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Veröffentlicht am 16.04.2018

Guter Schreibstil - aber die Geschichte konnte mich nicht überzeugen

Skandinavisches Viertel
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Matthias wächst im "Skandinavisches Viertel" in Ostberlin der 70er und 80er Jahre auf. Das Viertel heißt so, weil viele Straßen skandinavische Namen haben. Matthias Vater findet dies sinnlos, da man als ...

Matthias wächst im "Skandinavisches Viertel" in Ostberlin der 70er und 80er Jahre auf. Das Viertel heißt so, weil viele Straßen skandinavische Namen haben. Matthias Vater findet dies sinnlos, da man als DDR-Bürger sowieso nicht nach Skandinavien reisen darf. Matthias selbst erfindet dagegen gerne skandinavische Namen für angrenzende Straßen in der Gegend. Und er bestaunt seinen Onkel, der wirklich einmal in Skandinavien war, in Helsinki. Mit einem Zirkus. Zwar nur als Manege-Aufbau-Helfer. Aber immerhin. Verloren hat er den Job wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums. Seitdem lebt er wieder bei seinen Eltern, Matthias Großeltern. Und trinkt weiterhin. Genau wie der Großvater. Matthias Vater sieht seinen Bruder als Trinker und Schmarotzer. Und er scheint noch einen alten Groll auf ihn zu haben, was aber in der Familie nicht thematisiert wird.

Wie es überhaupt einiges an Geheimnissen in der Familie gibt. Und als dann noch einige tragische Todesfälle dazu kommen, wird Matthias Jugend schwierig.

Und durch viele Einschübe aus der Gegenwart (es wird abwechselnd in der Jugend und in der heutigen Zeit erzählt) wird klar, dass Matthias augenscheinlich nie so richtig den Weg in ein eigenständiges Leben gefunden hat, obwohl er es in vielen Städten auf der Welt versucht hat (Buenos Aires, Los Angeles...) und in vielen Beziehungen. Im Endeffekt landet Matthias dann wieder im Skandinavischen Viertel in der Wohnung seiner Großeltern, die ihr günstig kaufen kann. Und da es gerade so passt, wird er Makler für das Viertel. Er will das Viertel vor den Immobiienhaien und vor der Gentrifizierung retten.

Aber wie so oft, verliert sich Matthias in Lügen und Bequemlichkeiten. Und obwohl die meisten Familiengeheimnisse im Laufe der Handlung aufgelöst werden, hatte ich persönlich nicht den Eindruck, dass Matthias daran wächst oder sich ändert. Und das war etwas, was mich an dem Buch dann doch gestört hat. Es ist - trotz aller politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen - für mich ein "Nicht-Entwicklungs-Roman" geblieben. Obwohl viele gute Ansätze da waren.
Weder DDR-Diktatur noch Wende noch Gentrifizierung werden m.E. '"richtig" auserzählt in Bezug auf den Protagonisten, alles bleibt seltsam blass.

Schade, die Geschichte hatte Potenzial. Und der Autor schreibt klar, flüssig und gut lesbar. Ein anderes Buch des Autors würde ich also jederzeit wieder versuchen zu lesen.

Veröffentlicht am 09.04.2018

Melodramatisch - manchmal leider zu kitschig

Bright Side
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Kate ist erst 19 als sie vom sonnigen Kalifornien ins kalte Minnesota zieht, um dort das College zu besuchen.
Aber sie scheint schon einiges an traurigen Erlebnissen hinter sich zu haben, dies wird im ...

Kate ist erst 19 als sie vom sonnigen Kalifornien ins kalte Minnesota zieht, um dort das College zu besuchen.
Aber sie scheint schon einiges an traurigen Erlebnissen hinter sich zu haben, dies wird im Buch nach und nach enthüllt.
Ihre Mutter hat sich anscheinend kaum um sie und ihre Schwester kümmern können. Der Nachbarsjunge Gus und seine Mutter wurden daher ihre Ersatzfamilie. Aber kurz vor ihrer Abreise scheint es sich so zu entwickeln, dass zwischen ihr und Gus mehr ist als Geschwisterliebe. Oder? Und was ist mit dem netten Mitarbeiter des Cafés in der Nähe vom College? Dieser ist heiß umschwärmt, scheint aber ein Geheimnis zu haben. Und auch Kate hat viele Geheimnisse. Kann sich hier eine Beziehung entwickeln? Wird sich das Leben von Kate endlich wieder positiv entwickeln?

Vieles in diesem Buch wird erst nach und nach enthüllt - das macht die Lektüre spannend. Außerdem ist Kate ein wahrer Sonnenschein, nicht umsonst nennt Gus sie "Bright Side". Allerdings ist da, wo Sonne ist, auch Schatten.

Ich möchte hier nicht zu viel verraten. Sondern nur sagen, dass dieses Buch auch viele traurige Momente hat.
Leider gleitet vieles Melodramatische dann doch in Kitsch ab, dies hat dann im Endeffekt meine Beurteilung des Buches doch negativ beeinflusst.

In den USA war das Buch ein großer Erfolg, vielleicht wird es dies auch in Europa? Denn es gibt viele Aspekte, die für ein erfolgreiches Buch sprechen: Kalifornien, Sonne, Musiker, College, Surfer, gut aussehende Menschen, tausendmal das Wort "sexy", Liebe und Leid. Vielleicht klappt es ja mit dem Erfolg.

Veröffentlicht am 16.01.2018

Mehr Tiefgang als erwartet

Ella
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Ella führt ein Bilderbuch-Leben: Zwei gut geratene Kinder, erfolgreicher Ehemann, schönes Haus. Und nebenher arbeitet sie ein wenig als freiberufliche Grafikerin und als Kunstlehrerin.


Und dann lernt ...

Ella führt ein Bilderbuch-Leben: Zwei gut geratene Kinder, erfolgreicher Ehemann, schönes Haus. Und nebenher arbeitet sie ein wenig als freiberufliche Grafikerin und als Kunstlehrerin.


Und dann lernt sie den Lehrerkollegen Martin kennen. Etliche Jahre jünger als sie. Und trotzdem verlieben sich die beiden ineinander. Und versuchen beide, dagegen anzukämpfen. Ella mehr als Martin, denn sie hat viel zu verlieren: Ihre intakte Familie, ihr Haus - einfach alles, was bisher ihr Leben ausmachte.


Es folgt ein schwieriger Entscheidungsprozess. Wie wird sich Ella entscheiden?


Eigentlich ist die Ausgangssituation recht klassisch - die Verlockungen einer neuen Liebe werden oft in Literatur oder Film behandelt.
Überrascht hat mich bei diesem Buch, mit welchem psychologischen Hintergrund und Tiefgang die Situation dargestellt wird. Nichts ist einfach nur schwarz oder weiß. Und eigentlich steckt hinter allen Beziehungskrisen auch eine persönliche Krise oder Entwicklung.


Manchmal war Ella etwas schwer zu ertragen in ihrer Unentschlossenheit und in ihren Zweifeln. Aber es war immer authentisch und nachvollziehbar.
Und es wurde gut dargestellt, wie Gefühle mit Macht über den Menschen kommen können - und man mit Vernunft dagegen wenig ausrichten kann.


Das Buch ist viel weniger ein seichter Unterhaltungsroman, als es vielleicht Cover und Inhaltsangabe vermitteln. Und die Entwicklung der Personen hat mich beim Lesen doch immer wieder überrascht.

Veröffentlicht am 09.01.2018

Spannender Thriller in Agatha-Christie-Stil

Woman in Cabin 10
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Ein abgeschlossener Ort (in diesem Fall eine Yacht), eine überschaubare Zahl von Anwesenden (in diesem Fall Gäste und Crew) und das rätselhafte Verschwinden einer Person (die es angeblich nie gegeben ...

Ein abgeschlossener Ort (in diesem Fall eine Yacht), eine überschaubare Zahl von Anwesenden (in diesem Fall Gäste und Crew) und das rätselhafte Verschwinden einer Person (die es angeblich nie gegeben hat) - fertig ist das Rezept für einen Thriller in Agatha-Christie-Manier.


Leider gibt es keine Miss Marple.
Sondern als "Ermittlerin" lediglich eine junge Frau, Anfang 30, bisher eher wenig erfolgreiche Journalistin und so unsicher und mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass sie sich zwar redlich bemüht - meist aber eher von einer Katastrophe in die nächste schlittert


Ansonsten sind Setting, Geschichte und Spannung jedoch gut konzipiert. Man kann mit diesem Buch durchaus ein spannendes Lese-Wochenende verbringen. Und zwischendurch fällt es sicher schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Denn durch geschickte Wendungen in der Geschichte, Vorgriffe auf die nahe Zukunft in Form von Emails und Social-Media-News bleibt die Geschichte stets spannend und überraschend.


Lediglich die Protagonistin ist gewöhnungsbedürftig. Mir persönlich war sie zu unsicher, verpeilt und kopflos. Es ist zwar normalerweise sympathisch, wenn Ermittler auch Schwächen haben - aber in diesem Fall war es mir wirklich too much - die Protagonistin stolpert von einem Fettnäpfchen ins Nächste. Und zwischendurch denkt man als Leser oft "oh nein". Das stört etwas das Lese-Vergnügen. Aber die spannende Geschichte und die geschickte Konstruktion machen dies weitgehend wieder wett. Daher eine klare Leseempfehlung.


Ach ja, das Ganze spielt auf einer Yacht, die eine Kreuzfahrt nach Norwegen macht. Aber wer jetzt Landschaftsbeschreibungen erwartet - der wird enttäuscht sein. Die meiste Zeit ist das Boot nur auf der stürmischen Nordsee - Fjorde gibt es erst ganz zum Schluss. Und nur recht kurz.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Die Gefahren der Jugend

Der gefährlichste Ort der Welt
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Mill Valley ist ein hübscher Ort im Speckgürtel von San Francisco. Hier ist die Landschaft schön, der Strand nicht weit entfernt, die Häuser teuer - hier wohnen also nur die Gutverdienenden oder die Reichen.


Die ...

Mill Valley ist ein hübscher Ort im Speckgürtel von San Francisco. Hier ist die Landschaft schön, der Strand nicht weit entfernt, die Häuser teuer - hier wohnen also nur die Gutverdienenden oder die Reichen.


Die Kinder, die hier aufwachsen, haben eigentlich optimale Bedingungen. Aber was machen sie daraus? Sind Kindheit und Jugend hier besser als anderswo?


Diese Frage beleuchtet die Autorin in ihrem Debütroman aus verschiedenen Blickwinkeln.


Da ist Tristan. Intelligent - aber leider vom Aussehen her komplett "uncool". Ohne richtige Freunde. Das kann auch seine bemühte und liebevolle alleinerziehende Mutter nicht ausgleichen. Und als er einem Mädchen einen Liebesbrief schreibt (weil er glaubt, endlich eine Gleichgesinnte gefunden zu haben), wird dieser auf Facebook veröffentlicht und belacht. Tristan kann dieses Mobbing nicht aushalten - und stürzt sich von der Golden Gate Bridge.


Dieser Selbstmord führt zu Hausarresten und Strafen für alle, die sich am Shitstorm beteiligt haben - aber was bewirkt er in den Köpfen dieser jungen Menschen im Laufe der nächsten Jahre?


Dies wird am Beispiel von Tristans Schulkameraden gezeigt. Da gibt es den attraktiven Schönling, in den alle Mädchen verliebt sind. Seinen Freund, der viel weniger attraktiv ist und seinen Frust in Gewalt auslebt. Einen eher ruhigen Jungen, der die hohen Erwartungen seiner Eltern an seine Schulkarriere und seine Noten sicher nicht erfüllen kann - und darüber fast verzweifelt. Den intelligenten Jungen, der gegen Geld Tests für die anderen schreibt - aber für sich selbst noch nicht den richtigen Weg gefunden hat.
Das wunderschöne Mädchen, das alle beneiden - aber im Grunde ist sie sehr einsam. Das nicht-hübsche, reiche Mädchen, das von den Eltern kaum beachtet wird und sich in eine Affäre mit einem Lehrer flüchtet. Ein nur auf eine Laufbahn als Tänzerin hin lebendes Mädchen - das sich aber privat weit weniger im Griff hat als in der Tanzschule. Sie alle denken manchmal über Tristan nach - aber sind ansonsten viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um richtige Konsequenzen aus dem Geschehen zu ziehen.


Und dann gibt es Calista, diejenige, die den Liebesbrief bekommen hat. Sie ist die Einzige, die richtig über den Selbstmord von Tristan nachdenkt, reflektiert und ihren Freundeskreis ändert. Mit ihr beginnt und endet die Geschichte.


Alle Jugendlichen sind auf eine gewisse Weise Stereotypen. Das ist das, was man dem Buch vorwerfen kann. Und es gibt eine Menge von stereotypen Katastrophen, die die Jugendlichen erleben (zu viel Alkohol, Verkehrsunfälle, Drogen, Scheidung der Eltern, Partys-die-im-Chaos-enden). So viel auf einmal ist sicherlich (oder hoffentlich?) dann doch nicht die Realität. Oder?


Jedenfalls bewahrt auch eine auf den ersten Blick behütete Jugend in einer wohlhabenden Gegend die Jugendlichen nicht vor Fehlentscheidungen und Problemen. Denn nicht der Ort, in dem man aufwächst, ist das Problem. Sondern das Alter - die Jugend. Und deshalb ist die MIttelschule "Der gefährlichste Ort der Welt".


In diesem Buch wird die vermeintlich schöne Fassade einer hübschen, wohlhabenden Stadt demaskiert. Zurück bleiben Jugendliche, die sich all zu schnell verlieren im Spannungsfeld zwischen Eltern, Cool-sein und Drogen. Und alles verstärkt dadurch, dass jede Verfehlung auf Social Media dokumentiert wird. Und dadurch um so mehr manifestiert wird.


Und die Eltern? Die stehen diesen Mechanismen weitgehend machtlos gegenüber. Sie versuchen zwar (teilweise) den Kontakt zu ihren Kindern zu halten - erwarten aber oft sehr viel von den Kindern. Denn die Eltern haben etwas erreicht. Gute Jobs, ein Haus in einem wohlhabenden Viertel - und die Kinder sollen möglichst noch mehr erreichen.


Dieses Buch wäre eine geeignete Schullektüre für die Klassen 5-7, da sowohl die negativen Wirkungen von Social Media als auch die Unsicherheiten von Jugendlichen sehr gut dargestellt werden. Ohne, dass der Zeigefinger erhoben wird. Es wird nur geschildert und beschrieben, die Interpretation kann jeder für sich finden.