Spannender Tagebuchroman, der alle Grenzen überschreitet — ein verrückter Ritt durch die Prüderie Japans und dessen Gepflogenheiten.
Zunächst nur neugierig durch das wunderschöne Cover und die Gestaltung, hat mich dann spätestens der Klappentext komplett abgeholt: Die Rede ist vom Tagebuchroman „Der Schlüssel“von Junichiro Tanizaki. ...
Zunächst nur neugierig durch das wunderschöne Cover und die Gestaltung, hat mich dann spätestens der Klappentext komplett abgeholt: Die Rede ist vom Tagebuchroman „Der Schlüssel“von Junichiro Tanizaki. In den 50er Jahren zuerst erschienen, kam der Roman mit einer fantasievollen und teilweise leider unpassenden Übersetzung zu uns nach Deutschland, weshalb sich der Cass Verlag, der sich auf japanische Literatur spezialisiert hat, entschloss, den japanischen Klassiker neu zu übersetzen. Heraus kam ein Roman, wie ich ihn zuvor noch nicht gelesen habe: Ikuko und ihr Mann, der als einziger namenlos bleibt, sind bereits seit 20 Jahren verheiratet. Im Schlafzimmer läuft es allerdings für beide Parteien nicht so, wie sie es sich vorstellen. Während Ikuko ihren Mann „ohne Perversitäten“ im abgedunkelten Schlafzimmer empfangen würde, dürstet es dem Professor danach, seine Frau nach zwanzig Ehejahren endlich einmal nackt zu sehen. Man muss vielleicht noch erwähnen, dass Ikuko streng konservativ erzogen wurde und deshalb nicht weiß, wie sie mit ihrer Scham vor diesem höchst privaten Thema umgehen soll. Weil der Professor seine Frau nicht auf dieses heikle Thema ansprechen möchte und Ikuko der Meinung ist, dass es sich nicht geziemt, beginnt er, seine Tagebucheinträge direkt an seine Frau zu richten. Denn er weiß, dass sie weiß, wo er sein Tagebuch aufbewahrt und vermutet auch, dass sie darin stöbert, also lässt er fortan den Schlüssel dazu scheinbar unabsichtlich an einer offenen Stelle liegen. Ikuko, die derweil auch mit dem Tagebuchschreiben begonnen hat, liest es natürlich nicht, blättert lediglich darin, ohne sich die Wörter anzusehen. Und so entspinnt sich zwischen den beiden über ihre Tagebücher hinweg ein Dialog, während sie stets vorgeben, das Tagebuch des anderes nicht zu lesen. Zunächst bewegt das Ehepaar sich auf einem sicheren Gebiet, doch als der Freund ihrer Tochter Toshiko, Kimura, hinzukommt, gerät das Ganze schnell aus den Fugen…
Halb hasse ich meinen Mann, halb liebe ich ihn. Eigentlich passen wir nicht zusammen, aber deshalb suche ich mir nicht einfach einen anderen. Der Grundsatz der ehrsamen Ehefrau ist so tief in mir verankert, dass ich mich nicht darüber hinwegsetzen kann. Die zudringliche, perverse Art und Weise, in der mein Mann mich liebkost, bringt mich in Verlegenheit, gleichzeitig weiß ich, dass er mich wahnsinnig liebt, und da muss ich ihm doch entgegenkommen.
Was für ein toller Roman! Ich habe bisher nur in meinen Jugendtagen einen E-Mail-Roman gelesen (und die Tagebücher der Bridget Jones), aber noch nie ein Buch im Stil von „Der Schlüssel“. Hier wird der Leser auf eine Reise mitgenommen, die er so schnell nicht mehr vergisst: Sexualität in Japan, das Eheleben, Tabuthemen, Betrug, Alkoholismus, Krankheit und Liebe sind nur einige der Themen, die behandelt werden. Es geht nicht nur darum, seine (konservativen) Grenzen zu übertreten, sondern auch die des Vertrauens, und sich zu fragen „Bin ich zu weit gegangen?“. Während die Eifersucht die Leidenschaft des Professors immer weiter befeuert, gerät Ikuko in einen Schlund aus Gefälligkeit und Betrug: Sie möchte ihren Mann rasend vor Eifersucht sehen, um ihrerseits ihre nymphomanische Neigung (ja, man hält es anfangs nicht für möglich!) zu befriedigen, allerdings überschreitet sie dabei „die letzte Grenze“ und ihre Ehe gerät immer mehr in eine Schieflage. Zudem spielt die Gesundheit der beiden auch eine zentrale Rolle, denn Ikukos Mann leidet immer mehr unter stark erhöhtem Blutdruck und Schwindelanfällen, sodass er auf Anweisung seines Arztes strikte Ruhe einhalten soll. Doch der Wunsch, seine Frau zu befriedigen, ist stärker als seine Vernunft.
Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de