Eine beeindruckende Biografie
Mit dieser Biographie hat der Autor Johannes Bähr ein umfassendes Werk zu Werner von Siemens (1816 – 1892) geschaffen.
In zwölf penibel recherchierten Kapiteln bringt uns Johannes Bähr das Leben von Werner ...
Mit dieser Biographie hat der Autor Johannes Bähr ein umfassendes Werk zu Werner von Siemens (1816 – 1892) geschaffen.
In zwölf penibel recherchierten Kapiteln bringt uns Johannes Bähr das Leben von Werner von Siemens näher.
Der Bogen spannt sich beginnend mit seiner Kindheit auf einem Landgut (das der Vater wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgeben muss), seiner mittelprächtigen Schulkarriere und dem Eintritt in das Ingenieurkorps der Preußischen Armee.
Das Buch begleitet Werner von Siemens’ Lebensweg als Erfinder, als Gründer von Firmen, der manchmal am Scheitern nur ganz knapp vorbeischrammt. Wir erleben ihn als verantwortungsbewussten Clanchef, der sich um seine engere und weitere Familie kümmert. Allerdings werden vor allem die Brüder strategisch im späteren Firmengeflecht eingesetzt. Viel Entfaltungsspielraum haben sie dabei nicht.
Interessant ist, dass Werner von Siemens stets Aktiengesellschaften und ähnliches abgelehnt hat. Für ihn sind Banken „Halsabschneider“.
Werner von Siemens ist ein unermüdlicher Arbeiter. Wenn man die Entfernungen zwischen den einzelnen Niederlassungen (London, Berlin, St. Petersburg, Paris usw.) und die Transportmittel des 19. Jahrhunderts bedenkt, versteht man, dass wenig Zeit für ein Privatleben bleibt. Er heiratet spät (1852) Mathilde und auch hier innerhalb des großen Familienclans. Der Spruch „da bleibt alles in der Familie“ könnte von Siemens stammen. Erst im späten Lebensalter wird er 1869 eine zweite, eine Liebesheirat, mit Antonie (auch eine Verwandte) eingehen.
Der Mensch Werner von Siemens wird als geradlinig bis zur Sturheit beschrieben. Dazu noch weit blickend, wenn auch nicht alle seine Prognosen so eintreffen. z.B. dass ihn die 1883 in Berlin als Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität gegründete und wenige Jahre später in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) umbenannte Firma überflügeln könnte, ist ihm niemals in den Sinn gekommen.
Als Werner von Siemens nobilitiert wird, ist ihm dies gar nicht recht. Doch anders, als bei ähnlichen Fällen, wurde er vorab nicht gefragt, sondern erhält das „von“ einfach zugestellt – ablehnen unmöglich.
Bei allem Geschäftssinn ist Werner von Siemens auch ein sozial denkender Mensch. So lässt er, nach dem Vorbild von Jakob Fuggers „Fuggerei“, Sozialwohnungen bauen, führt eine leistungsbezogene Bezahlung und ein Prämiensystem ein. Er gründet 1872 die „Pensions-, Witwen- und Waisenkasse“. Er reduziert die damals übliche Wochenarbeitszeit von 72 auf 54 Stunden.
„Mir würde das Geld wie glühendes Eisen in der Hand brennen, wenn ich den treuen Gehilfen nicht den erwarteten Anteil gäbe“.
Werner von Siemens betätigt sich auch politisch. Er befürwortet die Revolutionen 1848/49 und ist Mitbegründer u.a. des „liberalen Fortschrittvereins“ und der „Deutschen Fortschrittspartei (DFP)“.
Als Erfinder ist er daran interessiert, dass seine Ideen mittels Patent ausreichend lange geschützt sind. Er engagiert sich deshalb für einen einheitlichen (deutschen) Patentschutz. Bislang werden Patente vom König (manchmal) nach Gutdünken und entsprechendem Lobbying mit unterschiedlicher Dauer vergeben. Das von ihm entwickelte, bis heute gültige „Deutsche Patentgesetz“ trat 1877 mit marginalen Änderungen in Kraft.
Aus dem 1879, mit Heinrich von Stephan, gegründeten „Elektrotechnischen Verein“ wird dann die Studienrichtung „Elektrotechnik“ hervorgehen.
Meine Meinung:
Anhand der fast 7.500 Briefe, die von Werner von Siemens’ umfangreichen Schriftverkehr erhalten sind, Augenzeugenberichten und unter zu Hilfenahme von Siemens „Lebenserinnerungen“ erhalten wir Leser einen detaillierten Einblick in das Leben des Erfinders, Tüftlers, Geschäftsmanns und Familienmenschen.
Johannes Bähr schreibt sachlich und zitiert jede Menge Zeitgenossen. Eine Vielzahl von teilweise farbigen Abbildungen sowie ein dicker Anhang mit umfangreicher Quellenangabe vervollständigen diese gelungen Biographie. Einzig ein paar Mal ist mir ein nicht sauberer Zeilenumbruch aufgefallen (z. B. „wicht-igen“ S. 361)
Die Aufmachung und Ausstattung des Buches sehr hochwertig. In Leinen gebunden, mit einem stimmigen Schutzumschlag, das Werner von Siemens zeigt, verfügt es auch über ein Lesebändchen. Papier und Schrift sind auf die 576 Seiten perfekt abgestimmt. So ein Buch nehme ich gerne in die Hand.
Fazit:
Eine beeindruckende Biographie über einen beeindruckenden Mann. Dieses Buch hat satte fünf Sterne verdient.