Die Frage die mir beim Lesen dieses Buches immer wieder kam war: Um was für eine Geschichte handelt es sich hier überhaupt? Eine richtig klare Antwort gibt es, glaube ich, nicht.
Penelope, die Protagonistin dieser Geschichte, ist im Prolog elf Jahre alt und möchte das Baby der Nachbarwohnung entführen, da sie befürchtet, es wird misshandelt. Es wird also sofort klar, dass sie sowohl mutig als auch voller Tatendrang ist und einen starken Sinn für Gerechtigkeit hat. Danach wird ihr Leben als Erwachsene wiedergespiegelt. Nach einem tragischen Schicksalsschlag, sechs Jahre zuvor, hat sie sich komplett verändert und quasi in einem Kokon weitestgehend von der Außenwelt abgeschottet. Handelt es sich hier also um eine Familiendrama?
Dann lernt sie allerdings ihren liebenswürdigen Nachbarn Jason kennen und die beiden verlieben sich, wodurch Penelope langsam etwas auftaut. Also eine Liebesgeschichte?
Bei einem ihrer ersten Dates treffen sie auf einen geheimnisvollen und angsteinflößenden Mann. Als kurz darauf eine Studentin verschwindet und Jason als Fall Analytiker mit in die Ermittlungen einbezogen wird, wird Penelope zur wichtigen Zeugin…also doch ein Krimi?
Darüber hinaus trifft man dann noch auf eine weitere Protagonistin, die schon in Hanni Münzers vorherigem Werk „Marlene“ aufgetreten ist, nämlich Trudi. Sie ist mittlerweile schon sehr alt und unheilbar krank. Trotzdem ist sie voller Lebenslust und eine wichtige Stütze in Penelopes Leben! Wie passt das jetzt noch in die Geschichte?
Hanni Münzer gelingt es, meiner Meinung nach, hier nicht, diese unterschiedlichen Handlungen schlüssig zu verknüpfen. Zwischendurch kam es mir einfach zu wirr und konfus vor, ohne richtigen roten Faden und Logik. Ich glaube es wäre besser gewesen hier vielleicht die eine oder andere Handlung zu streichen, z.B. diesen Fall den Jason aufklärt und der weder mit dem Rest der Handlung etwas zu tun, noch hier irgendwie rein passt. Das kam mir einfach wie ein Seitenfüller vor.
Das positivste dieser Geschichte war für mich mit Abstand Trudi. Obwohl sie nun eine betagte alte Dame ist, bringt sie viel Frische in die Geschichte. Sie ist lustig und lebensfroh. Sie hat viel durchgemacht in ihrer Vergangenheit, ist aber trotzdem unglaublich positiv. So als hätte sie einfach entschieden jetzt glücklich zu sein.
Ihr Vergangenheit im Holocaust wird aber nur in wenigen Sätzen angesprochen, so dass man der Geschichte auch problemlos folgen kann, wenn man "Marlene" nicht gelesen hat.
Penelope ist das genaue Gegenteil von Trudi. Bei jeder Begegnung zwischen Trudi und Penelope redet Trudi ihr ins Gewissen und zwingt sie dadurch, mehr und mehr mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Das war mir zwischendurch leider etwas zu langatmig, da sich die ständigen Parolen und Reden irgendwann wiederholen. Hätte das Buch den Titel „Penelopes Weg zurück ins Leben“ geheißen, wäre das auf jeden Fall viel treffender gewesen. Trotz alledem ist sie eine interessante, wenn auch schwierige Person. Und sie macht eine starke Verwandlung durch, die mir vor allem gegen Ende der Geschichte sehr gut gefallen hat.
Ihr Nachbar Jason, mit dem sie eine Beziehung eingeht, hilft ihr ebenfalls gewaltig. Er hat etwas von „Fells in der Brandung“ obwohl er auch unglaublich locker und lebensfroh ist. Ich fand ihn sehr sympatisch. Trotzdem muss ich sagen, dass mir die gesamte Geschichte wahrscheinlich besser gefallen hätte, wenn er komplett gestrichen worden wäre oder nur am Rande aufgetreten wäre. Es sind einfach zu viele Dinge, die hier gleichzeitig passieren und nicht zusammenpassen. Und offensichtlich hat Penelope auch noch Gefühle für ihren Ex-Mann. Die Frage, wie dieses Dreieck aufgedröselt wird, wird leider nur schwammig beantwortet.
Gegen Ende wird die Geschichte auf jeden Fall zunehmend emotional, was mir allerdings teilweise schon fast wieder zu sehr in Richtung Kitsch und Geheule abdriftet. Trotz alledem ist es ein zufriedenstellendes und positives Ende.
Fazit: Trudi ist der Stern am Himmel dieser Geschichte und sie hat mir mit Abstand am besten gefallen. Wer also herausfinden will, wie es ihr nach Marlene so ergangen ist, sollte dieses Buch auf jeden Fall lesen. An den Erfolg von Honigtot, dass ich absolut toll fand, kann Hanni Münzer meiner Meinung nach weder mit Marlene noch mit diesem Werk anschließen. Es wäre schöner gewesen, wenn Hanni Münzer sich auf einen klareren Handlungsverlauf beschränkt hätte, denn ich habe mich zwischendurch oft gefragt „Was will sie mir hier eigentlich gerade für eine Geschichte erzählen???“