Mit Einfach.Liebe. hat Tammara Webber einen bewegenden Roman geschrieben, der zwar durchaus eine Liebesgeschichte beinhaltet, aber so viel mehr ist als das und dessen Handlung viel tiefgründiger ist als man es auf den ersten Blick vielleicht vermutet. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen Lucas und Jacqueline, doch was man weder dem fröhlichen Cover ansieht noch dem Klappentext entnehmen kann, ist, dass auch Vergewaltigung ein zentrales und vor allem wiederkehrendes Thema des Buches ist.
Im Verlauf der Geschichte kommt es zu mehreren sexuellen Übergriffen verschiedenen Ausmaßes und Ausgangs, was hier nicht unrealistisch wirkt, allerdings auf jeden Fall unerwartet kommt. Man fühlt sich vielleicht sogar ein wenig überrumpelt, wenn man eigentlich nur eine seichte Lovestory erwartet hat, zumal einen die Problematik unter Umständen ziemlich mitnimmt. Nicht jeder möchte, dazu noch ohne Vorwarnung, so intensiv mit dieser Thematik konfrontiert werden und die Szenen, insbesondere die Gefühle, die die Opfer dabei durchleiden, durch die Augen der selbst betroffenen Protagonistin derartig miterleben. Wobei Jacqueline eine vollendete Vergewaltigung dank fremder Hilfe schließlich erspart bleibt, während andere leider nicht so viel Glück hatten.
Das macht das Buch jedoch keineswegs schlecht, ganz im Gegenteil, denn grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Verbrechen, über das viel häufiger aufgeklärt werden sollte. Es scheint Tammara Webber ein persönliches Anliegen zu sein, diese Aufgabe zu übernehmen und es gelingt ihr wesentliche Irrtümer richtig zu stellen ohne den Leser dabei zu belehren. Laut Statistik sind die Täter in den meisten Fällen keine unbekannten Fremden, sondern Leute, die man bereits kennt und in Einfach.Liebe. stammt der Täter ebenfalls aus dem sozialen Umfeld der Opfer, weshalb man ihm so etwas nie zugetraut hätte. Es geht dabei ja auch gar nicht um Sex, den bekäme er von genug Frauen freiwillig, sondern um die Macht, die er offenbar empfindet, wenn er sie auf diese Weise erniedrigt.
Die Autorin verdeutlicht, dass man solche Übergriffe nicht verschweigen darf und stattdessen stets anzeigen sollte, zum Einen für sich selbst und zum Anderen um andere davor zu bewahren dem gleichen Täter zum Opfer zu fallen. Viel wichtiger ist allerdings, dass sie klarstellt, dass es für den Unterschied zwischen einer Vergewaltigung und Sex einzig und allein auf gegenseitiges Einvernehmen ankommt. Es spielt keinerlei Rolle, ob das Opfer noch Jungfrau war, schon einmal mit dem Täter geschlafen hat oder gar mit ihm zusammen ist. Immer wenn das Opfer „nein“ sagt, der Täter den Sex aber dennoch mit Gewalt erzwingt, handelt es sich schlicht und ergreifend um eine Vergewaltigung. Die Begleitumstände sind vollkommen irrelevant. Man sollte zwar niemandem absichtlich falsche Hoffnungen machen, doch selbst wenn eine Frau freiwillig zu einem Mann aufs Zimmer geht, gibt sie ihm damit noch lange nicht die Erlaubnis sich gegebenenfalls gewaltsam zu nehmen, was er will, wenn sie es sich anders überlegt, und ihr vorheriges, möglicherweise unüberlegtes Verhalten ist ebenso ganz sicher keine Entschuldigung für eine solche Tat.
Da die Geschichte aus der Perspektive von Jacqueline erzählt wird, erfährt man genau, wie man sich als Opfer danach fühlt und welchen Schaden so eine schreckliche Erfahrung anrichten kann. Anfangs will sie nicht einmal die Polizei verständigen, weil sie sich irrsinnigerweise viel mehr Sorgen um die Auswirkungen auf ihre Beliebtheit macht, was wahrscheinlich auf den Schock zurückzuführen ist, und will einfach nur alles vergessen. Sie fühlt sich gedemütigt und verwundbar, ist stets auf der Hut und hat lange Zeit Angst vor bestimmten Orten und Situationen. Wirklich sicher fühlt sie sich nur bei Lucas. Erst der Selbstverteidigungskurs, zu dem ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Erin sie anmeldet, gibt ihr neues Selbstvertrauen sowie die Fähigkeiten, sich beim nächsten Mal zur Wehr setzen zu können. Die Unterstützung ihrer Freunde gibt ihr schließlich zudem die Kraft den Fehler der Nichtanzeige zu berichtigen als sie erkennt, dass ihr Angreifer es nicht ausschließlich auf sie abgesehen hat, sondern andere ebenso in Gefahr sind.
Im Vordergrund steht aber natürlich, wie schon gesagt, die Hauptfigur Jacqueline – nicht Jackie! – sowie ihre Beziehung zu Lucas. Im Gegensatz zu ihm hatte sie, wenngleich ihre Eltern nicht unbedingt den besten Job gemacht haben, keine traumatische Kindheit. Sie ist sehr behütet aufgewachsen und war nie in irgendwelchen Schwierigkeiten. Der einzige Fehler, den sie je gemach hat, war ihrem High School Freund Kennedy aufs College zu folgen statt ihren eigenen Weg zu gehen, während dieser stets zuerst an seine eigenen Ziele gedacht hat. Eine Weile nach der Trennung beginnt sie allerdings einige Dinge klarer zu sehen und lernt dadurch, dass man seine eigenen Wünsche und Pläne nicht völlig für den Partner aufgeben darf. Trotzdem bereut sie ihre Entscheidung nicht, denn sonst wäre sie Lucas womöglich niemals begegnet.
Wie fantastisch Lucas ist, zeigt sich schon an seiner Reaktion auf die sexuellen Übergriffe. Im Unterschied zu Kennedy, der versucht seine Ex von ihrer Aussagen bei der Polizei abzuhalten, weil er lieber alles inoffiziell und intern regeln würde, damit seine Studentenverbindung bloß nicht schlecht dasteht, obwohl das Gefängnis ja wohl eine wesentlich angemessenere Strafe ist als lediglich der Ausschluss aus der Verbindung, steht Lucas voll und ganz hinter ihr. Er ist nicht perfekt, sondern macht ebenfalls mal Fehler und ist ziemlich verschlossen in Bezug auf seine Vergangenheit. Er verschweigt Jacqueline außerdem nicht ganz unwichtige Umstände, die man als Leser sogar schon vor ihr ahnt, aber dennoch hat man nie das Gefühl, dass er mit ihr spielen würde. Er empfindet sehr viel für sie und respektiert sie, was vor allem in den intimen Szenen zum Ausdruck kommt. Er erkundigt sich nach ihren Grenzen und akzeptiert diese ohne ihr deshalb Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen einzureden. Er lässt sie auch nicht völlig links liegen, wenn sie ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weitergehen will, wie Kennedy es wohl immer getan hat. Stattdessen bleibt er einfach geduldig innerhalb dieser gesetzten Schranken und küsst oder berührt sie so weiter ohne mehr zu fordern.
Da Tammara Webber ihren Figuren die Zeit gibt um langsam immer tiefere Gefühle füreinander zu entwickeln, wirkt ihr Liebe zueinander sehr glaubwürdig und man kann sehr gut verstehen, warum sie sich so zu dem jeweils anderen hingezogen fühlen. Sie ergänzen sich und erfahren beide zusammen, was es heißt jemanden zu lieben, der diese Liebe auch erwidert. Er hilft ihr dabei sich selbst noch besser verteidigen zu können, während sie versucht ihm dabei zu helfen sich jemandem zu öffnen und sich seiner Vergangenheit zu stellen um sie endlich verarbeiten zu können.
Die verschiedenen romantischen Momente sind der Autorin sehr gut gelungen und enthalten genau das richtige Maß an Erotik für ein New Adult Buch. Lediglich zum Ende hin gibt es eine Kussszene, die sie dann doch ein wenig zu detailliert und ausschweifend beschrieben hat.
FAZIT
Einfach.Liebe. ist ein fantastischer Roman, der viel tiefgründiger ist als das bunte Cover zunächst vermuten lässt. Tammara Webber hat mit Jacqueline und Lucas nicht nur sympathische, sondern auch sehr echte Charaktere erschaffen, deren Gefühle füreinander man sehr gut nachvollziehen kann. Es gelingt ihr eine wundervolle Liebesgeschichte zu erzählen und gleichzeitig über ein wichtiges Thema aufzuklären, ohne dabei unrealistisch zu wirken, wodurch einem das Buch noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Fans des Genres sollten sich das Buch daher auf keinen Fall entgehen lassen!