Der erbitterte Kampf im eigenen Käfig
Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens„Er sei froh, sagte er schließlich, dass er nur noch im eigenen Käfig kämpfe. Man wisse, wo er beginne und wo er ende. Das sei viel. Solange er außerhalb des eigenen Käfigs gekämpft habe, sei er im Draußen ...
„Er sei froh, sagte er schließlich, dass er nur noch im eigenen Käfig kämpfe. Man wisse, wo er beginne und wo er ende. Das sei viel. Solange er außerhalb des eigenen Käfigs gekämpft habe, sei er im Draußen immer mehr verloren gegangen, wo zugegeben vieles sein möge, die Fantasie, die Moral, das Abenteuer, der Ruhm nur eines eben nicht: er selbst, sein Kern.“
Inhalt
Der kurz vor der Pensionierung stehende Kriminalkommissar Ioan Cozma bekommt einen heiklen Fall zugeteilt. Ein junges Mädchen wurde brutal ermordet, angeblich von ihrem Liebhaber Adrian Lascu– doch schon bald wird klar, dass es zwischen dem Flüchtigen und dem Mordopfer gar keine sexuelle Beziehung gab, stattdessen finden sich an dem Opfer Spuren eines anderen Mannes. Und dieser wurde wahrscheinlich von Lascu beobachtet. Die Spur führt in die Heimat der Ermordeten, hinein ins beschauliche Prenzlin und Cozma erkennt, dass hinter dem Mord noch weit mehr steckt als ein persönliches Rachemotiv. Seine Ermittlungsarbeit deckt einen unmittelbaren Bezug zu einer ominösen rumänischen Firma auf, die immer wieder kleine Parzellen Agrarland von privaten Besitzern aufkauft, um diese gewinnbringend zu vermarkten. Das organisierte Verbrechen streckt diesmal seine Hand aus und wirft die Frage nach dem übergeordneten Plan und den Drahtziehern im Hintergrund auf. Cozma und sein gleichaltriger Kollege Cippo wühlen tief in den korrupten Machenschaften der Verantwortlichen und geraten bald selbst in die Schusslinie der Unberechenbarkeit …
Meinung
Der deutsche Erfolgsautor Oliver Bottini, der bereits mit dem deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde, konzentriert sich mit dem vorliegenden Roman auf ein dunkles Kapitel der jüngeren Vergangenheit, welches gesellschaftskritisch und sachlich inspiriert über Verbindungen zwischen europäischen Staaten berichtet und weit mehr Input bietet, als ein herkömmlicher Kriminalroman. Besonders intensiv und ungewöhnlich fand ich die Kombination aus persönlichen Schicksalen, Ermittlern mit Profil, Nebencharakteren mit dramatischen Lebensgeschichten und ganz generell dem Vorhandensein einer großen, erzählenswerten Geschichte.
Dieser stille, doch keineswegs spannungsarme Krimi, setzt den Fokus auf eine Hintergrundhandlung, die erst aus dem Zusammenspiel der Charaktere und deren Verfehlungen, sowie auf einer großen Gemeinsamkeit beruht. Einerseits sind da die Guten, die für Gerechtigkeit sorgen, die objektiv und unparteiisch handeln und mit Integrität aufwarten und zum anderen die Bösen, die sich mittels Macht und Gier auf jede Unwegbarkeit einlassen und voller Skrupellosigkeit vor Mord und Gewalt nicht zurückschrecken. Der Knackpunkt jedoch ist der, dass es der Autor vermag, glaubwürdige Charaktere zu schaffen, die Ecken und Kanten haben, die sich nicht immer geradlinig durchs Leben bewegen und denen man als Leser eine große Authentizität zuschreibt.
Besonders hervorheben möchte ich auch die Vielschichtigkeit, mit der Bottini aufwartet. Zwar spürt man durchaus die Ermittlungstätigkeit der Beamten und auch die Angst der Opfer, selbst die unglückliche Involvierung diverser Randfiguren, doch letztlich ist es das Geflecht aller Begebenheiten, die diesen Kriminalroman so gut und andersartig gestalten. Als Leser hat man das Gefühl, immer tiefer in eine Geschichte einzutauchen, die sich erst nach und nach in ihrer vollen Dimension entfaltet. Und so ist es nicht nur die einprägsame Sprache, die Nachhall bringt, sondern in erster Linie ein geradliniger, umfassender Plot, der sich nicht vordergründig auf Action und Gewalt stützt, dafür aber immer mehr vermittelt, als man es aus manch anderer kriminalistischer Erzählung gewöhnt ist.
Fazit
Ich vergebe 5 Lesesterne und eine unbedingte Leseempfehlung für diesen Kriminalroman, der mit leichter Hand eine bedrückende Geschichte der Menschen erzählt, der Gefühle wie Machtlosigkeit, Hoffnungsschimmer und Einsamkeit thematisiert und selbst Werte wie Freundschaft, Loyalität und Aufrichtigkeit aufgreift. Für mich eine belletristische Glanzleistung, die sich sehr positiv von anderen Romanen abhebt und einen unverwechselbaren Erzählton anschlägt. Für alle Leser, die Bücher mit Substanz mögen und sich gerne mit diversen Charakteren auseinandersetzen – eine gelungene Mischung, die mir lange in Erinnerung bleiben wird.