Unsterblich – Tor der Dämmerung ist ein packender Serienauftakt, der trotz der Fokussierung auf die wohl bekanntesten Wesen der Phantastik mit neuen, erfrischenden Ideen überzeugen kann. Julie Kagawa gelingt es den Leser mit ihrem mitreißenden Schreibstil vom ersten bis zum letzten Kapitel an die Seiten zu fesseln und bietet ihm durch ihre Kombination einer Dystopie mit phantastischen Elementen eine sehr gelungene sowie äußerst willkommene Abwechslung.
Die Vampire in diesem Roman sind alles andere als glitzernd oder kuschelig, sondern größtenteils die Monster, für die sie die Menschen, die sie teilweise regelrecht versklavt haben, halten. Dabei sollte man allerdings nicht zu voreilig alle in eine Schublade stecken, denn natürlich gibt es solche und solche, sodass manche wesentlich schlimmer sind als andere, die zumindest versuchen sich unter Kontrolle zu halten.
Daneben gibt es außerdem noch die Verseuchten, die einmal menschlich waren, doch nach ihrem Tod als etwas vollkommen anderes, animalisches zurückgekehrt sind, das sie im Grunde sogar noch gefährlicher als die Blutsauger macht. Besonders interessant ist vor allem ihre Entstehungsgeschichte und was sie mit den Vampiren verbindet.
Die Heldin Allison Sekemoto ist, trotz ihrer innigen Liebe zu Büchern, vielleicht nicht immer die sympathischste Protagonistin – dazu ist sie manchmal einfach zu abgebrüht, was man ihr jedoch nicht zu sehr verübeln kann, da es sich dabei vermutlich um eine unvermeidbare Konsequenz der Art und Weise handelt, wie sie aufgewachsen ist – dafür aber eine sehr authentische. Sie scheut sich nicht davor harte Wahrheiten auszusprechen oder Risiken einzugehen, denn sie weiß aus ihren vielen schlimmen Erfahrungen zu gut, dass man nur den wenigsten Menschen vertrauen kann – falls überhaupt jemandem – , weil jeder sich selbst der nächste ist und nicht vor Verrat zurückschreckt, wenn das eigene Leben auf dem Spiel steht. Trotzdem ist sie anderen gegenüber nicht immer völlig gleichgültig, sondern durchaus hilfsbereit und setzt sich für andere ein. Zumindest, wenn es Sinn macht, denn sie bewahrt auch in gefährlichen Stresssituationen einen kühlen Kopf und erkennt dadurch, wann die Lage aussichtslos und eine Rettung nicht mehr möglich ist. Sie trauert um ihre Verluste, versinkt deswegen aber nicht in Selbstmitleid, sondern macht weiter, weil sie ohnehin keine andere Wahl hat, wenn sie überleben will.
Und ihr Überlebensinstinkt ist sehr ausgeprägt, denn vor die Wahl gestellt, wird sie lieber selbst zu einem Vampir als zu sterben – ohne wieder aufzuwachen. Manchmal bereut sie diese Verwandlung, gibt allerdings offen zu, dass sie sich in der gleichen Situation wieder genauso entscheiden würde, weil sie immer das Überleben wählen würde, auf welche Art auch immer. Obwohl sie die Blutsauger abgrundtief verabscheut, nimmt sie ihr neues Dasein an und versucht das Beste aus der Chance zu machen, die ihr Schöpfer Kanin ihr damit gegeben hat, selbst wenn das bedeutet, dass sie ihr altes Leben hinter sich lassen muss.
Sie lernt von ihm, was es heißt ein Vampir zu sein, muss sich aber selbst entscheiden, welchen Weg sie einschlagen will und somit in gewisser Hinsicht zu sich selbst finden. Will sie das Monster sein, für das sie alle Menschen – einschließlich ihres vergangenen Ichs – halten oder sich ihre Menschlichkeit so gut es geht bewahren und die Lebenden nicht nur als Nahrung betrachten? Sie kann nicht auf Blut verzichten, will jedoch keinesfalls die Kontrolle über sich verlieren und jemanden töten, auch wenn Kanin das für unausweichlich hält. Dieser Wunsch ist nur allzu verständlich, allerdings geht ihr Mitgefühl für ihre Opfer manchmal ein wenig zu weit. Wenn sie Männer aussaugt, die sie, wäre sie noch ein Mensch, vergewaltigt und dann vermutlich sogar getötet hätten, muss sie nun wirklich keine Schuldgefühle haben oder sich wegen solcher Vorwürfe gar selbst den Tod wünschen!
Allie ist aber nicht die einzige erwähnenswerte Figur, ihr Schöpfer Kanin ist nämlich ebenfalls ein sehr interessanter Charakter. Er erscheint manchmal sehr kaltherzig und gleichgültig, versteckt hinter seiner Fassade jedoch einige Emotionen. Er verbirgt ein dunkles Geheimnis und lässt die Vergangenheit, entgegen seiner eigenen Ratschläge, nicht wirklich hinter sich, sondern versucht seine Fehler wieder gutzumachen. Obwohl er seinem Abkömmling beibringt, dass Menschen nur Nahrung seien, tötet er seine Opfer nicht einfach, stattdessen hinterlässt er ihnen manchmal sogar eine Gabe als Ausgleich für das, was er sich von ihnen genommen hat. Abgesehen von seiner wahren Identität erfährt man im ersten Teil leider nicht viel mehr über ihn. Doch die Chancen stehen gut, dass man ihn in der Fortsetzung noch etwas besser kenne lernt.
Neben der Frage, was Allison nun mit ihrer neuen Existent anfangen soll, steht in Unsterblich – Tor der Dämmerung auch das Thema (In-)Toleranz stark im Mittelpunkt. Während Allison durch ihre Verwandlung praktisch dazu gezwungen wird ihre eigenen Vorurteile gegenüber Vampiren zu überwinden, wenn sie sich nicht selbst verlieren will, sind die meisten Menschen nicht gewillt irgendetwas anderes in ihnen zu sehen als seelenlose Monster. Leider trifft das teilweise sogar auf diejenigen zu, die Allie ihr Leben verdanken.
Glücklicherweise gibt es daneben jedoch solche, die in der Lage sind ihre Vorurteile zu überwinden und sich selbst ein Bild zu machen –einen Vampir ebenfalls nach seinen Handlungen zu beurteilen und nicht nur nach seinem Wesen – statt stur der Denkweise zu folgen, die man ihnen eingetrichtert hat. Es gibt gute und schlechte Menschen, warum also nicht auch gute und schlechte Vampire?
Zwischen einer solchen Person und Allie entwickelt sich im Verlauf der Handlung langsam eine zarte und glaubwürdige Liebesgeschichte, die aber alles andere als ungefährlich ist, vor allem für den Sterblichen. Doch wie sagt man so schön? Das Herz geht Wege, die der Verstand nicht kennt. Keiner von Beiden kann sich daher auf Dauer gegen seine Gefühle wehren, so unterschiedlich sie sein mögen und so undenkbar eine gemeinsame Zukunft erscheint.
Neben einigen ruhigen, gleichwohl interessanten Passagen, kommt die Spannung allerdings nicht zu kurz. Immer wieder befindet sich Allie – allein oder zusammen mit anderen – auf der Flucht, in riskanten Situationen oder in gefährlichen Kämpfen, deren Ausgang ungewiss ist. Es fällt einem daher sehr schwer das Buch wieder aus der Hand zu legen sobald man es einmal aufgeschlagen hat, weshalb man diesen Roman erst beginnen sollte, wenn man ausreichend Zeit dafür hat.
Das Ende ist Julie Kagawa ebenfalls sehr gut gelungen und man ist dankbar dafür, dass sie auf einen richtigen Cliffhanger verzichtet hat. Nichtsdestotrotz wird man sich den zweiten Teil auf keinen Fall entgehen lassen, denn es bleiben genügend Handlungsstränge und Fragen offen, die einen neugierig machen und den Wunsch nach mehr wecken.
FAZIT
Unsterblich – Tor der Dämmerung ist ein großartiger Auftakt zu einer Trilogie, die mit erfrischenden Ideen überzeugen kann und garantiert noch für die eine oder andere Überraschung sorgen wird. Insbesondere die Figuren, allen voran die Protagonistin Allison, sind alles andere als gewöhnlich und bleiben einem gerade deshalb in Erinnerung.
Julie Kagawa erzählt mit dieser Reihe eine Geschichte, die von der ersten Seite an mitreißend ist und einen selbst nach dem Ende weiterhin beschäftigt. Allies Abenteuer ist aber zum Glück noch nicht vorbei, weshalb man es kaum erwarten kann den zweiten Teil dieser außerordentlichen Reihe in die Finger zu bekommen!