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Veröffentlicht am 12.01.2018

Davon geht die Welt nicht unter

Der Untergang der Habsburgermonarchie
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ist ein Schlager, der aus meiner Sicht kein Gehalt hat, es wird einfach etwas dahingesagt. Damit stellt er das Gegenteil zum vorliegenden Werk zum Untergang der Habsburgermonarchie dar. Die Welt der Habsburger ...

ist ein Schlager, der aus meiner Sicht kein Gehalt hat, es wird einfach etwas dahingesagt. Damit stellt er das Gegenteil zum vorliegenden Werk zum Untergang der Habsburgermonarchie dar. Die Welt der Habsburger ist nämlich sehr wohl untergegangen und zwar nicht nur aus einem Grund, sondern aus mindestens sieben (hauptsächlichen) Gründen, wie das Fazit am Ende der Ausführungen belegt. Doch es gibt viel "dazwischen", also vieles, das dazu beitrug und überaus lesenswert ist.

Dem Autor Hannes Leidinger fehlt die Leichtigkeit vieler angelsächsischer Autoren, die es fertig bringen, ein historisches Sachbuch wie einen spannenden Roman zu formulieren, den man nicht aus der Hand legen kann. Hier habe ich mich mit der zweifellos sowohl interessanten, auch aufschlussreichen und Neues offenbarenden Lektüre ziemlich schwer getan, denn spannend war sie ganz gewiss nicht. Zumindest nicht aus meiner Sicht.

Und das, obwohl grandiose Ansätze durchaus vorhanden waren, wie zum Beispiel gleich zu Beginn des Buches die Darstellung der realen Ereignisse aus der Sicht von Ulrich, der Hauptfigur in Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften", also einem fiktiven Kind der Zeit. Doch Einflüsse germanischer Gründlichkeit haben eindeutig überwogen und machen das Werk zu einem ausführlichen und überaus fundierten Werk über die Habsburgermonarchie, zu einem modernen Werk, das Ursachen, Einflüsse und Entwicklungen prüft und in Frage stellt.

Ein wirklich wichtiges Werk der neuesten Geschichtsschreibung also, das jeder Historiker, der sich mit diesem Thema beschäftigt zur Hand nehmen sollte. Und nicht nur einmal. Denn es hat das Zeug zu einem Handbuch der österreichischen Geschichte, also zu einem Werk, das Kenner und Schätzer nicht wieder aus dem Regal lassen sollten. Und sicher auch das Zeug dazu, ausgiebig diskutiert zu werden, also ein Werk, das jahrzehntelang nachhallen wird. Mindestens.

Für Laien ist es eher nichts, außer für solche, die sich sehr für die Habsburger und für österreichische Geschichte interessieren und auch schon einige Vorkenntnisse haben. Andere werden sicher enttäuscht sein und das wäre schade angesichts eines so sach- und fachkundigen Werkes.

Veröffentlicht am 11.01.2018

Liebe und Treue

Olga
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das sind zwei Begriffe, die Olga prägen, nicht zuletzt die Treue zu sich selbst und zu ihren Ansichten.

Eine Jugend in schweren Zeiten ist es, die Olga erlebt, in der es sie von Schlesien nach Pommern ...

das sind zwei Begriffe, die Olga prägen, nicht zuletzt die Treue zu sich selbst und zu ihren Ansichten.

Eine Jugend in schweren Zeiten ist es, die Olga erlebt, in der es sie von Schlesien nach Pommern verschlägt, in der sie Herbert und Viktoria kennenlernt. Die sind auch anders, aber anders anders als Olga - während diese schon immer knapsen musste, sind die beiden Geschwister reich, zumindest wohlhabend. Und irgendwann wird dies für Viktoria auch wichtiger als die Freundschaft zu Olga. Aber nicht für Herbert. Der hält ihr die Treue.

Olga ist anders, sie schaut gern zu, zumindest als Kind. Auch später hat sie Spaß am Schauen, aber nicht am Zuschauen, denn sie weiß genau, was sie will und hat ihren eigenen Kopf: Sie setzt sich schon früh gegen ihre Großmutter zur Wehr, die sie zu einer Helga, einer mit einem deutschen Namen machen will und sie bemüht sich eigenmächtig um eine Stelle an einer weiterbildenden Schule.

Sie schafft es, Lehrerin zu werden. Aber schafft sie es auch, ihren Traum von einem Leben mit Herbert zu verwirklichen?

So viel sei gesagt: Olga ist ein aufrechter Mensch und sie bleibt es, auch wenn sie in ihrem langen Leben viele Verluste, bspw. den ihres Gehörs, hinnehmen muss. Olga ist ein stiller Mensch, aber keiner, der ungesehen und ungehört bleibt. Und einer, der fast das ganze 20. Jahrhundert miterlebt - zumindest bis in die 1970er Jahre - und sich so seine Gedanken darüber macht. Bernhard Schlink beschreibt ihr Leben und das Drumherum behutsam, wie es so seine Art ist und hat mit "Olga" einen eindringlichen Roman geschaffen, in dem er einmal mehr Frauen eine Stimme gibt.

Eine ganz andere, als es im "Vorleser" der Fall war, gewissermaßen eine alltäglichere. Aber sich darauf zu verlassen, dass Olga im Romanverlauf so bleibt, wie wir sie kennengelernt haben, das wäre falsch. Denn wer die Romane von Bernhard Schlink kennt, weiß, dass er immer für eine Überraschung gut ist, auch wenn Teile davon diesmal sehr vorhersehbar sind.

Dennoch ein Lesegenuss, wenn man den eher zurückgenommenen, aber keineswegs zurückhaltenden Stil des Autors so wie ich zu schätzen weiß! Auch Deutsch- und Geschichtslehrer könnten hier hellhörig werden, bietet doch dieser in Stationen deutscher Entwicklungen im 20. Jahrhundert eingebettete Roman jede Menge Stoff für Diskussionen und weitere Recherchen!


Veröffentlicht am 10.01.2018

Ein Leben wie ein Roman

Die amerikanische Prinzessin
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Oder wie ein Märchen, wenn auch keines der Brüder Grimm, denn die lösen sich zumeist in Wohlgefallen oder doch zumindest in Gerechtigkeit auf! Die Lebensgeschichte der Allene Tew bzw. von Kotzebue, ...

Oder wie ein Märchen, wenn auch keines der Brüder Grimm, denn die lösen sich zumeist in Wohlgefallen oder doch zumindest in Gerechtigkeit auf! Die Lebensgeschichte der Allene Tew bzw. von Kotzebue, wie sie zuletzt hieß, ähnelt eher dem tragischen Schicksal einer Figur aus der Feder von Christian Andersen oder gar aus 1001 Nacht!

Die junge Allene führt ein geborgenes, jedoch keineswegs komfortables Leben und lernt früh, dass man seinem Glück auf die Sprünge helfen muss. So kommt sie durch zwei Ehemänner schon früh zu Geld und bald auch zu einem dritten Gatten, durch den sie erfährt, was wahre Liebe und Partnerschaft in der Ehe eigentlich bedeuten. Doch auch dieses Glück ist endlich und so macht sich die frischgebackene Witwe auf nach Europa auf der Suche nach einem neuen Leben, das sie an der Seite des adligen Prinzen Reuß findet, der sie bereitwillig zur Frau nimmt - allerdings nur ihres Geldes wegen.

Doch öffnet ihr diese Verbindung einige Türen bspw. die zum niederländischen Königshaus. Sie wird Patentante der späteren Königin Beatrix und entert damit langfristig die Bühnen der adligen Welt - zusammen mit dem russischstämmigen Adligen Paul von Kotzebue, der ihr fünfter Ehemann wird.

Ja, es ist ein Lebenwie ein Traum, von dem die niederländische Historikerin Annejet van der Zijl hier erzählt und das Wichtigste: alle Fakten sind wahr und überaus sorgfältig recherchiert.

Die Erinnerungen an ein fernes Leben, die hier so professionell und im Prinzip auch sehr eloquent - tatsächlich fast wie ein Roman - dargestellt werden, kommen stellenweise ein wenig umständlich und komplex daher, an anderen Stellen wird der Sachstand dann doch sehr verkürzt dargestellt. Doch bei der ungeheuren Masse an Quellen wie auch an Sekundärliteratur - alles ist am Ende des Buches ausgesprochen sorgfältig und professionell aufbereitet worden - ist dies wohl nicht anders möglich. In weiten Teilen ist dies eine generationenübergreifende Familiengeschichte, die entlang zentraler historischer Entwicklungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dargestellt wird.

Wer also wie ich gern Biographien von Menschen liest, die nicht jeder kannte, die aber auf ihre Weise etwas ganz Besonderes sind, dem empfehle ich dieses sowohl informative als auch unterhaltsame Buch!

Veröffentlicht am 08.01.2018

Weit hinaus über das Meer

Das Erbe der Rosenthals
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und die Ozeane geht es im Jahr 1939 für die elfjährige Hannah Rosenthal. Man kann es sich schon denken: dies ist mitnichten eine Vergnügungsreise, nein, ganz im Gegenteil: sie und ihre Eltern sind Juden, ...

und die Ozeane geht es im Jahr 1939 für die elfjährige Hannah Rosenthal. Man kann es sich schon denken: dies ist mitnichten eine Vergnügungsreise, nein, ganz im Gegenteil: sie und ihre Eltern sind Juden, die vor dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland fliehen. Doch Ende der Dreißiger Jahre ist die Welle der fliehenden Juden so riesig, dass viele Staaten keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, egal, wie verzweifelt deren Situation ist.

Kuba ist das Land, auf das die Familie Rosenthal ihre Hoffnungen setzt und ihre Reise mit dem Schiff St. Louis basiert auf realen Begebenheiten: dieses Schiff, das mit Hunderten von Flüchtenden Kuba ansteuerte, gab es wirklich.

Um die Ahnungen der Interessierten nicht über Gebühr zu strapazieren: das Schicksal der St. Louis und auch der Familie Rosenthal ist ein tragisches. Familien werden getrennt, Freunde sowieso und auch der Staat Kuba kommt in diesem Buch nicht gut weg - unter den unterschiedlichen Regierungen, kann man erlesen, war das Leben dort für viele - gerade auch für Fremde - kein Leichtes.

Im Roman werden verschiedene Stationen im Leben von Hannah beschrieben: das Leben in Berlin und dessen abruptes Ende, die Fahrt mit der St. Louis und verschiedene Passagen ihres Lebens auf Kuba. Und es gibt eine Parallelgeschichte - die des Mädchens Anna in New York. Wie sich das wohl zusammenfügt?

Ein bemerkenswertes Buch, das gleichwohl seine Schwächen hatte, fand ich jedenfalls. Für mich stellten die frühen Jahre - die Flucht aus Berlin, die Reise der Familie Rosenthal auf der St. Louis eindeutig den stärkeren Part dar - die Zeit in Kuba wirkte dann zerfasert und teilweise nicht ausreichend erläutert. Ganz so, als konnte oder durfte der Autor nicht zu viel schreiben. Dennoch habe ich den Roman sehr gerne gelesen, wobei mich vor allem die angehängten Erläuterungen über das wahre Schicksal des Schiffes St. Louis und seines Kapitäns sehr faszinierten.

Ein Roman, den ich jedem ans Herz lege, der das tragische Schicksal der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus in all seinen Facetten erfassen will. Hier wird ein weiterer Baustein dazu geliefert!

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Veröffentlicht am 06.01.2018

Eine Weihnachtsgeschichte der mörderischen Art

Geheimnis in Rot
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hat die britische Autorin Mavis Doriel Hay mit "Geheimnis in Rot" bereits in den 1930er Jahren verfasst - erst 2017 erfolgte die erstmalige Übersetzung ins Deutsche - eine sehr lohnenswerte, ...

hat die britische Autorin Mavis Doriel Hay mit "Geheimnis in Rot" bereits in den 1930er Jahren verfasst - erst 2017 erfolgte die erstmalige Übersetzung ins Deutsche - eine sehr lohnenswerte, wie ich finde!

Herrlich! Und very british! Jedenfalls meistens - an einigen wenigen Stellen wirkte die Geschichte für mich als Leserin des 21. Jahrhunderts dann doch ein wenig kleinteilig und auch behäbig. Und es war extrem früh zu erahnen, wer der Täter ist.

Dennoch: "Geheimis in Rot" ist ein überaus stilvoller Weihnachtskrimi mit allem Zipp und Zapp, der auch über die Feiertage hinaus noch lesenswert ist. Die Autorin Mavis Driel Hay schreibt atmosphärisch und mit ausgesprochen sarkastischem Anklang, wenn auch einem milden. Very british indeed. Es handelt sich hier um einen klassischen Whodunnit um die Familie Melbury und ihr Umfeld, eine personelle Konstellation, die einige Ecken und Kanten aufweist. Ein Mord findet statt, ausgerechnet zu Weihnachten und (fast) jeder könnte es gewesen sein.

Wie gesagt, das mit dem "fast jeden" erledigt sich sehr schnell, aber wer der klassischen britischen Krimiliteratur zugetan ist, wird dennoch seine Freude mit dem Buch haben!