Unbequemer, ungewöhnlicher Krimi, der verstört, aber auch ans Buch fesselt
JanusmondChristian Mirambeaus Welt ist in Ordnung. Er liebt seinen Job als Polizist und auch seine Frau, mit der er zwei Kinder hat und im beschaulichen französischen Örtchen Louisson lebt. Das ändert sich jedoch, ...
Christian Mirambeaus Welt ist in Ordnung. Er liebt seinen Job als Polizist und auch seine Frau, mit der er zwei Kinder hat und im beschaulichen französischen Örtchen Louisson lebt. Das ändert sich jedoch, als er den undurchsichtigen Leon Bernberg kennenlernt. Dieser ist nach Louisson gekommen, um seine Zwillingsschwester Lune für tot erklären zu lassen, die vor zehn Jahren in dem Ort lebte und plötzlich verschwand. Doch statt Leon einfach den nötigen Schrieb auszuhändigen, damit dieser zurück nach Deutschland reisen kann, beschließt Christian kurzerhand, Leon zu helfen, weil er Mitleid mit dem jungen Mann hat.
Dieses Mitleid kommt Christian allerdings teuer zu stehen, als er mehr über das Zwillingspaar und ihre Herkunft erfährt. Und dennoch, trotz der grausamen Dinge, die den beiden anscheinend angetan wurden, fühlt sich Christian durch die intensiven Erzählungen von Leon über dessen Schwester, zu Lunes eigenwilligem Wesen hingezogen. Plötzlich wird es für ihn eine persönliche Sache, nachzuforschen, ob Lune wirklich tot ist oder womöglich lebt. Zudem sterben ehemalige Bekannte aus Lunes damaligem Umfeld, so dass Christians Arbeitseifer, sehr zum Verdruss seiner Ehefrau, stetig zunimmt.
Leons Erzählungen zeichnen ein ungewöhnliches Bild von Lune. So hatte sie vor ihrem Tod viele Männerbekanntschaften, hielt sich in zwielichtigen Lokalen auf und schien es geradezu darauf angelegt zu haben, das Leben in vollen Zügen auszukosten- ohne Rücksicht auf Verluste und frei von allen Ängsten. Mit ihrem Verhalten brach sie zahlreiche Männerherzen; kann es möglich sein, dass ein ehemaliger, abgewiesener Verehrer schließlich zum Mörder wurde?
„Janusmond“ von Mia Winter ist keine leichte Krimikost. Man sollte schon vorgewarnt sein, wenn man zu diesem Roman greift, dass während die Handlung langsam voranschreitet, stets eine unterschwellig dunkle, melancholische Stimmung im Roman vorherrscht, auch wenn die Dialoge zwischen Christian und seinem lettischen Kollegen, dem Leser durchaus einige amüsante Momente bescheren. Schon das sehr dunkel gehaltene Buchcover nebst der geschwärzten Seitenumrandung suggeriert einem das ein, was man beim Lesen von „Janusmond“ letztendlich auch erhält. Eine Geschichte, über Menschen, die sich am Rande von Gut und Böse bewegen, die einsam sind oder verzweifelt und auf vielfältige Weise versuchen, Liebe zu finden.
Lune ist Dreh und Angelpunkt des Ganzen. Sie, die mit dem Gedanken leben muss, dass ihr Leben schneller vorbei sein könnte, als ihr lieb ist, denn sie leidet seit ihrer Kindheit an einer Herzschwäche, versucht durch ihr widersprüchliches Verhalten das Leben bis auf jeden Tropfen auszukosten. Ihre Gedankenwelt ist die einer Philosophin, ihre Optik und ihr Verhalten einem Chamäleon gleich; sie ist jederzeit bereit dazu, sich „eine andere Haut“ überzustreifen, was sie nicht nur rätselhaft, sondern besonders für die Männerwelt auch so anziehend macht.
Jedoch erfahren wir Leser alles Wissenswerte über Lune und ihre Begegnungen in Louisson viele Jahre zuvor, lediglich aus dem „Off“; erzählt von Leon oder aber aus von ihr geschriebenen Briefen, die einem Lune ein wenig näher bringen.
Leons wahre Natur bleibt dem Leser jedoch über lange Strecken verborgen. Man kann lediglich ahnen, was ihn antreibt. Allerdings fand ich ihn für meinen Lesegeschmack nicht rätselhaft genug gestrickt.
Vielleicht hätte Mia Winter die Einblicke in Leons und Lunes Kindheit erst zu späterem Zeitpunkt geben sollen, dann hätte der Spannungsbogen konstanter aufrecht gehalten werden können.
Die psychologische Komponente nimmt in „Janusmond“ überhaupt eine große Rolle ein und auch Lunes Gedankenwelt ist so komplex, dass man sich etwas schwer mit ihrem schwer zugängigen, sperrigen Charakter tut.
„Janusmond“ wirkte auf mich eher wie ein düsterer Selbstfindungsroman in dem (zum Teil) schwer gestörte Menschen versuchen, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und zu (über)leben. Zwar findet sich durchaus auch eine Krimihandlung, doch die wirkt fast nebensächlich und für meinen Geschmack etwas lieblos eingefügt, da die Autorin gewisse Personen und deren Seelenleben so sehr in den Fokus rückt, dass sie der Krimihandlung nicht mehr genug Raum zur Entfaltung geben.
Ob einem der Roman gefällt oder nicht, liegt dann letztendlich wohl daran, ob man Interesse daran hat, etwas über dunkle Abgründe in Menschenseelen erfahren zu wollen, offen ist für philosophische Einstreuungen und damit leben kann, dass die reine Krimihandlung nicht unbedingt spannend, bzw. glaubwürdig wirkt. (Ein Polizist würde wohl kaum einen Mann, der durchaus auch zum Kreis der Verdächtigen rund um Lunes Verschwinden gehört, in sein Haus aufnehmen, wo Frau und Kinder leben)
Obwohl es doch hier und da ein paar Kritikpunkte meinerseits gab, möchte ich aber dennoch 4 von 5 Punkten für diesen Roman vergeben, weil die Autorin zum einen, einen sehr ansprechenden Erzählstil hat und zum anderen, weil die Charakterisierung der Akteure in diesem Buch unglaublich gelungen und vielschichtig ist. Man fühlt sich zwar nicht wohl, wenn einem als Leser die Gedankenwelt gewisser Protagonisten geboten wird und möchte manchmal am liebsten, wenn Schilderungen zu intensiv werden, weiterblättern, bleibt aber dann doch am Ball, weil man unbedingt erfahren möchte, was aus Lune geworden ist.
Kurz gefasst: Unbequemer, ungewöhnlicher Krimi, der verstört, aber auch ans Buch fesselt!