Ein wundervoller, gefühlvoller, historischer Roman. Sehr zu empfehlen.
Der historische Roman „Die Tochter der Toskana“ von Karin Seemayer ist im Januar 2018 erschienen.
Antonella lebt in einem kleinen Bergdorf im Norden Italiens des Jahres 1832. Als der Müllersohn Paolo ...
Der historische Roman „Die Tochter der Toskana“ von Karin Seemayer ist im Januar 2018 erschienen.
Antonella lebt in einem kleinen Bergdorf im Norden Italiens des Jahres 1832. Als der Müllersohn Paolo um ihre Hand anhält, ist sie zunächst sehr erfreut – ist er bei den jungen Mädchen im Ort doch sehr begehrt.
Doch schon bald muss sie feststellen, dass er ein Scheusal ist. Daraufhin will sie die Verlobung auflösen, doch ihre Eltern sind dagegen. Antonella beschließt, zu fliehen. Zu ihrem Glück kommt ihr ein junger Fremder namens Marco zu Hilfe und so schleichen sie sich gemeinsam fort.
Nun beginnt eine – zumindest für den Leser – schöne Reise durch Italien. Für die beiden Protagonisten ist sie wohl eher anstrengend, kräftezehrend und teilweise gefährlich, denn sie müssen nicht nur Schnee und Regen trotzen, sondern sich auch vor Banditen und Soldaten in Acht nehmen. Doch nichtsdestotrotz genießen sie ihre gemeinsame Reise und die Zuneigung zwischen ihnen wächst immer mehr.
Aber Marco verbirgt etwas vor Antonella und als sie die Wahrheit herausfindet, muss sie eine Entscheidung treffen.
Bei dem Roman handelt es sich um einen gut recherchierten historischen Roman, der die Unruhen in Italien nach dem Wiener Kongress und der Aufteilung Italiens in mehrere Einzelstaaten aufgreift. Die Autorin bedient sich an einigen bekannten historischen Ereignissen und flicht sie geschickt in ihre Geschichte hinein.
Neben der damaligen politischen Situation wird auch das Leben sowohl in den Bergen und damit der eher armen Bevölkerung, als auch das Leben in der Stadt und der reichen Bevölkerungsschicht anschaulich dargestellt. Die unterschiedlichen Traditionen und Essgewohnheiten Italiens werden ebenso beschrieben wie auch die unterschiedlichen Dialekte, die damals gesprochen wurden.
Die personale Erzählperspektive gibt größtenteils Antonellas Erlebnisse wider. Sie ist eine bemerkenswerte junge Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und den Mut aufbringt, für ihre Entscheidungen einzustehen und für ihre Liebe zu kämpfen, auch wenn sie damit große Gefahren auf sich nimmt. In mancher Hinsicht ist sie auch etwas naiv, was auf ihr provinzielles Leben, der damit verbundenen fehlenden Bildung und der Tatsache, dass sie vorher ihr Dorf noch nicht groß verlassen hat, zurückzuführen ist.
Sie war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Ebenso Marco, der zwar einen etwas verschlossenen Eindruck macht, aber im Umgang mit Antonella sehr zuvorkommend, hilfsbereit und gefühlvoll ist.
Der Schreibstil ist angenehm. Man findet sehr schnell in die Geschichte hinein und sowohl die Personen als auch die Gegenden konnte ich bildlich vor mir sehen.
Karin Seemayers Ende der Geschichte ist in meinen Augen ein gelungener Kompromiss: auf der einen Seite hat das Buch einen Abschluss gefunden, mit dem ich als Leser gut leben kann, aber dennoch ist es offen genug, um ihr den Weg für eine Fortsetzung freizuhalten.
Für den nächsten Punkt muss ich eine kleine Spoilerwarnung aussprechen, aber ohne ein kleines Detail zu verraten, kann ich diesen Kritikpunkt nicht anbringen.
Normalerweise mag ich es, wenn sich Geschichten chronologisch aufbauen und nicht um die Vergangenheit eines Protagonisten ein Riesengeheimnis gemacht wird, das immer nur angedeutet und erst am Ende dann enthüllt wird. Aber in diesem Fall wäre es evtl. besser gewesen, die Kapitel über Michele zu Beginn des Buches wegzulassen. Denn so war mir schon von Anfang an klar, dass es sich bei Marco nicht um einen Wilderer oder dergleichen handelt, sondern um Michele, der geflohen ist. Die Enthüllung, die Antonella so sehr aus der Bahn geworfen hat, war für mich als Leser demnach keine Überraschung. Um hier die Spannung und Ungewissheit aufrecht zu erhalten, hätte man diesen Anfangspart evtl. weglassen können und dem Leser die Details von Marcos Leben durch seine Erklärungen Antonella gegenüber mitteilen können.
Das ist aber auch der einzige kleine Kritikpunkt, den ich habe. Ansonsten fand ich die Geschichte sehr schön und sehr gut zu lesen.
Fazit:
Ein wundervoller, gefühlvoller, historischer Roman. Sehr zu empfehlen.