Holterdipolter: Genre über Genre
Kalte WasserDas Erste, was ich noch vor der Veröffentlichung von „Kalte Wasser“ zu lesen bekam, war der Beginn eben dieses Romans, der mir auf Anhieb sehr reizvoll erschien, wobei ich stark gemutmaßt habe, dass die ...
Das Erste, was ich noch vor der Veröffentlichung von „Kalte Wasser“ zu lesen bekam, war der Beginn eben dieses Romans, der mir auf Anhieb sehr reizvoll erschien, wobei ich stark gemutmaßt habe, dass die Mysteryschiene in einer Sackgasse enden würde – ich bin von Anfang an eher davon ausgegangen, dass Lauren unter postnatalen Depressionen leidet, die sie halluzinieren lassen. Tatsächlich wird bei Lauren auch schnell eine psychische Belastungsstörung diagnostiziert und hernach zeigte sich für mich das grundsätzliche Problem dieses Mysterythrillers: Er will tatsächlich alle Genres; Mystery, Thriller und Krimi; abdecken; dazu kommt noch ein großer Schuss semi- bis unglücklicher Liebesroman (denn Laurens Mann Patrick ist eher distanziert und hat auch so seine Geheimnisse; im Allgemeinen kam da auch nicht das Gefühl eines liebevollen und glücklichen, frischgebackenen Elternpaares auf) zu dem, was ohnehin schon ein Familiendrama war.
Dann gibt es noch diesen Strang rund um die ambitionierte Polizistin Jo(anna) Harper, deren eigentlich nicht vorhandenes Privatleben ständig explizit behandelt wird; da gibt es ein angeblich wichtiges Detail aus der Vergangenheit, weswegen sie sich Lauren angeblich so nahefühlt: Diese Argumentation schien mir allerdings reichlich an den Haaren herbeigezogen; so sehr ähnelten sich die persönlichen Erfahrungen dann doch nicht. Auch ihre persönlichen Beziehungen wurden derart herausgestellt, dass man hätte vermuten können, „Kalte Wasser“ ist der Auftakt zu einer Krimireihe rund um diese Ermittlerin.
Mir fehlte da ganz klar die direkte Konzentration; klar, wenn ein Buch ganz strikt und konsequent linear lediglich einen Erzählstrang verfolgt, wirkt das sehr eintönig, aber dieser Roman glich statt einer Einbahnstraße auf dem platten Land dann direkt dem Frankfurter Kreuz.
Ich mag Mysteryromane, ich mag Thriller, ich mag Krimis, ich lese auch gerne mal was Dramatisches, aber in diesem Fall war es mir einfach zu viel und von Autorenseite zu unentschlossen: Hatte grad alles klar darauf hingedeutet, dass dieser Roman ein Psychothriller-Ende finden würde, zumal dann auch noch eine mutmaßliche Stalkerin eingeführt wurde, wurde auf der nächsten Seite wieder krass gen Mystery abgedriftet – und ich wusste gar nicht mehr, mit wem ich nun überhaupt mitfiebern wollte; mir blieben alle Figuren völlig fremd, und sympathisch fand ich eigentlich keinen, inklusive Joanna Harper, die zwar eben sehr engagiert war, aber eben auch überengagiert und sich zunächst vor Allem auch völlig unnütz einbrachte, denn die Ermittlungen waren nicht nur abgeschlossen, sondern der Fall war offiziell nie eröffnet worden, als sie –den Anweisungen ihres Chefs zum Trotz- im Krankenhaus doch noch weitere Nachforschungen anstellte. Im klassischen Krimi hätte ich das allerdings wiederum recht sympathisch gefunden… aber hier gab es, wie sie selbst auch immer betonte, überhaupt keinen echten Grund für ihren persönlichen Einsatz.
Den reinen Mystery-Teil von „Kalte Wasser“ fand ich allerdings sehr spannend; der große Rest war dann allerdings eben wie ein riesiger Stolperstein, der mir den Lesespaß ein wenig getrübt hat. Alles in Allem kommt der Roman so für mich nicht über 3,8* Sterne hinaus, was aufgerundet dann wohlgemeinte vier Sterne ergibt. Allerdings erwarte ich nun irgendwie doch zumindest auch einen Folgeband rund um DI Harper, die da wiederum in irgendein Mysterium verwickelt wird (oder sich verwickeln lässt). Denn so bin ich grade in jenem Bereich nicht mit dem Ende zufrieden – und auch der Mysteryteil hätte sich detaillierter entschlüsseln lassen können; da kann man sich als Leser letztlich lediglich selbst noch etwas mehr Hintergrundgeschichte zusammenreimen.
Als reiner Mysteryroman; ohne diese ganzen ständig falsch gelegten Fährten, ohne das Privatbrimborium der Polizistin; würde mir „Kalte Wasser“ richtig gut gefallen haben, aber dazu hätte eben sehr viel der Handlung wegdezimiert werden müssen und der Mysterypart sehr viel weiter aufgedeckt und erklärt werden – wer sich für dieses Buch entscheidet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er eben vornehmlich einen Mysterythriller zu lesen bekommt, der dabei ständig in andere Genres abdriftet. Zumindest wer so einen immensen Mix mag, wird mit dieser Lektüre ausnehmend gut bedient sein!
[Ein Rezensionsexemplar war mir, via #NetGalleyDE, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]