Italien, 1501: Während Papst Alexander und sein Sohn Cesare von Piombino aus nach Rom segeln, ist Lucrezia, die Tochter des Papstes, auf dem Landweg nach Ferrara unterwegs um ihren dritten Ehemann, den Erben des Hauses d'Este, zu heiraten. Ihre Reise soll ein Triumphzug für die Borgia sein, die in den vergangenen Jahren immer mehr Städte in Italien unterworfen haben, denn Cesare ist wie sein antiker Namensvetter ein begnadeter Feldherr und träumt von einem geeinten Italien unter der Führung seiner Familie. Lucrezia erfüllt ihre Mission vorbildlich, trotz der üblen Gerüchte, die sich um sie ranken, liegt ganz Italien der charismatischen, jungen Frau zu Füssen. Ganz Italien? Ja, ganz Italien, abgesehen von den d'Este, der Familie ihres zukünftigen Ehemanns, die eine Verbindung mit der Bastardtochter des ausländischen Papstes als weit unter der Würde ihrer alten Adelsfamilie ansehen.
In Der Palast der Borgia begann Sarah Dunant, den kometenhaften Aufstieg des Rodrigo Borgia, Protegé und Neffe des Papstes Calixtus III., und damit auch seiner Schar unehelicher Kinder, zu schildern. Mit Die letzte Borgia wird der Faden nun weitergesponnen, und die letzten Jahre von Alexanders / Rodrigos Pontifikat stehen im Mittelpunkt, ebenso wie der Versuch, Macht und Einfluss seiner Familie über seinen Tod hinaus für die nächste Generation zu erhalten.
Hätte sich ein Schriftsteller die Geschichte der Familie Borgia ausgedacht, käme man als Leser wahrscheinlich nicht umhin, sie für eine richtige Räuberpistole zu halten, in der so viel Unglaubliches zusammentrifft, dass es eben einfach nicht mehr glaubwürdig wirkt. Ein Papst, der Orgien veranstaltet, offen mit seiner Geliebten zusammenlebt und seine zahlreichen Nachkommen stolz der ganzen Welt präsentiert, statt sie angemessen verschämt als Neffen und Nichten auszugeben. Und ein Papst, dem das Wohl seiner unehelichen Kinder mehr am Herzen zu liegen scheint, als das der Kirche, und der über Leichen geht, um sich für seine dynastischen Pläne die Taschen aus den Truhen des Vatikan zu füllen.
Doch das Leben dieses Papstes ist in zahlreichen Quellen gut dokumentiert, sein Zeremonienmeister Burchard beispielsweise führte akribisch Tagebuch, und hat damit der Nachwelt einen detailreichen Zeitzeugenbericht aus dem engsten Umfeld des Papstes hinterlassen. Das Literaturverzeichnis am Ende des Buches verdeutlicht, dass Sarah Dunant es mit der Recherche für ihre historischen Romane sehr genau nimmt, und nah an den tatsächlich dokumentierten Meilensteinen der Borgia bleibt (ebenfalls am Schluss in einer Zeittafel nachzulesen).
Trotzdem hält man hier kein trocken-langweiliges Geschichtsbuch in Händen, sondern einen fesselnden, historischen Roman, der einen in diese aufregende Epoche der beginnenden Renaissance, voller Intrigen und Machtspielchen zwischen zahlreichen Königreichen und dem Heiligen Stuhl, abtauchen lässt. Die Lücken der Geschichtsschreibung werden schlüssig gefüllt und man bekommt hier ein ausgewogeneres Bild über die Borgia als es die Chronisten nach Papst Alexanders Tod zeichneten. Alexander wird nicht nur als machtgieriger Kirchenfürst, sondern auch als liebender Familienvater, Cesare nicht nur als vom Größenwahn zerfressener Emporkömmling, sondern als weitsichtiger Feldherr, und Lucrezia nicht als skrupellose Giftmörderin, sondern als die geachtete, geliebte und kunstinteressierte Fürstin, die sie wohl auch gewesen ist, gezeichnet.
Obwohl man diesen Roman auch sehr gut für sich alleine lesen kann, weil auf wichtige Geschehnisse der frühen Jahre immer wieder Bezug genommen wird, würde ich trotzdem empfehlen, zuerst zu Der Palast der Borgia zu greifen. Diese beiden Bücher zusammen decken die komplette Amtszeit Alexanders ab, und erzählen eine spektakuläre Familiengeschichte, von der man eigentlich keine Zeile verpassen sollte.