Netter, wenn auch nicht überragender Historical der Autorin, mit einem etwas beliebigen Heldenpaar ausgestattet, der jedoch durch familiäre Atmosphäre punkten kann
Verlockung der LeidenschaftJonathan, der Earl of Augustine ist ein enfant terrible des „ton“. Jüngst erbte er zwar den Titel seines verstorbenen Vaters, doch seine Herkunft, auch wenn sie legitimer Natur ist, gilt dennoch als zweifelhaft ...
Jonathan, der Earl of Augustine ist ein enfant terrible des „ton“. Jüngst erbte er zwar den Titel seines verstorbenen Vaters, doch seine Herkunft, auch wenn sie legitimer Natur ist, gilt dennoch als zweifelhaft in der „guten Gesellschaft“. Jonathans ebenfalls verstorbene Mutter trug nämlich sowohl französisches, als auch indianisches Blut in sich. Zudem brüskiert sich die engstirnige englische Gesellschaft darüber, dass Jonathan, der in Amerika aufwuchs, eine uneheliche Tochter hat und zudem auch noch mit einer Halbschwester aufwarten kann, die nach einem Fehltritt mit einem Mann der dann eine andere heiratete, restlos ruiniert ist.
Ausgerechnet Jonathan ist es dann auch, der sich, da auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht unbedingt bewandert, auf einem Ball Lady Cecily gegenüber einen wahren Fauxpas leistet, über den die Gesellschaft noch Tage später spricht.
Doch Lady Cecily ist alles andere als erschrocken über das freimütige Verhalten des Earls of Augustine. Vielmehr weckt sein attraktives Äußeres und seine offene unverstellte Art ihr Interesse. Doch Cecily soll wenn es nach ihrem Vater geht, Lord Dury, einen Freund ihres Bruders heiraten. Lord Dury ist jedoch alles andere als der Mann ihrer Wahl. Zwar attraktiv, doch auch sehr zurückhaltend in seinem Verhalten. Cecily mutmaßt, dass Lord Dury eigentlich Gefühle für ihre Schwester Eleanor hegt und schmiedet Pläne, um Lord Dury und ihre Schwester doch noch zusammenbringen zu können. Diese Pläne beinhalten aber auch eine Scheinverlobung mit Jonathan. Wird dieser sich auf Cecilys Pläne einlassen?
Zugegeben, anfangs benötigte ich einiges an Durchhaltevermögen, um den Roman nicht gleich nach Seite 60 wieder zur Seite zu legen, da die Autorin es meiner Meinung nach einfach zu gut mit dem Einführen von Haupt und Nebenfiguren meint. Sowohl Jonathans und Cecilys Familien sind nicht unbedingt klein zu nennen; dazu wechselt die Autorin zu oft zwischen den sich anbahnenden Liebesgeschichten hin und her bzw. versucht einfach zu schnell alle Akteure vorzustellen, was mich beim Lesen sowohl verwirrte als auch leichte nervte.
Obwohl „Verlockung der Leidenschaft“ durchaus seine Stärken besitzt; hat man einmal begriffen, welche Akteure zusammengehören und welche Verbindung sie miteinander haben, komme ich doch nicht umhin auch einiges an Kritik abzugeben.
Zwar hat sich Emma Wildes bemüht einen interessanten Hintergrund für ihren Helden zu erschaffen, der dafür sorgen soll, dass Jonathan sich von der breiten, langweiligen englischen Aristokratie abgrenzt, doch schrieb sie ihm leider dabei Situationen auf den Leib, die so gar nicht möglich gewesen wären oder aber andererseits künstlich aufgebauscht wirken. Statt ihren Helden allein durch sein männliches Auftreten und seine „modernen Auffassungen“ in den Fokus zu stellen, schafft sie eine Art „beliebigen Mitläufer“ der einfach zu schnell einknickt, es allen Recht machen möchte und nur in wenigen Momenten etwas von seinem Hang zur Abenteuerlust durchblitzen lässt.
Auch Cecily weiß eigentlich genau was sie will und da sämtliche Steine, die dem Paar im Weg liegen so bereitwillig und vorschnell von der Autorin aus dem Weg geräumt werden, bleibt die Spannung leider etwas auf der Strecke. Zudem war der eingebaute Krimi-Nebenplot nicht der Rede wert und entfaltet sich einfach zu spät um noch irgendwelche Auswirkungen auf die Story haben zu können.
Selbst Jonathans Tochter hat leider nur kleine Miniauftritte in diesem Roman und ehrlich gesagt hätte ich mir mehr gemeinsame Gespräche zwischen ihr und Cecily gewünscht.
Die großen Pluspunkte, die dann am Ende für eine bessere Bewertung meinerseits sorgten waren Emma Wildes Schreibstil (auch wenn ich die ersten 50 Seiten vom Stil und Ausdruck her als etwas holprig zu lesen empfand; vielleicht lag es an der Übersetzung?) und ihre unermüdlichen Bemühungen, den Nebenfiguren dieses Romans ebenfalls charakterliche Tiefe auf den Leib zu schreiben, was ihr meiner Meinung nach zum Teil sehr gut gelungen ist. Die familiäre Atmosphäre die in diesem Roman vorherrscht, hat mich dann auch etwas milder gestimmt und bereits sehr neugierig auf die Geschichte einer von Jonathans Halbschwestern werden lassen.
Zu Emma Wildes Angewohnheiten gehört es, stets zwei Liebespaare in einem Roman zusammenzubringen. Und wie so oft fand ich auch dieses Mal das Paar, das eigentlich aus Nebenfiguren besteht, interessanter als das eigentliche Heldenpaar. Cecilys Schwester Eleanor, eine gebildete Frau die kein Blatt vor den Mund nimmt trifft dabei auf keinen geringeren als Cecilys eigentlichen Verlobten…
Kurz gefasst: Netter, wenn auch nicht überragender Historical der Autorin, mit einem etwas beliebigen Heldenpaar ausgestattet, der jedoch durch familiäre Atmosphäre punkten kann.