Profilbild von skaramel

skaramel

Lesejury Profi
offline

skaramel ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit skaramel über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.02.2018

Die Witwe einer Generation

Olga
0

Bernhard Schlinks Name klingelt noch aus Schulzeiten in meinen Ohren. Damals noch ohne filmische Stütze las ich „Der Vorleser“ fast an einem Tag weg und schätzte Schlinks schnörkellose Art und Weise zu ...

Bernhard Schlinks Name klingelt noch aus Schulzeiten in meinen Ohren. Damals noch ohne filmische Stütze las ich „Der Vorleser“ fast an einem Tag weg und schätzte Schlinks schnörkellose Art und Weise zu Schreiben und dem Leser eine Epoche durch eine Geschichte viel näher zu bringen.
Als knapp fünfzehn Jahre später Olga auf dem Nachttisch lag, ging es ähnlich schnell. Schlink erzählt seine Geschichte über eine Waise aus Pommern, die sich durch alle Irrungen und Wirrungen des Lebens zu einer starken, wenn auch undurchsichtigen Person entwickelt. Vielleicht kein Publikumsliebling, aber jede Sturheit, jeder Starrsinn erklärt sich durch ihre Geschichte, die Schlink – in gewohnt guter Art – beschreibt.
Olgas Eltern verstarben früh, so dass sie bei der Großmutter aufwuchs. In der Schule und ihrem näheren Umfeld, wächst sie als Außenseiterin auf, die nicht nur bei der Arbeitswahl sondern auch bei den sozialen Kontakten an ihre Grenzen stößt. Nur bei der Familie des Gutsherrn und deren Kindern kann sie sich frei entfalten. Trotz aller Widrigkeiten schafft Olga ihre Ausbildung zur Lehrerin. Die Liebe zu Herbert, dem Sohn des Gutsherrn scheint vor Hindernissen kaum standhalten zu können. Sie die angehende Lehrerin, er der Abenteurer mit der Sehnsucht nach der Ferne.
Durch Schlinks Art und Weise die Geschichte in drei Teilen zu erzählen, kriegt der Leser einen unverbesserlichen Eindruck. Nicht, dass er so durch Olga Selbst, durch ihr Ziehkind und durch ihre Briefe an Herbert Olgas Charakter und Leben erklärt, so baut er selbst die Spannungen auf, erklärt und revidiert Entscheidungen. Jeder Teil ist ein kleines Puzzlestück mehr, das Olga, die zunächst harsch, bieder und hart wirkt, liebenswert und nachvollziehbarer macht. Es ist Olga, die ihren Werdegang erzählt, aber es ist Frederik, der ihr Tiefe und Gefühle verleiht und es sind die Briefe, die Olga erklären und als Liebende zeigen.
Bernhard Schlink macht also das, was er so kann: Kurze, prägnante Sätze mit Wissen, Geschichte und Stärke zu füllen. Olga ist wahrlich ein dünnes Buch, schnell gelesen – doch trotzdem gefüllt mit viel Potential zum Nachdenken, mit vielen Szenarien, die nachwirken, kleinen Anekdoten, die erst Stunden später nachwirken. Er spannt eine Figur ein, die sich selbst als „Witwe einer Generation“ tituliert und einer heutigen Zeit vor Augen führt wie es war zwei Weltkriege zu überleben, sich selbst hintenanzustellen und den Ansichten ihrer engsten Vertrauten kritisch gegenüber zustehen. Sei es die politische Haltung Herberts, der als Freiwilliger der Schutztruppe nach Deutsch-Südwestafrika geht oder auch Eik, der mit der NSDAP sympathisiert.
Es sind viele Themen für eine kleine Frau, viele Themen für ein so kleines Buch, doch Schlink gelingt es den Bogen zu spannen und aus Olga mehr zu machen als nur einen kleinen Roman für zwischendurch.

Veröffentlicht am 18.01.2018

Da hast du mein Leben..

Highway to heaven
0

Frühzeitig Mutter geworden, alleinerziehend, immer für das Kind da – Anette hat sich nie beschwert. Sie hat ihre Rolle als Mutter geliebt, hat Emma eine wohlige und schöne Kindheit geschenkt, aber dabei ...

Frühzeitig Mutter geworden, alleinerziehend, immer für das Kind da – Anette hat sich nie beschwert. Sie hat ihre Rolle als Mutter geliebt, hat Emma eine wohlige und schöne Kindheit geschenkt, aber dabei eins getan: sich selbst vernachlässigt. Das merkt sie jetzt, denn Emma ist auf dem Weg nach Karlskrona, um dort zu studieren. Erst da wird Anette schlagartig klar, dass sie nun auf sich selbst gestellt ist und wieder ihr Leben übernehmen muss.
Aber was macht man auf einmal mit der vielen Zeit? Womit fängt man an? Welche Liste arbeitet man zuerst ab und vor allem: will man das? Denn eigentlich ist man doch an den gemeinsamen Trott gewöhnt und ehe man sich versieht zählt man die Tage bis das Kind heim kommt oder man es besuchen fährt. Diese Frage ist der zentrale Ausgangspunkt „Highway to heaven“s. Drum herum webt Katarina Bivalds eine kleine, feine Geschichte um eine Mutter, die gegen die Einsam- und Lustlosigkeit mit dem Motorradfahren anfängt, wieder eine Kneipe betritt und einen Mann in ihr Leben lässt. Gemixt wird das Ganze mit einem schönen schwedischen Flair, der das ganze muckelig und angenehm werden lässt.
Die Charaktere sind stimmig, liebevoll gestaltet und vor allem sympathisch. Man muss keine Mutter sein, um Anettes Gedanken zu verstehen und so freut man sich über jeden kleinen Schritt, den sie in Richtung Leben, Liebe und Wohlfühlen tut.
Und genau das ist das Schöne an „Highway to Heaven“. Es ist keine Liebesgeschichte, in der die Protagonistin nach dem Auszug ihrer Tochter ihr Leben einem Mann in die Hände wirft. Nein, es ist eine kleine zauberhafte Geschichte, die sich vor allem um eine Frau dreht, die ihr Leben richtet, zu sich selbst findet und dabei tolle Menschen findet, ganz vorne aber vor allem sich selbst. Ein kleines Buch, schnell gelesen, für kuschelige Abende auf der Couch, liebevoll erzählt, gespickt mit der großen Liebe zu Schweden, Menschen und Gemütlichkeit.

Veröffentlicht am 05.10.2017

Eiskalte Rache

SOG
1

Wie soll man richtig handeln, wenn man in einer Zeitkapsel Morddrohungen findet? Die Briefe, Wünsche und Prophezeiungen sind immerhin schon zehn Jahre alt als sie bei Kommissar Huldar auf dem Tisch landen. ...

Wie soll man richtig handeln, wenn man in einer Zeitkapsel Morddrohungen findet? Die Briefe, Wünsche und Prophezeiungen sind immerhin schon zehn Jahre alt als sie bei Kommissar Huldar auf dem Tisch landen. Ignorieren? Ermitteln? Es war doch nur eine Schulaufgabe, in denen Kinder sagen sollten, wie sie sich die Welt in 10 Jahren vorstellen. Doch trotzdem ist die Liste mit Initialen der potentiellen Opfer besorgniserregend und als dann noch in kurzen Abständen zwei schwer entstellte Leichen auftauchen, kann die Polizei nicht anders als alles miteinander zu verknüpfen.
Gekonnt wie eh und je wirft uns Yrsa Sigurdardóttir in die Geschichte von SOG, dem zweiten Teil ihrer neuen Reihe um den Ermittler Huldar und die Kinderpsychologin Freya. Beide noch beruflich angeschlagen dank ihrer abstrusen und nicht ganz konformen Ermittlung des ersten Bandes, stehen nun vor einem neuen Fall, der zu Beginn nicht chaotischer sein könnte. Doch trotzdem ermitteln die Beiden über alle Hürden hinweg, fügen lose Enden zusammen und nicht nur einen Teil ihres Rufs, sondern auch ihrer Beziehung wieder auf. Zwischenmenschlich kriegen wir auch mehr geboten. Huldar nimmt – in gewohnter Manier – jedes Fettnäpfchen mit, Freya hingegen versteht weiterhin viel falsch.
Gewohnt dunkel, kühl und düster – ein typischer Islandkrimi, wie wir ihn spezial von Yrsa Sigurdardóttir gewohnt sind. Ihr Schreibstil ist weiterhin fantastisch, schön rau und schnörkellos. SOG fesselt ab der ersten Seite und lenkt auch gekonnte Krimileser auf deutlich falsche Spuren, so dass das Ende noch sehr lange unerkannt bleibt.
Wer nun – wie ich - Dóra Gudmundsdóttir vermisst, der hat spätestens mit dem zweiten Band Huldar und Freyja als neue Weggefährten gefunden, die zwar unserer Rechtsanwältin nicht das Wasser reichen können, aber auf ihre eigene liebenswerte Weise die Geschichten tragen. Die Reihe hat um die beiden hat sich auch gut weiterentwickelt. DNA war ein solider, angenehmer Krimi, SOG hingegen ist an Spannung und Handlung wesentlich umfangreicher und ausgereifter, so dass die Hoffnung und Erwartung auf den dritten Band direkt steigt.

Veröffentlicht am 14.08.2017

Rasanter Thriller mit der perfekten Prise Cross!

Spectrum
1

Eine unknackbare, sichere Möglichkeit wertvolle Dinge aufzubewahren, das ist GoBox. Hier kann alles verwahrt werden, was von größter Wichtigkeit ist. Die Tresore liegen unter der Erde, Zugang nur mit Retinascan ...

Eine unknackbare, sichere Möglichkeit wertvolle Dinge aufzubewahren, das ist GoBox. Hier kann alles verwahrt werden, was von größter Wichtigkeit ist. Die Tresore liegen unter der Erde, Zugang nur mit Retinascan und diversen Ausweisen. Aber was, wenn ein paar Kriminelle, gerade dabei sind diesen unknackbaren Tresor auszurauben, es ihnen sogar gelingt und sie dann aus einer vollkommen umstellten Filiale ohne Aufsehen verschwinden? Dann ist sogar das FBI ratlos und zieht ihren neusten Berater Dr. August Burke hinzu. Wunderlich und anders, dafür mit einem Blick für Details, die den meisten verborgen bleiben.

Für den Auftakt seiner neuen Thriller-Reihe „Spectrum“ suchte der Autor der Sheperd-Bücher nach einem neuen noch nicht da gewesenen Protagonisten. Mit Burke, der unter dem Asperger-Syndrom leidet, hat er das geschafft. Es hat ein bisschen was von Sherlock Holmes, die Fähigkeiten durch Verworrenheiten eines Falles sehen zu können, gleichzeitig anderen aber in der sozialen Interaktion mit seinen neuen Kollegen hindert. Das macht das Konzept des neuen Buches aber gleich auch spannender. Burkes agiert nicht alleine, weil – wahrscheinlich auch durch seine Erkrankung – eine allein tragende Rolle zu viel für den Charakter gewesen wäre. Daher schrieb Cross ihm den FBI Agent Carter an die Seite und gesellte noch den Polizisten Nic dazu. Die drei ergeben eine gute Grundlage für ein wildgemischtes Trio und bügeln alle die Schwächen des anderen aus.

Die Geschichte ist typisch Ethan Cross – spannend, verworren und actiongeladen. Letzteres jedoch nicht im Stile von der Sheperd-Reihe, die oftmals wie ein abgelehntes Drehbuch wirkte, das Grundlage für die Romane wurde. Explosionen, wilde Verfolgungsjagden – Seite um Seite wurde aufgetrumpft und es noch gewaltiger gemacht. Während die Reihe um Ackermann zwar stets spannend war, aber oftmals die Substanz fehlte, kommt Spectrum ganz anders daher. Viele Abschnitte sind komplex, keine „schnell-lesen“-Kapitel und brauchen Verständnis und Aufmerksamkeit. Ein schöner neuer Aspekt, der dem Buch den Status der „Eintagsfliege“ genommen hat.
Das Leseerlebnis bleibt aber cross-like. Die Kapitel sind kurz, knackig und eignen sich perfekt, um schnell noch eins zu lesen. Einzig und allein die verschiedenen Handlungsstränge verhindern das sofortige Einfinden in die Geschichte. Die ersten Seiten sind teilweise sehr verworren, da sowohl die Sicht der Täter, der Polizisten und anderen Charakteren, deren Erscheinen erst mit der Zeit Sinn ergibt, beschrieben werden. Doch ist diese Hürde genommen, macht das Buch wahnsinnig Spaß. Burke, Carter und Nic wachsen einem schnell ans Herz und die Geschichte hat genug Drehungen, Irrungen und Wirrungen, so dass die Auflösung lange genug im Dunkeln bleibt.

All das lässt die Vorfreude auf den zweiten Teil wachsen, etabliert Cross auch mit seiner neuen Reihe im Thrillergenre und beweist, dass er auch andere Ideen haben kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Figuren
  • Atmosphäre
  • Spannung
Veröffentlicht am 08.08.2017

Von Unsicherheiten, der ersten Liebe und Zauberern

Fangirl
0

Cath war noch nie alleine. Dazu hatte sie noch nie Grund, denn sie ist ein eineiiger Zwilling. Ihre Schwester Wren teilte nicht nur ein Zimmer mit ihr, sondern auch ihr ganzes Leben sowie ihre Leidenschaft ...

Cath war noch nie alleine. Dazu hatte sie noch nie Grund, denn sie ist ein eineiiger Zwilling. Ihre Schwester Wren teilte nicht nur ein Zimmer mit ihr, sondern auch ihr ganzes Leben sowie ihre Leidenschaft für Simon Snow. Über ihn schreibt Cath ihre eigenen Geschichten, die im Internet höchste Begeisterung auslösen. Doch jetzt wo das College naht, scheint ihr Leben sich drastisch zu verändern, denn Wren will auf einmal kein gemeinsames Zimmer. Doch was macht Cath nun, die ganz und gar anders als Wren ist und lieber zuhause Geschichten schreibt statt auf Studentenpartys zu feiern?

Rainbow Rowell, auch bekannt als Autorin von Eleanor & Park, hat mit „Fangirl“ einen Roman geschrieben, der so viele Thematiken, die einem nicht fremd sind, beherbergt, dass der Leser manchmal nur sentimental nicken kann und die nächste Seite umschlägt. Ein Buch nicht zwangsläufig nur über das Erwachsen werden, dem College und der ersten Liebe, sondern ein Buch über das Ausbrechen aus dem Gewohnten und dem an sich selbst wachsen.

Cath ist eine schwierige Protagonistin, so schwierig, dass sie es sogar selbst weiß. Denn als Zwilling kann sie sich quasi "in anders" vorstellen, denn Wren, ihre Zwillingsschwester, scheint komplett anders geraten zu sein: unkompliziert, sozial, lebenslustig. Wren mag Partys, Freunde und das Ungewisse - Cath hingegen schreibt FanFiction, sitzt gerne zuhause und stellt sich ungern in den Mittelpunkt. Als dann aber das College anfängt und Wren ihre Schwester quasi zum Abnabeln zwingt, steht Cath schlagartig vor vielen ihrer Ängste. Diese sind nicht zwangsläufig typische Probleme eines Jugendbuchromans, sondern unsere alltäglichen Probleme, geschickt verpackt in das Setting eines Jugendbuchromans.

Was man also erwartet? Eine süße, kleine Liebesgeschichte, gespickt mit Geschichten über Simon Snow, einem selbst erschaffenen Zauber von Rainbow Rowell, der vielleicht einem Harry Potter gleichkommt und dem sie sogar auch ein eigenes Buch gewidmet hat (gleichzeitig erschienen mit Fangirl). Was man stattdessen bekommt? Eine tiefsinnige Geschichte über alle Unsicherheiten, die man selbst schon mal gespürt hat und einen männlichen Hauptcharakter, von dem sich alle noch eine Scheibe abschneiden können. Ein Hoch auf Levi, den anständigsten und sympathischen Loveinterest der letzten Jahre. Was haben wir uns alle an die sportlichen, gleichzeitig nerdigen aber vor allem Badboys aller Kleinmädchenfantasien gewöhnt? Und wen packt Rainbow Rowell aus? Den wohl herzallerliebsten Sidekick, den ich in den letzten Jahren zu lesen bekommen habe. Hätte mich das Buch nicht schon überzeugt gehabt, Levi hätte es getan. Ich wage auch die These aufzustellen, dass Levi mit all seinen Ecken und Kanten, seinen Taten und seinen Worten fast mehr Tiefe als Cath oder Wren haben.

Trotz allem tue ich mich mit der Rezension schwer, denn auch, wenn wir hier ein wunderbar süßes Buch vor uns haben, so habe ich mit Rowell doch meine Probleme. Es ist gut, ich habe es schnell gelesen, die Seiten flogen nur so, aber egal wie sie es auch dreht, mir fehlt immer etwas an ihren Büchern. Das kleine I-Tüpfelchen, die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Denn sobald ich eins von ihren Werken beende, bleibt immer ein kaum fassbares Gefühl übrig. Ein kleines: Hm? Trotzdem blinken da oben 4-Sterne, denn es ist gut, wirklich sehr gut - aber diesen letzten Kick, den kriegt Rowell leider nicht hin. Vielleicht, wenn wir das nächste Mal jemanden wie Levi begleiten dürfen.