Abrupt wandte sie sich von dem Ausblick ab und hob die Säbel auf. Sie spürte den Blick ihrer Cousine im Rücken. Dieses Mal sprach Safira die Frage, die ihr auf der Zunge lag, nicht aus. Das hieß jedoch nicht, dass Asha sie nicht hörte.
"Sobald es vorbei ist, erzähle ich dir alles", sagte sie deshalb. "Versprochen."
Safira würde ihr Geheimnis nicht verraten. Daran hegte sie nicht den geringsten Zweifel. Aber wenn der Drachenkönig herausfand, dass Safira von den verbotenen Handlungen seiner Tochter gewusst hatte, wäre das ihr Ende. Asha durfte ihre Cousine nicht in eine Lage bringen, die noch mehr Gnade vom König erforderte - denn mehr Gnade konnte er ihr einfach nicht gewähren.
Je weniger Safira wusste, desto besser war sie geschützt.
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INHALT:
Asha, Tochter des Königs, leidet unter schrecklichen Schuldgefühlen: Als Kind hat sie mit verbotenen Geschichten den gefährlichsten aller Drachen, Kozu, herbei gelockt, der mit seinen Flammen viele Menschen getötet und ihren eigenen Körper zu einem Drittel verbrannt hat. Von den Bewohnern des Königreichs wird sie daher gefürchtet und gehasst. Um ihre Tat wieder gut zu machen hat sie sich einer großen Aufgabe verschrieben: Alle noch übrigen Drachen zu töten und die Gefahr damit zu bannen. Sie ist auf dem besten Wege, ihr Ziel zu erreichen, aber immer wieder kommen ihr ihre Sorgen über die bevorstehende Vermählung mit dem grausamen Jarek in die Quere. Doch dann bietet ihr Vater ihr einen Ausweg: Wenn sie Kozu tötet, sagt er die Hochzeit ab. Asha weiß, dass dies ihre einzige Chance ist. Aber nachdem sie sich mit dem Sklaven Torwin verbündet hat, kommen ihr Zweifel an der Mission und an allem, was sie geglaubt hat zu wissen...
MEINE MEINUNG:
High Fantasy ist auch im Jugendbuchbereich immer mehr auf dem Vormarsch, enttäuscht aber oft durch unausgereiftes Worldbuilding und ein zu großes Augenmerk auf die Liebesgeschichte. Nicht so "Der Sturm naht", Band 1 der "Iskari"-Trilogie von Kristen Ciccarelli, deren von Drachen bevölkerte und von alten Geschichten und Bräuchen bestimmte Welt einen schnell in den Bann zieht. Und das, obwohl ich persönlich Drachen normal sterbenslangweilig finde. Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, voller wunderbarer Details, und insbesondere die eingewobenen alten Sagen, die die Welt ein wenig erklären, wissen zu begeistern.
Asha ist nicht unbedingt eine einfache Protagonistin. Aufgewachsen unter dem Einfluss ihres Vaters, der alle alten Bräuche auslöschen will, und überzeugt von ihrer Schuld, sträubt sich sich gegen jeden aufkommenden Zweifel. Das wird zwischenzeitlich anstrengend, ist aber nichtsdestotrotz verständlich und vor allem macht sie auf diese Weise eine sehr glaubwürdige Entwicklung durch. Love-Interest Torwin, Sklave ihres Verlobten, erscheint dagegen erst einmal blass und lange ohne eigene Ambitionen und Wünsche. Auch zum Ende hin hat er noch Merkmale des typischen Manic Pixie Dream Boys, aber aufgrund seiner liebevollen Art und weil er sich nicht alles gefallen lässt, schließt man ihn dennoch ins Herz. Während Kommandant Jarek ein relativ klischeehafter Fiesling ist, können Nebencharaktere wie Ashas starke und kämpferische Cousine oder ihr zart wirkender, aber Pläne schmiedender Bruder punkten, sodass der Roman von einer Riege lebendiger und fast durchweg gut charakterisierter Figuren bevölkert wird.
Nach einem starken Beginn, der Asha in Aktion während eines Kampfes mit einem Drachen zeigt, wird der Leser erst einmal in die Welt und ihre Eigenheiten eingeführt. Bis sich die Protagonistin tatsächlich mit dem Sklaven Torwin verbündet und einigen Geheimnissen auf die Spur kommt, dauert es so seine Zeit, aber spätestens ab der Hälfte zieht das Tempo richtig an. Die Charaktere sind eigentlich permanent unterwegs und schmieden Pläne oder geraten in Gefahr, sodass keine Langeweile aufkommt. Romantik ist vorhanden, entwickelt sich aber wunderbar langsam, wodurch sie die Geschichte perfekt unterschützt, anstatt sie zu verdrängen. Einige Entwicklungen konnte man schon früh vorhersagen, aber Schreibstil und Dialoge machen das wieder wett. Das Ende ist in sich recht geschlossen, lässt aber noch Stränge für die folgenden Bände offen - die sicherlich erneut einiges zu bieten haben.
FAZIT:
Ich bin kein Fan von Drachen und trotzdem mochte ich den ersten Band der "Iskari"-Trilogie sehr gerne - das sagt einiges aus. Kristen Ciccarelli hat keine völlig neue, aber dafür eine schöne und mitreißende Geschichte erschaffen. Ich freue mich schon darauf, im September kommenden Jahres wieder mit Asha auf die Reise gehen zu können. Sehr gute 4 Punkte!