Wenn Vorlesen zur Berufung wird
Guylain Vignolles arbeitet in einer Papierverwertungsfabrik. Allerdings leidet er jeden Morgen und Tag, wenn er zur Arbeit mit dem 6.27-Uhr-Zug fährt. Er kann nicht mit ansehen, wie die vielen hunderte ...
Guylain Vignolles arbeitet in einer Papierverwertungsfabrik. Allerdings leidet er jeden Morgen und Tag, wenn er zur Arbeit mit dem 6.27-Uhr-Zug fährt. Er kann nicht mit ansehen, wie die vielen hunderte und tausende Bücher in dem großen Zerstörer-Behälter geschreddert und zu einem Papier-Wasser-Brei gerührt werden. Manchmal gelingt es ihm heimlich, die eine oder andere Buchseite zu retten. Zwar sind die Seiten nicht vollständig und zusammenhangslos – meistens zumindest – trotzdem rettet Guylain diese Buchseitenfetzen, um sie jeden Morgen und Abend im Zug den Mitreisenden und Pendlern aus den Seiten vorzulesen. Zwei ältere Damen aus einem Seniorenheim haben eine Idee, um den Vorlese-Spaß auszuweiten. Guylains Vorgesetzter kennt seine Leidenschaft und zieht ihn damit auf. Der Wachmann Yvon Grimbault interessiert sich ebenso für die Literatur und teilt Guylains Leidenschaft. Eines Tages findet Guylain einen USB-Stick auf, dem zweiundsiebzig Dateien gespeichert sind. Es stellt sich heraus, dass es ein Tagebuch einer Frau namens Julia ist. Guylain ist fasziniert und begibt sich auf die Suche.
Dem französischen Autor Jean-Paul Didierlaurent gelang mit seinem Roman eine feinfühlige Geschichte eines jungen Mannes, der darüber leidet, wenn Büchern zerstört werden, und die Geschichten keine Beachtung bekommen. Guylain wirkt einsam, obwohl seine Mutter noch lebt, die er ab und an sieht. Allerdings lebt er alleine, und aufgrund dessen, dass seine Arbeit ihm keinen Spaß macht, verstärkt sich die Einsamkeit. Freude hat Guylain anhand der vorgelesenen Fragmente der Buchgeschichten. So kommt seine Figur wieder in die Waage, und er entwickelt sich zu einer liebenswürdigen Person. Sympathisch sind seine Kollegen Guiseppe und Yvon, weil er sich mit ihnen gut versteht und seine Leidenschaft nachvollziehen. Sein Vorgesetzter Brunner dagegen ist ein Wüstling und Verächter. Jean-Paul Didierlaurent kann gut Figuren böse und gut darstellen. Sein Augenmerk liegt auf den Figuren, und das Geschehen um die Figuren ergänzen die Ereignisse und geben den Figuren Gewicht.
Dieser Roman regt regelrecht dazu an, einen Film darüber zu drehen. Denn nach französischer Film-Manier könnte man sich einen unterhaltsamen und emotionalen Film darunter vorstellen. Französische Filmmacher können noch am besten Emotionen und Ernsthaftigkeit menschlich und kulturelle am besten vermitteln meiner Meinung nach. Leider ist die Geschichte relativ kurz, aber ich habe diese Geschichte genossen. Ebenso ist das Buch sehr schön gestaltet anhand des Buchcovers, Buchtitels und den Unterschied zwischen erzählter Geschichte über Guylain und den von Guylain gefundenen Buchseiten.