliche Völker.
Maria Theresia reformiert das Hofleben. So erhalten die Beamten erstmals eine echte Besoldung und sind nicht auf „persönliche Gunst“ und „Gnadengaben“ nach Gutdünken bzw. auf ihre eigenen Güter angewiesen. (Kap. XIII „Die Unterthanen“)
Auch die später „josephinisch“ genannte Landesaufnahem geht auf ihre Initiative zurück. Die Herrscherin musste einfach wissen, wie viele wehrfähige Männer ihr zur Verfügung stehen. Erstmals werden in der ganzen Monarchie die Häuser erfasst. Jedes Gebäude erhält eine „Konskriptionsnummer“. Ihr Hofmathematiker Johann Jakob Marinoni wird großen Anteil an der Vermessung haben. Wenn Österreich im Jahre 2017 das 200-jährige Bestehen des Katasters feiert, so ist auch dies auf Maria Theresia zurückzuführen.

Nach dem Tod Franz Stephans wird Joseph II. Mitregent, was naturgemäß für ein hohes Konfliktpotential sorgt (Kapitel X).

Ein großes Augenmerk wird auf Maria Theresia als Mutter gelegt. Sie wird ihre Kinder bis zu ihrem Tod 1780 mit guten Ratschlägen und oft harscher Kritik nerven. Sie ist ein echtes Kontrollfreak.

Die zahlreichen Darstellungen Maria Theresiens im Kreise ihrer Familie sind gutgemeinte Illusionen, denn weder ist die Zeit, noch die Herrscherin selbst „gemütlich“.

In ihren letzten Lebensjahren kam Maria Theresia sich selbst vor wie ein Relikt aus einem anderen Jahrhundert. Was ihr keine Freude, sondern Widerwillen bereitete. (Kap. XIV „Der Herbst der Matriarchin“).

Im kurzen Epilog wird das lange Leben und Wirken Maria Theresias an Hand von wichtigen Eckdaten nochmals zusammengefasst.

»Außergewöhnlich war im 18. Jahrhundert weniger, dass eine Frau Herrschaft ausübte, außergewöhnlich war vielmehr, dass ein Monarch, ob Mann oder Frau, das Geschäft des Regierens als persönliche Aufgabe derart ernst nahm.«

Meine Meinung:

Diese Biographie ist ausgezeichnet geschrieben und räumt mit so manchem Mythos oder Unwahrheit auf. Wir können in ein langes, ereignisreiches Leben Einblick nehmen, ohne voyeuristisch zu sein.
Als Österreicherin und Beamtin sind mir die meisten Themen bekannt. Doch auch ich durfte ein paar Neuigkeiten oder Vertiefungen kennen lernen.

Die Autorin hat die komplexen Zusammenhänge anschaulich und umfassend dargestellt, sodass kaum eine Frage offen bleibt. Dabei lässt ihr angenehmer Schreibstil diese gewichtige Biographie gut lesen. Aufgelockert ist das Werk durch eine großartige Auswahl an Zitaten. In dem einen oder anderen habe ich den Eindruck, dass sich Maria Theresia über sich selbst lustig macht.
Einige Themen wie „die Vereinbarkeit des Berufs und der Familie“ und die Rolle der Frau in der Politik sind aktueller denn je.


Fazit:

Eine sehr gute Biographie von Maria Theresia, die man unbedingt lesen muss.

Veröffentlicht am 08.01.2018

Auch das nächste Abenteuer überzeugt ..

Herrscher des Nordens - Odins Blutraben
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In Band zwei der Trilogie um Harald Hardrada begleiten wir ihn und seine Männer auf ihren weiteren Lebenswegen.

König Knut, der Sieger von Stikla Stad, ist gestorben und hat sich wenig beliebt gemacht. ...

In Band zwei der Trilogie um Harald Hardrada begleiten wir ihn und seine Männer auf ihren weiteren Lebenswegen.

König Knut, der Sieger von Stikla Stad, ist gestorben und hat sich wenig beliebt gemacht. Daher wollen die norwegischen Jarls Magnus, den Sohn von Haralds Bruder Olav, als König.
Doch sein Neffe ist noch minderjährig und eigentlich wäre Harald gerne König. Nach langem Ringen mit sich selbst, verzichtet Harald zu Gunsten von Magnus auf den Thron. Immerhin hat er es ja Olav versprochen, auf Magnus acht zugeben.
Nach der verlorenen Schlacht von Stikla Stad verdingen sich Harald und seine Männer als Söldner des Großfürsten der Rus, Jarosleif. Sie treiben Steuern ein und werden zur Verstärkung nach Kiew geschickt. Die Verteidigung der Stadt gelingt, jedoch zahlt Harald den höchsten persönlichen Preis. Denn die feindlichen Petschenegen entführen und ermorden seine Aila. Ausgerechnet Intimfeind Sigurd bringt die misshandelte Leiche zurück. Er schließt sich zur Überraschung aller, Haralds Truppen an und verteidigt an Haralds Seite Kiew. Unmittelbar nach dem Sieg verschwindet Sigurd wieder.

Wütend über die Machtspielchen von Jarosleifs Sohn Ilya, verlässt er Kiew mit den wenigen Männern, die ihm noch verblieben sind.

Das nächste Ziel: Das sagenumwobene, reiche Konstantinopel. Dort werden kampferprobte Männer immer gebraucht und das glänzende Gold lockt auch.
Doch kaum angekommen, werden Harald und seine Männer in mächtige Palastintrigen verwickelt, aus denen es kaum Auswege gibt, zumal Sigurd wieder einmal seine Finger im Spiel hat.

Meine Meinung:

Autor Ulf Schiewe beeindruckt wieder durch seine fesselnde Erzählkunst. Wie schon im ersten Teil, ist der Leser hautnah am Geschehen. Wir können das Klirren der Waffen hören, riechen den Gestank der verfaulenden Leichen und den Rauch der brennenden Stadt. Die Ohnmacht Haralds der Intrigen ist eindrücklich dargestellt. Die Wut, die Verzweiflung als sein Intimfeind Sigurd die ermordete Aila zurückbringt – all das ist greifbar und glaubhaft dargestellt.
Obwohl es aus dieser Zeit wenige schriftliche Quellen gibt, sind die historischen Details gut recherchiert.

Einige Charaktere, vor allem Harald selbst, machen Wandlungen durch. So wird auch aus dem ursprünglich religiös fixierten Patriarchen von Kiew, ein Mann der Tat. Zwar beteiligt er sich nicht aktiv an den Kämpfen sondern erledigt im Hintergrund die Arbeit.

Ich persönlich finde ja die geradlinige Art der Nordmänner sympathischer als die hinterhältige Vorgehensweise der, ach so zivilisierten, Byzantiner. Besser ein Kampf Mann gegen Mann als ein Gifterl hier und eine Seidenschnur dort.

Fazit:

Eine dramatische Fortsetzung des Lebens von Harald. Bin schon auf den dritten Teil gespannt, dessen Titel „Die letzte Schlacht“ nichts Gutes ahnen lässt. Gerne gebe ich wieder 5 Sterne und eine absolute Lesempfehlung.