Romeo und Julia in der Neuzeit
Ich muss zugeben, dass ich mit sehr geringen Erwartungen an das Buch herangegangen bin. Ich hätte es wohl nicht so bald gelesen, wenn ich nicht an der NotizBuch-Aktion von Sandra teilgenommen hätte. Vom ...
Ich muss zugeben, dass ich mit sehr geringen Erwartungen an das Buch herangegangen bin. Ich hätte es wohl nicht so bald gelesen, wenn ich nicht an der NotizBuch-Aktion von Sandra teilgenommen hätte. Vom Klappentext her hat es mich einfach nicht sofort umgehauen. Nach dem Lesen muss ich nun aber sagen, dass ich sehr froh bin, das Buch gelesen zu haben. Denn es war total schön!
Das Buch beginnt mit einem der Briefe, die Bianca regelmäßig an Daniele schreibt. In diesen Briefen berichtet sie von ihren Erlebnissen, aber hauptsächlich von ihren Gefühlen. Die Briefe sind sehr emotional, bewegend und sehr oft sehr traurig. Ihnen ist eine gewisse Sehnsucht anzumerken, manchmal auch Angst, sehr oft Unsicherheit. Im Laufe des Buches wird klar, wer Daniele ist und warum Bianca ihm Briefe schreibt. Dahinter steckt eine sehr bewegende Geschichte, die sehr prägend ist für die Charaktereigenschaften von Bianca und ihren Eltern. Die Briefe sind sehr persönlich und es gibt ungefähr zehn Stück von ihnen, die in unregelmäßigen Abständen zwischen den Kapiteln auftauchen. Sie sind im Gegensatz zum Rest des Buches aus der Ich-Perspektive von Bianca geschrieben und in diesen Briefen lernt man sie sehr gut kennen.
Ein Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig auf den zwischenmenschlichen Beziehungen. Biancas Eltern haben sich getrennt und nicht nur deren Beziehung untereinander wird thematisiert, sondern vor allem auch Biancas Beziehung sowohl zu ihrem Vater als auch zu ihrer Mutter. Beide Beziehungen sind sehr schwierig, würde ich mal sagen. Ihre Eltern sind sehr speziell und eigen und Bianca kann damit nur schwer umgehen, reagiert oft aufbrausend. Teilweise konnte ich das nachvollziehen, teilweise fand ich es aber auch etwas übertrieben. Na gut, Bianca hat auch einiges durchgemacht und steckt in einer schwierigen Phase, da kann man schon mal überreagieren.
Im Vordergrund steht aber natürlich Biancas Beziehung zu Manuel. Manuel ist ein Charakter mit mehreren Gesichtern. Er ist einerseits sehr zuvorkommend und liebenswürdig, sehr nett und hilfsbereit. Auf der anderen Seite ist er aber auch sehr gefährlich und angsteinflößend. Bianca und der Leser lernen schnell beide Seiten von ihm kennen und das ist wirklich sehr interessant. Ich habe Manuel meistens mehr gemocht als Bianca, weil sie mich mit ihrer aufbrausenden Art stellenweise etwas genervt hat. Manuel hat mich dagegen durchweg überzeugt und ich hatte an ihm nichts zu kritisieren. Dass Bianca sich Hals über Kopf in ihn verliebt, war für mich absolut nachvollziehbar. Er ist echt ein toller Typ. Nach einigen Startschwierigkeiten entwickelt sich zunächst eine Freundschaft, schnell aber eine tiefe Liebe zwischen den beiden. Mir ging es da stellenweise etwas zu schnell. Die beiden kennen sich noch nicht wirklich lange und vor allem nicht wirklich gut, da tauschen sie auf einmal schon Zärtlichkeiten aus und werden auch sehr schnell intim miteinander. Das hat mich sehr überrascht, aber gut. Die beiden sind eben temperamentvolle Italiener. Die entsprechende Szenen sind von der Autorin sehr liebevoll und romantisch beschrieben und haben mein Herz höher schlagen lassen.
Doch es gibt nicht nur schöne Szenen zwischen Manuel und Bianca. Im Gegenteil! Das Buch spielt in Italien und die Mafia hat einen großen Anteil an der Handlung. Der Klappentext verrät ja bereits, dass Manuel zu einem Mafia-Clan gehört, der Straftaten begeht und die Hüter des Gesetzes in Bewegung versetzt. Biancas Vater ist Richter und mit den Ermittlungen über Manuels Clan betraut. Das sorgt natürlich für enorme Spannungen und die beiden müssen ihre Liebesbeziehungen geheim halten. Dazu kommen Schwierigkeiten und Probleme innerhalb des Clans, die Manuel das Leben schwer machen. Mehr möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht verraten – das lest ihr am besten schön selbst. Ich kann aber so viel sagen: Die Autorin hat sich viele spannende und überraschende Momente einfallen lassen, um den Lesefluss konstant aufrecht zu erhalten. Es gibt eigentlich kaum Längen in diesem Buch.
Der Schreibstil der Autorin ist recht schnörkellos, aber doch fesselnd und überzeugend. Die Ausdrucksweise ist für ein Jugendbuch angemessen, das Buch liest sich leicht und schnell. An vielen Stellen, vor allem innerhalb der Dialoge, kommt ein feiner Humor zum Tragen, der für zusätzliches Lesevergnügen sorgt.
Ein Wort muss ich noch zum Ende des Buches verlieren: Ich habe mich das ganze Buch hindurch gefragt, wie es wohl ausgehen würde. Die Situation von Manuel und Bianca ist ausweglos, die beiden können einfach keine gemeinsame Zukunft haben. Meiner Meinung nach hat es sich die Autorin dann mit den letzten Seiten aber doch etwas zu einfach gemacht. Aber das ist sicherlich Geschmackssache...
Mein Fazit:
Ein überzeugender Jugendroman, der ein wenig an „Romeo und Julia“ in der Neuzeit erinnert, mit überraschenden Wendungen aufwartet und für ein angenehmes Lesevergnügen sorgt.