Wenn sich am 12. November 2018 zum hundertsten Mal die Ausrufung der Republik jährt, so können wir Österreicher auf eine bewegte Geschichte unseres Landes zurückblicken.
Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie auf knapp ein Siebentel seiner ursprünglichen Größe und Bevölkerung zusammengestutzt, glaubte niemand an das Überleben des kleinen, deutschsprachigen Rumpfstaates – am wenigsten die Angehörigen des Staates und deren Politiker.
Zwischen Abspaltungstendenzen und Anschlussgedanken vor allem
der westlichen Bundesländer (Vorarlberg an die Schweiz, Salzburg und Oberösterreich an Bayern) beweist die Regierung trotz aller Querelen Tatkraft und eisernen Überlebenswillen. Abgeschnitten von der Industrie und den Lebensmittelproduzenten ist der Weg ein langer und dorniger.
Der Anschluss an Deutschland gelingt dann im Jahr 1938, aber anders als sich das die Menschen 1918 gewünscht haben und endet in der Katastrophe.
Erst mit der Wiedergeburt der Zweiten Republik 1945 scheinen die Österreicherinnen und Österreicher endlich den Wert des Landes zu schätzen. Nicht, dass es nach wie vor das eine oder andere zu verbessern gäbe. Doch ist unser Land im Ausland weitaus angesehener als bei manchen Staatsbürgern.
Hubert Nowak nimmt die Leser mit auf einen Streifzug durch die Geschichte. Er zeigt Bekanntes und weniger Bekanntes, führt interessante Interviews z. B. mit Karl Habsburg, dem Enkel des letzten Kaiser, Franz Fiedler, dem ehemaligen Vorsitzenden des Österreich-Konventes oder Christoph Kardinal Schönborn.
In 18 Kapiteln werden maßgebliche Personen und Ereignisse geschildert, die am Werden von Österreich großen Anteil hatten. Mit vielen Zitaten und Auszügen aus Briefen und Dokumenten, die mit zahlreichen Fotos anschaulich unterstützt sind, bringt uns Hubert Nowak einiges aus Österreichs Geschichte seit 1918 näher, das bislang vielleicht nicht so bekannt ist.
Nach jedem Kapitel finden sich Anmerkungen, sodass ein direkter Zusammenhang und eine unmittelbare Möglichkeit zu weiteren Informationen zu kommen, besteht.
Mit dem einen oder anderen tradierten „G’schichterl“ wird ebenfalls aufgeräumt. Besonders interessant finde ich das Kapitel um die Verfassung. Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt Hans Kelsen als Vater der Österreichischen Verfassung, doch ist diese nicht sein alleiniger Verdienst. Immerhin gilt sie bis heute.
Ein ausführliches Kapitel widmet sich dem „Föderalismus“, der immer wieder ins Gerede kommt. Hier zeigt sich deutlich, wie sich die „normative Kraft des Faktischen“ auswirkt. Die Macht, die einzelne Landesfürsten (und Fürstinnen) zu haben glauben, steht so, wie sie von den Landespolitikern verstanden wird, in keinem Gesetz geschrieben.
Ob der Föderalismus Segen oder Fluch ist, lässt sich auch hier nicht eindeutig beantworten. Allerdings wäre eine Harmonisierung einiger Landesgesetze durchaus nötig, wünschenswert und angebracht. Denn, warum sind in den neun Jugendschutzgesetzen die Jugendlichen unterschiedlich behandelt? Sind Halbwüchsige in Wien wenige oder mehr schützenswert?
Oder wozu braucht es neun Landesfeuerwehrgesetze? Ist Brandverhütung und Brandbekämpfung nicht in jedem Bundesland oberstes Ziel?
Nach ausführlichen Rückblicken und einer Bestandsaufnahme der aktuellen Situation darf auch der Ausblick in die Zukunft nicht fehlen.
Österreich ist weder eine „Insel der Seligen“ noch ein Sozialparadies, sondern ein Land, auf das seine Staatsbürger stolz sein dürfen.
Feiern wir daher die ersten 100 Jahre der Republik Österreich mit gebührendem Respekt und Anerkennung.