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Veröffentlicht am 17.03.2018

Eine wunderschöne Liebesgeschichte in leiser Tonart

Eine Liebe, in Gedanken
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Im Hamburg der 60er Jahre verliebt sich Antonia in Edgar. Sie - das Leben genießend, beruflichen Erfolg und Selbständigkeit anstrebend, etwas naiv; Er – etwas steif, vorsichtig, zahllose romantische Briefe ...

Im Hamburg der 60er Jahre verliebt sich Antonia in Edgar. Sie - das Leben genießend, beruflichen Erfolg und Selbständigkeit anstrebend, etwas naiv; Er – etwas steif, vorsichtig, zahllose romantische Briefe schreibend. Antonias Traum von einem gemeinsamen Leben erfüllt sich nicht. Sein Versprechen, sie zu sich nach Hongkong zu holen, wo er für seine Firma ein Außenhandelsbüro aufbaut, hält Edgar nie, obwohl Antonia zu Hause für ihn schon Wohnung, Arbeit und Familie aufgebeben hat und auf gepackten Koffern sitzt. 50 Jahr später, in der Zeit der Trauer um ihre gerade verstorbene Mutter, geht Antonias Tochter der Frage nach, warum es für Antonia und Edgar keine gemeinsame Zukunft gab.
Dies ist eine wunderschöne Liebesgeschichte der leisen, nachdenklichen Tonart, die, wie von Anbeginn aufgrund des Klappentextes bekannt, kein Happy End hat. Auf die Frage nach dem Grund hierfür wird sich jeder Leser letztlich eine eigene Meinung bilden müssen. Sehr interessant ist es zu lesen, welche Rolle einer jungen Frau in den 60er Jahren in Deutschland zugedacht war und wie sehr Antonia von eben diesem Erwartungsbild abwich. Als junge Frau in einer eigenen Wohnung zu leben, einem Beruf nachzugehen und Karriere zu machen, mit einem Mann das Leben zu genießen, ja sich sogar die Pille verschreiben lassen zu wollen, wurde von der Gesellschaft wie auch von der eigenen Familie argwöhnisch beäugt. Wie schön ist es doch dagegen, ein halbes Jahrhundert später als Frau ganz selbstverständlich selbstbewusst und eigenbestimmt leben zu können. Wir haben es aber nicht nur mit einer Liebesgeschichte zu tun. Zusätzlich wird das Mutter-Tochter-Verhältnis beleuchtet. Das geschieht sehr berührend, indem die namenlos bleibende Erzählerin = Antonias Tochter noch in der Phase der Trauer Zwiegespräche mit der toten Mutter führt. Beide Stränge werden abwechselnd fortgeführt.
Ein Roman, den zu lesen ich ans Herz lege.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Mehr Roman denn Krimi

Kühn hat Ärger
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Das Schöne an dem vorliegenden Buch ist, dass es eine breite Leserschaft anspricht. Zum einen die Leser von Romanen der Gegenwartsliteratur, zum anderen Krimi-Fans. Wie es sich letztlich einordnen lässt, ...

Das Schöne an dem vorliegenden Buch ist, dass es eine breite Leserschaft anspricht. Zum einen die Leser von Romanen der Gegenwartsliteratur, zum anderen Krimi-Fans. Wie es sich letztlich einordnen lässt, mag jeder für sich entscheiden. Da eine Leiche und ein Kommissar allein noch keinen Krimi ausmachen, würde ich selbst die Geschichte eher als Roman einordnen. Der Krimi-Plot bildet lediglich den Rahmen um vielfältige aktuelle gesellschaftspolitische Themen.
Wie im früheren Buch des Autors „Kühn hat zu tun“ – das ich nicht gelesen habe und man nach meiner Meinung um des besseren Verständnisses willen nicht unbedingt zuvor gelesen haben muss – steht der Münchener Hauptkommissar Martin Kühn im Mittelpunkt. Als aktuellen Fall hat er ein Tötungsdelikt zu Lasten eines jungen Libanesen aus schlechten sozialen Verhältnissen aufzuklären, der ihn in die Welt der wohlhabenden Bürger aus Grunwald führt, zu denen der Getötete neuerdings Zugang hatte. Parallel dazu beschäftigen Kühn diverse private Probleme – das kaum bezahlbare Wohnen in einem kreditfinanzierten Reihenhaus im teuren Münchner Umland, das zudem auf chemisch verseuchtem Grund errichtet ist; rechtsradikale Aktivitäten in seinem Wohnumfeld; die Konkurrenz mit seinem Untergebenen bei der Bewerbung auf eine Beförderungsstelle; der Verdacht der ehelichen Untreue seiner Frau und eine diesbezügliche eigene Versuchung; eine ungeklärte Erkrankung.
Diese Themen sind so aktuell und vielfältig, dass man sich in dem einen oder anderen durchaus wiederfinden kann. Der Kriminalfall wird ganz allmählich gelöst und gibt genügend Gelegenheit, selbst mitzuraten. Kühn ist ein eher eigenbrötlerischer Ermittler mit geschickten Verhörmethoden. Interessant sind die Einblicke in die inneren Strukturen der Kriminalpolizei, etwa die Art und Weise, in der der Polizeirat Kühn zur Teilnahme an einem Seminar für Führungskräfte zwingt. Das Drumherum um dieses Seminar ist übrigens wie auch andere Passagen durchaus humorvoll. Die Grundidee der Handlung empfinde ich als etwas irreal. Ein krimineller Jugendlicher mit Migrationshintergrund dürfte kaum mit so offenen Armen von den Eltern seiner ihm erst kurze Zeit bekannten Freundin aus einer völlig anderen Welt aufgenommen werden. Natürlich haftet diesem Aspekt auch etwas Märchenartiges an. Angetan war ich von so manchem Detail, mit dem die Geschichte gekonnt und passend ausgeschmückt wird, z.B. betreffend das IKEA-Sofa „Kivik“.
Da einige Aspekte aus Kühns Privatleben nicht zu Ende geführt werden, darf wohl mit einer Fortsetzung gerechnet werden, die ich ganz gewiss lesen werde, nachdem mir dieser Band so gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Eine Irrfahrt mit der Bahn

Der Reisende
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Die Entstehungsgeschichte dieses Buches ist ebenso interessant wie sein Inhalt.
Es stammt aus der Feder eines jüdischen, rechtzeitig aus Deutschland geflohenen Autoren und wurde bereits 1939 und 1940 ...

Die Entstehungsgeschichte dieses Buches ist ebenso interessant wie sein Inhalt.
Es stammt aus der Feder eines jüdischen, rechtzeitig aus Deutschland geflohenen Autoren und wurde bereits 1939 und 1940 in England und den USA in englischer Sprache veröffentlicht. Noch bevor Boschwitz es für eine deutschsprachige Ausgabe überarbeiten konnte, kam er bei einem Torpedoangriff der Deutschen auf dem Weg nach England ums Leben. Deutsche Verlage nahmen das Manuskript später nicht an. Erst jetzt wird es – lektoriert vom Herausgeber Peter Graf – erstmalig in deutscher Sprache veröffentlicht.
Thematisch geht es um die Anfänge der Judenverfolgung unter den Nationalsozialisten. Die Handlung ist angesiedelt auf den Tag nach der Reichspogromnacht und wenige nachfolgende Tage. Der wohlhabende und angesehene jüdische Kaufmann Otto Silbermann aus Berlin entgeht seiner Verhaftung, indem er mit seinem letzten Barvermögen von 40000 Reichsmark mit der Deutschen Reichsbahn mehr oder weniger ziellos in verschiedene deutsche Städte flüchtet. Auf der Reise trifft er die unterschiedlichsten Menschen und verliert immer mehr.
Die Geschichte besticht durch die Darstellung des Protagonisten, der in dem Dilemma steckt, kein „typischer Jude“ zu sein. Im Ersten Weltkrieg hat er ehrenhaft für die Deutschen gekämpft, äußerlich sieht er nicht wie ein Jude aus, verheiratet ist er mit einer arischen Frau. Daher sieht er sich selbst als Deutschen und nicht als Juden. Diesen gibt er sogar schon recht bald die Schuld an seiner misslichen Lage. Seine rastlosen, immer wirrer werdenden Gedankengänge, seine Angst und seine Sorgen kommen gelungen, für den Leser gut nachvollziehbar, zum Ausdruck. Ein ebenso treffendes, sehr differenziertes Bild wird von der deutschen Gesellschaft im Vorkriegsdeutschland gezeichnet. Es werden nicht alle Deutschen über einen Kamm geschert und als antisemitisch dargestellt. Stattdessen werden die Deutschen, denen Silbermann auf seiner Irrfahrt begegnet, mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Charakteren beschrieben. Es gibt sehr schöne Dialoge zwischen Silbermann und seinen verschiedenen Reisebekanntschaften. Einige von ihnen sind zwar Mittäter an dem den Juden angetanen Leid. Aber es gibt genauso gut Mutige, die selbst Risiken eingehen und ihnen helfen.
Ein wichtiges, sehr lesenswertes Stück Zeitgeschichte.

Veröffentlicht am 04.02.2018

Im Alter auf den Spuren der Vergangenheit

Ein mögliches Leben
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Mit fast 90 Jahren reist Franz mit seinem Enkel nach Amerika, um dort die Orte zu besuchen, in denen er als 18jähriger in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war. Viele Erinnerungen werden in ihm wach ...

Mit fast 90 Jahren reist Franz mit seinem Enkel nach Amerika, um dort die Orte zu besuchen, in denen er als 18jähriger in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war. Viele Erinnerungen werden in ihm wach – an eben jene Zeit und an die Jahre davor sowie nach seiner Rückkehr in die Heimat, in denen er eine Familie gegründet hat, die ihn stets als harten, unnachgiebigen Mann erlebt hat. Der amerikanische Freiheitsgedanke hat Franz nie losgelassen und gerne wäre er nach Amerika ausgewandert, eben in ein anderes mögliches Leben, wenn da nicht Frau und Tochter gewesen wären.
Dieser Roman besticht durch seine gelungene Mischung aus Familiengeschichte und historischer Erzählung und spricht eine entsprechend interessierte Leserschaft an. Mit großem Interesse habe ich die Thematik der deutschen Kriegsgefangenen in den USA im Zweiten Weltkrieg gelesen, die mir so gar nicht geläufig war. Deutsche Soldaten in russischer Kriegsgefangenenschaft – ja, das ist mir bekannt. Dass aber deutsche Soldaten wie Franz von Cherbourg in Frankreich aus in die USA verschifft und in Lagern interniert wurden, wusste ich nicht. Dabei werden interessante Aspekte angesprochen – den Deutschen ging es dort vergleichsweise gut, es gab erhebliche Rivalitäten zwischen Nazigegnern und unbelehrbaren Linientreuen. Dass ein Buch so lehrreich sein kann, nimmt mich auf jeden Fall für es ein. Zum Nachdenken stimmt, wie die wenigen Jahre im jungen Erwachsenenalter, die Franz unter dem Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg erlebte, sein ganzes weiteres Leben prägten und veränderten, vor allem auch in Bezug auf seine Familie.
Die Erzählweise ist recht ruhig gehalten. Die Sprünge von Vergangenheit auf Gegenwart geschehen manchmal unvermutet und äußerlich nicht gut sichtbar gemacht, passen damit aber gut zu den Gedankengängen, die der Protagonist ja vermittelt.
Auf jeden Fall ein sehr lesenswertes Buch.

Veröffentlicht am 14.01.2018

Eine verkorkste Eltern-Kind-Beziehung

Töchter wie wir
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Um es vorwegzunehmen: Das Buch ist absolut lesens- und empfehlenswert. Wie es sein Titel schon vermuten lässt, geht es vorrangig um eine Mutter-Tochter-Beziehung, wenngleich auch eine (nicht vorhandene) ...

Um es vorwegzunehmen: Das Buch ist absolut lesens- und empfehlenswert. Wie es sein Titel schon vermuten lässt, geht es vorrangig um eine Mutter-Tochter-Beziehung, wenngleich auch eine (nicht vorhandene) Vater-Tochter-Beziehung eine wichtige Rolle spielt. Tochter ist die 40jährige Mona, die 68jährige Hella ihre Mutter. Mona hadert schon ihr ganzes Leben mit ihren Eltern, von denen sie sich nur versorgt, aber nie geliebt gefühlt hat. Sie kann ihrer Mutter nur wütend und unfreundlich gegenübertreten. Hella hat in jahrzehntelanger Ehe unter ihrem kalten Ehemann gelitten und Trost im Alkohol gesucht. In abwechselnden kurzen Kapiteln decken beide Frauen ihre Gedanken und Erinnerungen an ihre Vergangenheit auf, die sie so sehr geprägt hat. So wird dem Leser nach und nach vor Augen geführt und ihm zu verstehen gegeben, warum die Protagonistinnen auch in ihrem Verhältnis zueinander so geworden sind, wie sie sind. Vieles regt zum Nachdenken an und lässt einen das eigene Leben reflektieren. Beide Frauen sind nicht gerade Sympathieträger. Umso schöner ist, dass sie sich – auch durch den Einfluss neuer Personen, die in ihr Leben treten – allmählich verändern und sich schrittweise auf die andere zu bewegen. Und so gibt es die schöne Chance eines neuen Umgangs miteinander.