Den Vater haben die Berge nie losgelassen, aber er hatte eine besondere Art sie zu erobern, gar zu bezwingen. Er schaute beim Gehen nicht nach rechts oder links, er machte keine Pausen, er hatte nichts als den Gipfel im Blick. Sobald Pietro alt genug ist, wird er vom Vater mitgenommen, die Touren länger und härter und die Höhenkrankheit, die ihn überfällt, übersieht der Vater meist.
So hätte Pietro nie die Berge lieben gelernt, wenn nicht die Mutter gewesen wäre. Sie ist eine Frau, die die Mitte liebt, sie braucht keine Gipfel, es genügen ihr die Almen und die Bergdörfer. Grana wählt sie als sommerliches Feriendorf aus, sie mieten eine Wohnung und verbringen viele herrliche Wochen dort, auch wenn der Vater oft nur kurze Zeit aus Mailand kommen kann. Dort lernt Pietro auch Bruno kennen. Der Bub lebt als Hütejunge bei seinem Onkel, der Vater ist ein meist abwesender gewalttätiger Säufer, die Mutter hat sich ganz in sich zurückgezogen.
Zwischen Bruno und Pietro entwickelt sich eine Freundschaft, die ohne viel Worte auskommt. Sie vertrauen einander, sind fast Brüder im Geist und wenn der Sommer endet, gehen sie auseinander und wissen doch, dass sie bald wieder zusammen sein werden.
Viel später haben sich die Lebenswege endgültig getrennt, Pietro hat mit seinem Vater gebrochen und sein Studium aufgegeben. Er reist als Dokumentarfilmer ruhelos um die Welt. Bruno ist im Tal geblieben. Das Angebot der Gualdis, Bruno nach Mailand zur Ausbildung mitzunehmen, hat der Vater und auch der Onkel verhindert. Als Maurer verdient Bruno nun gutes Geld, aber es ist nicht der Weg, den er sich erträumte.
Der Tod von Pietros Vater bringt die zwei wieder zusammen, eine Almhütte sollen sie als Rückzugsort wieder aufbauen, das Grundstück bekommt Pietro mit dieser Bitte vererbt. In diesem Sommer werden die zwei wieder eins. Eine Männerfreundschaft, innig und vertrauensvoll, trotz unterschiedlicher Lebenswelten eine Einheit.
Eine Freundschaft, die über viele Jahre und Unterbrechungen felsenfest bleibt, die Beschreibung der Landschaft und der Bergwelt, die mich tief beeindruckt hat und dazu die Figuren Bruno, Pietro und die Eltern Gualdi, die mich berührten, das alles hat mir dieses Buch sehr ans Herz wachsen lassen. Dabei wird nicht verschwiegen, dass es die Bergwelt der Kinder nicht mehr gibt, Straßen haben die Täler durchzogen und Skilifte die Berghänge erobert. Die Gefahren lauern nicht mehr nur in Gletscherspalten, sondern in einer Welt, in der Berge zum Erlebnisfaktor geworden sind. Das müssen auch Bruno und Pietro schmerzhaft erfahren.
Es gibt nicht viele Bücher, die in ihrer Einfachheit grandios sind. Für mich zählen die „Acht Berge“ von Paolo Cognetti dazu. Das Buch lässt mich berührt, traurig und gleichzeitig auch glücklich zurück und ich weiß, dass ich es noch oft zur Hand nehmen werde. Ich bedaure nur, dass ich mit meinen Worten diesem Roman nicht gerecht werden kann.