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Veröffentlicht am 02.02.2018

Was einen Menschen wirklich blind macht...

Behalt das Leben lieb
0

Allgemeines:

Titel: Behalt das Leben lieb
Autor: Jaap ter Haar
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. März 1980)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423078057
ISBN-13: 978-3423078054
ASIN: B00BFS53XU
Preis: 12,99€ (Gebundene ...

Allgemeines:

Titel: Behalt das Leben lieb
Autor: Jaap ter Haar
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. März 1980)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423078057
ISBN-13: 978-3423078054
ASIN: B00BFS53XU
Preis: 12,99€ (Gebundene Ausgabe)
5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)
Seitenzahl: 144 Seiten



Inhalt:


Durch einen Unfall verliert der 13-jährige Beer sein Augenlicht. In der nächsten Zeit durchlebt er Phasen der tiefsten Niedergeschlagenheit, aber auch Augenblicke der Hoffnung. Seine Familie wird vor Probleme gestellt, die nur mit viel Einfühlungsvermögen zu bewältigen sind.


Bewertung:

Dieses Buch habe ich mir vor einigen Jahren einmal zugelegt, da die vielen Preise, die der Roman gewonnen hat und vor allem auch das Thema mich neugierig werden ließ. Als ich jetzt endlich dazu kam es zu lesen, war ich aufgrund des geringen Umfangs der Geschichte schnell wieder fertig, trotzdem konnte das Buch mich wirklich erreichen und berühren.

"Phantasie? Für Beer war es ein Erlebnis. Denn: wenn man blind war, brauchte die Welt deshalb nicht kleiner zu werden. In Gedanken konnte man sie so groß, so schön oder so hässlich machen, wie man wollte."

Der kurze Jugendroman des holländischen Autors Jaap ter Haar ist schon eine ganze Weile auf dem Markt (seit 1973) und in etlichen verschiedenen Auflagen und Ausgaben auf der ganzen Welt erschienen, die neuste Auflage von 1980 ist meiner Meinung nach jedoch die ansprechendste. Zusehen ist im Vordergrund ein Junge mit einem Fußball auf dem Schoß, der scheinbar verträumt in die Leere starrt - ein Blinder, was auch die erhobene Blindenschrift auf der rechten Seite des Coverrandes bezeugt. Darüber im hellen Himmel, der im starken Kontrast zum Vordergrund fast weiß erscheint, schwebt der Titel in verschiedenen Rottönen. Der Fußball hat hier eine symbolische Wirkung für alles, was Berend durch die Erblindung verloren hat. Denn neben dem Fußball spielen gestalten sich auch andere Dinge in seinem Alltag zukünftig als schwierig. Da der Junge ganz wunderbar zu Beer passt und sein in sich gekehrter Gesichtsausdruck auch super die nachdenkliche Atmosphäre des Romans widerspiegelt, habe ich mich diesmal auch nicht einmal an der abgebildeten Person gestört- Der Titel passt natürlich ganz wunderbar und trotz dass der Roman oft als Pflichtlektüre für 8./9. Klässler angesetzt wird, hatte ich viel Spaß beim Lesen.

Erster Satz: "Ein schreckenerregender Schrei, von Angst und rasendem Schmerz erfüllt."

Das kurze Büchlein beginnt mit Berends Unfall, bei dem der 13-jährige von einer Heugabel das Augenlicht gestohlen bekommt. Als er im Krankenhaus mit einem dicken Verband um seine Augen in ständiger Dunkelheit erwacht, ist ihm noch nicht klar, was das für sein Leben alles bedeutet. Er wird dann schließlich doch mit der Tatsache konfrontiert, dass er bis ans Ende seine Lebens blind sein wird und verliert er beinahe allen Mut. Zusammen mit seinen schrägen aber liebenswürdigen Kumpanen aus dem Krankenhaus Saal 3, der Krankenschwester Will mit einem vernarbten Gesicht, seinen Eltern und einem todgeweihten Psychologie-Studenten, schafft er es jedoch, mit seinem Schicksal zurechtzukommen. Trotz seiner Verzweiflung und Angst, erfährt Beer auch immer wieder Augenblicke der Hoffnung, die ihm Wege, sein neues Leben anzunehmen und zu meistern, aufzeigen...


"In Fieberträumen war er bewusstlos in die tiefe, unerreichbare Welt hinabgetaucht, die auf dem Grunde jedes Menschen verborgen liegt. Dort bewegte er sich in dunklen Tunneln, sah drohende Ungeheuer und geriet in eine zeitlose Angst. Do er ging in der Tiefe auch durch grüne Landschaften; und Gefühle des Glücks bewiesen, dass das Tiefste der menschlichen Seele nicht allein vom Elend erfüllt ist."


Die kurze Geschichte zeigt den Weg eines Jungen auf, der versucht mit seiner plötzlichen Behinderung klarzukommen, denn das ist die Blindheit definitiv. Dinge, die vorher ganz natürlich waren und zum Alltag gehörten, werden plötzlich schwer: lesen, schreiben, laufen, sich waschen, essen, ... all das kann er ohne fremde Hilfe zunächst nicht mehr tun. Auch Hobbys wie Fahrrad fahren oder Fußball spielen fallen nun flach, was ihn zuerst in eine tiefe Krise stürzt. Auf sehr berührende und mitreißende Art und Weise wird dargestellt, wie Berend es schließlich schafft, der Niedergeschlagenheit und vieler Rückschläge zu trotzen und neu anzufangen. Er entdeckt, dass es für fast jedes Problem eine Möglichkeit gibt, damit richtig umzugehen, wenn man nur genügend Hilfe bekommt und sich gegen falsches Mitleid und Depressionen wehrt. Und wenn man eines schafft: das Leben lieb zu behalten.


"Wenn sogar der Tod dein Freund sein kann, dann kann auch die Blindheit ein guter Kamerad werden, Ich möchte so gern, dass du das Leben lieb behältst, wenn es auch manchmal enttäuscht!"


Zusammen mit dem Studenten kommt der Junge auf jede Menge Gedanken, fast schon weise Erkenntnisse und lernt, Menschen neu wahrzunehmen. Auch wenn diese Erkenntnisse manchmal ein wenig aufgesetzt schlau wirken und gezwungenermaßen cleverer wirken als die mancher Erwachsener, hat es mir sehr viel Spaß gemacht, die Entwicklung um den jungen Berend und seine Familie und Freunde zu verfolgen, was man nicht zuletzt auch dem packenden Schreibstil zuschreiben kann, der die schnelle Geschichte, die aus vielen kurzen Einzelszenen besteht, gut zusammenhält.


"Mann", sagte Beer erleichtert. Wenn er auch blind geworden war, das Wichtigste war dennoch nicht verloren gegangen. Menschen konnte man auch mit verschlossenen Augen lieben."


Die Geschichte kann dabei als kleine Parabel auf das Leben gesehen werden. Der totkranke Student zeigt uns, dass es immer noch schlimmere Schicksale gibt, als das eigene und dass man auch im Unglück noch dankbar sein kann. Die vernarbte Schwester Will und die hübsche aber unerträgliche Schwester Annie, zeigen uns, dass es die inneren Werte sind, die zählen. Beer erklärt uns, blind wir sehenden manchmal sein können, wo wir doch das Offensichtliche oft übersehen und wie eine Reduzierung auf andere Sinne weitsichtiger machen kann. Insgesamt erinnert das Buch uns daran, wie schön das Leben eigentlich ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn es einem gut geht. Ständig kommt dabei die Frage aus: Wie würde ich mit der plötzlichen Behinderung umgehen? Und man kann sich automatisch mit Berend und seinem ganzen Umfeld identifizieren.


"Es wurde eine verzweifelt lange, dunkle Nacht für Beer. Er hatte das Gefühl, seine ganze Existenz liege in Scherben und es fehle ihm die Kraft, die Scherben zusammenzufegen."


Denn wenn wir ehrlich sind: haben wir nicht auch immer wieder Tage, an denen wir fest davon überzeugt sind, unser Leben ist am Ende und uns fühlen, als würden wir in einem riesigen, dunklen Loch verschwinden. Dieses Buch macht Mut, daraus herauszuklettern, auch wenn man blind ist, Angst hat oder von anderen Problemen geplagt wird - es gibt immer einen Weg hinaus ans Licht!


Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"Beer lief zum offenen Fenster und atmete die Frühlingsluft tief ein. Und es war, als trüge ihm der ware Wind die Worte des Studenten zu: "Beer, was einen Menschen wirklich blind macht und lähmt, das sind Misstrauen, Angst und Auflehnung. Die machen alles dunkel. Aber mit ein bisschen Guben, ein bisschen Mut und ein bisschen Lebensbejahung bleibt es hell!" (...)
"Ja", sagte Beer laut. Er hatte das Licht in seiner Hand."



Fazit:

Eine einfühlsame und lebensbejahende Geschichte, die uns Lesern zeigt, wie schön das Leben eigentlich ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn es einem gut geht. Kurz, klug und kraftvoll

Veröffentlicht am 02.02.2018

Was einen Menschen wirklich blind macht...

Behalt das Leben lieb
0

Allgemeines:

Titel: Behalt das Leben lieb
Autor: Jaap ter Haar
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. März 1980)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423078057
ISBN-13: 978-3423078054
ASIN: B00BFS53XU
Preis: 12,99€ (Gebundene ...

Allgemeines:

Titel: Behalt das Leben lieb
Autor: Jaap ter Haar
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. März 1980)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423078057
ISBN-13: 978-3423078054
ASIN: B00BFS53XU
Preis: 12,99€ (Gebundene Ausgabe)
5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)
Seitenzahl: 144 Seiten



Inhalt:


Durch einen Unfall verliert der 13-jährige Beer sein Augenlicht. In der nächsten Zeit durchlebt er Phasen der tiefsten Niedergeschlagenheit, aber auch Augenblicke der Hoffnung. Seine Familie wird vor Probleme gestellt, die nur mit viel Einfühlungsvermögen zu bewältigen sind.


Bewertung:

Dieses Buch habe ich mir vor einigen Jahren einmal zugelegt, da die vielen Preise, die der Roman gewonnen hat und vor allem auch das Thema mich neugierig werden ließ. Als ich jetzt endlich dazu kam es zu lesen, war ich aufgrund des geringen Umfangs der Geschichte schnell wieder fertig, trotzdem konnte das Buch mich wirklich erreichen und berühren.

"Phantasie? Für Beer war es ein Erlebnis. Denn: wenn man blind war, brauchte die Welt deshalb nicht kleiner zu werden. In Gedanken konnte man sie so groß, so schön oder so hässlich machen, wie man wollte."

Der kurze Jugendroman des holländischen Autors Jaap ter Haar ist schon eine ganze Weile auf dem Markt (seit 1973) und in etlichen verschiedenen Auflagen und Ausgaben auf der ganzen Welt erschienen, die neuste Auflage von 1980 ist meiner Meinung nach jedoch die ansprechendste. Zusehen ist im Vordergrund ein Junge mit einem Fußball auf dem Schoß, der scheinbar verträumt in die Leere starrt - ein Blinder, was auch die erhobene Blindenschrift auf der rechten Seite des Coverrandes bezeugt. Darüber im hellen Himmel, der im starken Kontrast zum Vordergrund fast weiß erscheint, schwebt der Titel in verschiedenen Rottönen. Der Fußball hat hier eine symbolische Wirkung für alles, was Berend durch die Erblindung verloren hat. Denn neben dem Fußball spielen gestalten sich auch andere Dinge in seinem Alltag zukünftig als schwierig. Da der Junge ganz wunderbar zu Beer passt und sein in sich gekehrter Gesichtsausdruck auch super die nachdenkliche Atmosphäre des Romans widerspiegelt, habe ich mich diesmal auch nicht einmal an der abgebildeten Person gestört- Der Titel passt natürlich ganz wunderbar und trotz dass der Roman oft als Pflichtlektüre für 8./9. Klässler angesetzt wird, hatte ich viel Spaß beim Lesen.

Erster Satz: "Ein schreckenerregender Schrei, von Angst und rasendem Schmerz erfüllt."

Das kurze Büchlein beginnt mit Berends Unfall, bei dem der 13-jährige von einer Heugabel das Augenlicht gestohlen bekommt. Als er im Krankenhaus mit einem dicken Verband um seine Augen in ständiger Dunkelheit erwacht, ist ihm noch nicht klar, was das für sein Leben alles bedeutet. Er wird dann schließlich doch mit der Tatsache konfrontiert, dass er bis ans Ende seine Lebens blind sein wird und verliert er beinahe allen Mut. Zusammen mit seinen schrägen aber liebenswürdigen Kumpanen aus dem Krankenhaus Saal 3, der Krankenschwester Will mit einem vernarbten Gesicht, seinen Eltern und einem todgeweihten Psychologie-Studenten, schafft er es jedoch, mit seinem Schicksal zurechtzukommen. Trotz seiner Verzweiflung und Angst, erfährt Beer auch immer wieder Augenblicke der Hoffnung, die ihm Wege, sein neues Leben anzunehmen und zu meistern, aufzeigen...


"In Fieberträumen war er bewusstlos in die tiefe, unerreichbare Welt hinabgetaucht, die auf dem Grunde jedes Menschen verborgen liegt. Dort bewegte er sich in dunklen Tunneln, sah drohende Ungeheuer und geriet in eine zeitlose Angst. Do er ging in der Tiefe auch durch grüne Landschaften; und Gefühle des Glücks bewiesen, dass das Tiefste der menschlichen Seele nicht allein vom Elend erfüllt ist."


Die kurze Geschichte zeigt den Weg eines Jungen auf, der versucht mit seiner plötzlichen Behinderung klarzukommen, denn das ist die Blindheit definitiv. Dinge, die vorher ganz natürlich waren und zum Alltag gehörten, werden plötzlich schwer: lesen, schreiben, laufen, sich waschen, essen, ... all das kann er ohne fremde Hilfe zunächst nicht mehr tun. Auch Hobbys wie Fahrrad fahren oder Fußball spielen fallen nun flach, was ihn zuerst in eine tiefe Krise stürzt. Auf sehr berührende und mitreißende Art und Weise wird dargestellt, wie Berend es schließlich schafft, der Niedergeschlagenheit und vieler Rückschläge zu trotzen und neu anzufangen. Er entdeckt, dass es für fast jedes Problem eine Möglichkeit gibt, damit richtig umzugehen, wenn man nur genügend Hilfe bekommt und sich gegen falsches Mitleid und Depressionen wehrt. Und wenn man eines schafft: das Leben lieb zu behalten.


"Wenn sogar der Tod dein Freund sein kann, dann kann auch die Blindheit ein guter Kamerad werden, Ich möchte so gern, dass du das Leben lieb behältst, wenn es auch manchmal enttäuscht!"


Zusammen mit dem Studenten kommt der Junge auf jede Menge Gedanken, fast schon weise Erkenntnisse und lernt, Menschen neu wahrzunehmen. Auch wenn diese Erkenntnisse manchmal ein wenig aufgesetzt schlau wirken und gezwungenermaßen cleverer wirken als die mancher Erwachsener, hat es mir sehr viel Spaß gemacht, die Entwicklung um den jungen Berend und seine Familie und Freunde zu verfolgen, was man nicht zuletzt auch dem packenden Schreibstil zuschreiben kann, der die schnelle Geschichte, die aus vielen kurzen Einzelszenen besteht, gut zusammenhält.


"Mann", sagte Beer erleichtert. Wenn er auch blind geworden war, das Wichtigste war dennoch nicht verloren gegangen. Menschen konnte man auch mit verschlossenen Augen lieben."


Die Geschichte kann dabei als kleine Parabel auf das Leben gesehen werden. Der totkranke Student zeigt uns, dass es immer noch schlimmere Schicksale gibt, als das eigene und dass man auch im Unglück noch dankbar sein kann. Die vernarbte Schwester Will und die hübsche aber unerträgliche Schwester Annie, zeigen uns, dass es die inneren Werte sind, die zählen. Beer erklärt uns, blind wir sehenden manchmal sein können, wo wir doch das Offensichtliche oft übersehen und wie eine Reduzierung auf andere Sinne weitsichtiger machen kann. Insgesamt erinnert das Buch uns daran, wie schön das Leben eigentlich ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn es einem gut geht. Ständig kommt dabei die Frage aus: Wie würde ich mit der plötzlichen Behinderung umgehen? Und man kann sich automatisch mit Berend und seinem ganzen Umfeld identifizieren.


"Es wurde eine verzweifelt lange, dunkle Nacht für Beer. Er hatte das Gefühl, seine ganze Existenz liege in Scherben und es fehle ihm die Kraft, die Scherben zusammenzufegen."


Denn wenn wir ehrlich sind: haben wir nicht auch immer wieder Tage, an denen wir fest davon überzeugt sind, unser Leben ist am Ende und uns fühlen, als würden wir in einem riesigen, dunklen Loch verschwinden. Dieses Buch macht Mut, daraus herauszuklettern, auch wenn man blind ist, Angst hat oder von anderen Problemen geplagt wird - es gibt immer einen Weg hinaus ans Licht!


Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"Beer lief zum offenen Fenster und atmete die Frühlingsluft tief ein. Und es war, als trüge ihm der ware Wind die Worte des Studenten zu: "Beer, was einen Menschen wirklich blind macht und lähmt, das sind Misstrauen, Angst und Auflehnung. Die machen alles dunkel. Aber mit ein bisschen Guben, ein bisschen Mut und ein bisschen Lebensbejahung bleibt es hell!" (...)
"Ja", sagte Beer laut. Er hatte das Licht in seiner Hand."



Fazit:

Eine einfühlsame und lebensbejahende Geschichte, die uns Lesern zeigt, wie schön das Leben eigentlich ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn es einem gut geht. Kurz, klug und kraftvoll.

Veröffentlicht am 17.01.2018

Voller Magie, WItz, Ernsthaftigkeit und ein wenig Tiefsinn

Imago
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Allgemeines:

Titel: Imago
Autor: Isabel Abedi
Verlag: Arena (1. Januar 2008)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3401029088
ISBN-13: 978-3401029085
ASIN: B00AAT6K9Q
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Imago
Autor: Isabel Abedi
Verlag: Arena (1. Januar 2008)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3401029088
ISBN-13: 978-3401029085
ASIN: B00AAT6K9Q
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ (gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 408 Seiten


Inhalt:

Ein geheimnisvolle Ausstellung, ein magischer Zirkus, viele fehlende Väter und zwei Jugendliche, die lernen ihre Angst zu besiegen.


Wanja liebt sie - diese Minuten vor Mitternacht, kurz bevor auf ihrem Radiowecker alle vier Ziffern auf einmal wegkippen und eine ganz neue Zeit erscheint. Doch heute um Mitternacht verändert sich nicht nur das Datum für Wanja. Sie bekommt eine geheimnisvolle Einladung zu der Ausstellung Vaterbilder. Und damit einen Schlüssel, der die Tür zu einer anderen Welt öffnet: in das Land Imago.


Bewertung:

Nachdem mich Isabel Abedi schon in "Whisper" und "Lucian" durch einen magischen Schreibstil, liebevolle Charakterzeichnungen und einer krassen Ambivalenz, die sowohl Witz und Tiefgang auf wundersame Weise zu vereinen weiß, verzaubert hat, musste ich natürlich auch "Imago" lesen. Da sich diese Geschichte um die 12-jährige Wanja dreht, die aus ihrem Teenie-Leben erzählt ist diese Geschichte eher als Jugendbuch oder sogar Kinderbuch für Leser ab 10 Jahren einzuordnen, die tiefsinnige Story mit viel Herz kann ich aber auch jedem Erwachsenen gut empfehlen! Wie auch schon in ihren vorangegangenen Romanen verbindet Isabel Abedi in ihrem Buch die eiskalte, harte Realität mit etwas Magischen, Irrealen, wodurch die Geschichte sehr abwechslungsreich ist. In "Imago" vereint die Autorin Familie, Freundschaft, Mut und die Suche nach seiner eigenen Identität, zu einem großartigen Roman.


"In drei Minuten war Mitternacht. In zwei, in einer, jetzt. Die Ziffern klappten nach hinten. 00:00 Uhr. Alles blieb still. (...) Nur ihr Herz hörte Wanja schlagen. Sie legte die Hand auf die Stelle. Es war etwas geschehen. Und Wanja fühlte, dass dieses Etwas erst der Anfang war."


Das Cover des Romans ist in nun fast schon typischer Abedi-Manier gehalten: ein schwarzer Hintergrund, der nur durch einen farblichen Highlight und ein Motiv unterbrochen wird. In diesem Fall ist das Highlight gelb und ein geheimnisvoller Bilderrahmen mit goldenen Rankenmustern lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Insgesamt also eine sehr schlichte Gestaltung, die aber dennoch Interesse weckt und durchaus ansprechend aussieht. Der Bilderrahmen passt natürlich wunderbar zur Geschichte, auch wenn er der Vollständigkeit halber eigentlich rot hätte sein müssen. Trotzdem bin ich ganz zufrieden mit der Gestaltung, die somit wunderbar zu den anderen Büchern passt, die schon von der Autorin in meinem Schrank stehen.


Erste Sätze: "Erzähl mir nicht, wie mein Vater zu sein hat. Du weißt ja noch nicht mal, wie deiner aussieht!"


Mit dieser verletzenden Aussage Brittas gegenüber ihrer Freundin wird die Grundproblematik des Buches zum ersten Mal aufgegriffen:
Die Vaterfigur spielt eine große Rolle, nach dem in "Whisper" vor allem Mutter-Tochter Beziehungen gut ausgeleuchtet wurden. Die junge Wanja hat keinen Vater, sie lebt alleine mit ihrer Mutter Jo und ihrem alten Kater Schröder in einem hübschen, alten Haus am Wald in der Nähe von Hamburg. Unter ihrem nicht vorhandenen Vater leidet Wanja nicht so sehr wie unter der Ungewissheit und dem ständigen Totschweigen ihrer Mutter. Die Geschichte beginnt ehrlich gesagt ein wenig schnarchig und relativ zurückhaltend. Während die Autorin sich sehr viel Zeit nimmt, uns die Protagonistin Wanja und ihr normales Leben mit allen Alltagsproblemen genau vorzustellen, hat mir noch das gewisse Etwas gefehlt.


"In Wanja kippte etwas. Sie stand plötzlich an der Schwelle eines Gefühls, das die meisten Menschen vielleicht in ihrem ganzen Leben nicht empfinden. Es war mehr eine Ahnung als ein Gefühl; ein seltsames Wissen darum, dass ab diesem Moment alles möglich war - und Wanja war bereit, sich darauf einzulassen."


Als Wanja dann mitten in der Nacht eine geheimnisvolle Einladung zu einer Kunstausstellung namens "Vaterbilder" bekommt, erwacht in ihr die Hoffnung, endlich mehr über ihre Wurzeln herauszufinden. In der geheimnisvollen Ausstellung stehen für die geladenen Jugendlichen Bilder mit unterschiedlichen Motiven bereit, die Portale in eine andere Welt darstellen: Imago. Mit dem Auftreten dieses Fantasy-Motivs kommt ordentlich Schwung und magische Atmosphäre in die Handlung und Realität und Fiktion vermengen sich zu einer kunterbunten, fantastischen Mischung.
Als Wanja schließlich ein Bild mit einem eleganten Akrobaten auf einem Trapez entdeckt, weiß sie sofort, dass es ihr Bild ist und schwupst landet sie im Zirkus Anima, wo sie den Akrobaten Taro und eine ganze Reihe anderer Artisten kennenlernt. Doch Wanja ist nicht allein in den Zirkus gekommen, auch Mischa, ein älterer, etwas vernachlässigt aussehender Junge aus ihrer Schule, ist mit ihr aus dem Bild gestiegen. Während sie das abenteuerliche Zirkusleben genießen, tauchen jedoch auch in Imago eine Menge Probleme auf und bald wird klar, dass die ganze Ausstellung nur einem Zweck dient: den Mut zu finden, über sich selbst hinauszuwachsen und sich der unangenehmen Wahrheiten der Realität zu stellen...


"Der Moment, in dem sich unsere tiefsten Wünsche erfüllen, erzeugt Angst."


Schnell wird klar, dass die ganze Fantasiegeschichte eigentlich mehr als Metapher dient und auf übertragener Ebene verstanden werden kann. Denn die Geschichte über zwei Kinder auf der Suche nach ihren Wurzeln ist nur voll von allen möglichen anderen Arten von Gefühlen und Gedanken, die das Erwachsenwerden und das ganze weitere Leben bestimmen. Gerade die Verbindung aus spannender und magischer Fantasiewelt voller Abenteuer, Musik und Liebe und berührenden tragischen Geschichten in der Realität, die sich immer wieder in Wanjas Hamburger Alltag mischen, macht diese Geschichte so besonders.
Wieder werden einige schwierige Themen wunderbar sanft aber dennoch direkt genug angesprochen. Der Alkoholmissbrauch und die Gewalttätigkeit Mischas Vaters zum Beispiel, oder wie schwer es sein kann, wenn man weg ziehen muss, wie beispielsweise Tina, die Eltern sich trennen wie Brittas Eltern oder ein Haustier stirbt. Viele kleine und große Probleme werden angesprochen und es ergibt sich ein stimmiger Mix aus der Suche nach der eigenen Identität, Probleme in der Familie, Angst vor dem Erwachsenwerden, Konfrontation mit Respektspersonen, Auseinandersetzung mit der Kindheit, Liebe, Freundschaft, unerfüllte Träume und die Frage, was man sich selbst zutraut und was nicht. Mut nimmt eine ganz wichtige Rolle ein und der Leser selbst wird während dem Lesen indirekt in seinen Fähigkeiten, Ängsten und Träumen bestätigt.


"Stille kann peinlich sein, drückend, verbissen oder unheimlich. Stille kann Stillstand bedeuten, wie bei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, oder sie kann durch Einsamkeit entstehen, wie bei Menschen, die niemanden mehr haben, dem sie etwas sagen können. Die Stille, die Wanja hier umgab hatte nichts on alledem. Es war eine seltene Form der Stille, die groß und vollkommen ist und die noch reicher wird, wenn man sie mit Menschen teil, die einem nahe sind."


Da verzeiht man es der Geschichte natürlich nur zu gerne, dass sie Großteils ein wenig hervorsehbar in ihrer Entwicklung ist. Was mit Brittas Eltern passieren wird, bahnt sich ganz klar an, genau wie Wanjas Verbindung zu Mischa von Anfang an nur allzu deutlich erscheint. Doch dieses Buch hat es nicht nötig, durch offensichtliche Spannung zu fesseln und mit überraschenden Wendungen bei Stange zu halten, alleine die magische Atmosphäre, die mir ständig eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat, reicht aus, um mich zu fesseln. So liegt über jeder stinknormalen Alltagshandlung eine stetige Grundspannung, welche auch gerade durch die wenigen Einschübe aus dem Land Imago aufrechterhalten wird. Das abenteuerliche Zirkusleben, welches auch in mir den Traum geweckt hat, für eine kurze Zeit Teil dieser lebendigen und schillernden Gemeinschaft zu werden, ist eine Sache, der grausam-böse erscheinende Vogel, der alle Farbe aus Imago fegt, wenn er auftaucht und die Idylle durch Attacken auf Taro stört, eine andere. Einige gruselige und sogar blutige Szenen haben mich kurz zweifeln lassen, ob man dieses Buch wirklich 10jährigen empfehlen sollte. Der leichte Anflug von Bedrohung und Panik deckt den sonst so lustigen, lebensfrohen Erzählstil ein wenig zu und flechtet düstere, melancholische Elemente mit ein. Vor allem aber die Bestätigung ihrer Talente und die Aufmerksamkeit, die die beiden Heranwachsenden im Zirkus Anima erhalten, vor allem vom Akrobaten und Musiker Taro, machen die kurzen Stunden in Imago noch kostbarer für die beiden.


"Die großen Geheimnisse sind immer offensichtlich."


Auch ich habe mich immer besonders auf die Besuche gefreut, denen immer ein Zauber und eine leichte Poesie inne wohnten.
Allgemein ist der Schreibstil jedoch von vielen liebevollen Details, einem lockeren Witz und emotionalen Szenen geprägt. So lockern zum Beispiel der Schweinetick ihrer Mutter, die vielen süße Spitznamen, die sie Wanja gibt, oder der quirlig/nervige Nachbarsjunge mit dem wohlklingenden Namen Breien alias Brian Trockenbrodt, die Atmosphäre ordentlich auf.

Neben dem Plot an sich begeistert vor allem die liebevolle Charaktergestaltung, die sehr breit gefächert ist, auch wenn auf unserer Protagonistin Wanja Walters, als personale Erzählerin, das Hauptaugenmerk liegt. Das junge Mädchen hat eine Begabung für Geschichten und das Trapez, hasst Mathematik und vor allem ihren Lehrer Herr Schönhaupt, ist ein kleiner Wirbelwind und entwickelt sich rasend schnell in dieser Geschichte. Zu Beginn hatte ich noch recht große Probleme, mich mit ihr zu identifizieren, da sie noch so jung war, dann aber doch teilweise so viel älter wirkte, weshalb ich mich schlecht auf sie einstellen konnte. Im Laufe der Geschichte wird ihre Unsicherheit immer weniger und die Geborgenheit Imagos lässt sie über sich hinauswachsen. Zu ihrer Mutter Jo hat sie ein recht schwieriges Verhältnis. Eigentlich haben sich beide sehr lieb und können auch recht viel miteinander anfangen, Jo arbeitet jedoch viel zu viel, ist fast immer gestresst und versteht ihre Tochter nicht mehr. Dazu kommt, dass zwischen den beiden die ungeklärte Vaterfrage wie eine Mauer steht, sodass man anfangs relativ wenig Verständnis für die junge Jo hat und eher zu Wanja hält, die ein wenig enttäuscht von ihrer Mutter ist. Später bekommt jedoch auch die junge Mutter eine nennenswerte Geschichte und man versteht besser, weshalb sie sich so verhält.


"Wanja verstummte. Sie sah auf Mischa herab. Tränen liefen lautlos über ihre Wangen. Es war unendlich still. Und aus dieser Stille erhob sich ein Gefühl."


Mischa Konjow ist ein Jahr älter als Wanja und in sehr schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Im Gegensatz zu Wanja hat er zwar einen Vater, er ist jedoch ein gewalttätiger, ekelhafter Trinker, der seine Familie schlecht behandelt, weshalb ihm lieber wäre, er hätte gar keinen. Wanjas oberflächliche Freundinnen nennen ihn den "Penner" und verurteilen ihn wegen seinem etwas verlotterten Äußeren, seiner zerrissenen Jeans und der abgetragenen Cordjacke, die er immer trägt. Doch während sich Wanja und er besser kennenlernen, da sie dieselben Gefühle für Imago und Taro haben, erfahren wir, wie sehr er unter seinem Vater leidet und sich deshalb in die Musik und Kunst flüchtet. Auch sein Charakter hat mich sehr berührt, auch wenn er nicht wirklich in den Altersbereich gefallen ist, mit dem ich mich sonst beschäftige.

Die erstaunlich vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten der Nebencharaktere, die vielschichtig und farbenfroh beschrieben wurden, hauchen der ganzen Geschichte ordentlich Leben ein, auch wenn es fast mehr sind, als für die eigentliche Geschichte notwendig gewesen wären. Vor allem die farbenrohe Zirkustruppe hat es mir sehr angetan. Neben Taro, der eine absolute Schlüsselrolle einnimmt, sorgen noch der Turban tragende Zirkusdirektor Baba, der mutige Feuerschlucker Perum, die wunderschöne Sängerin Noaeh, der traurige Clown Reimundo, die dunkel schillernde Schwarze Witwe Madame Nui, der witzige Zauberer Pati Tatü mit den gelben Blumenkohllocken, die stumme Schlangenfrau Sulana, der alte und geheimnisvolle Zauberer Amon, die starken Zwillinge Thyrm und Thyra und auch die katzenhafte Turnerin Gata für ordentlich Schwung. Auch Jos beste Freundin Flora war ein schillernder Charakter, der mir sehr gefallen hat.


"Und dann lächelte er. Stand da und lächelte, und Wanja fühlte, wie eine tiefe Traurigkeit in ihr aufstieg. Wie eine Welle bäumte sie sich in ihr auf, stieg höher und höher, strömte aus ihren Augen und lief ihr als Tränen die Wangen herab, groß und leise, wie das Lächeln des Clowns."


Ich denke, dass jeder einen Zirkus Anima braucht um schwere Zeiten, Findungsphasen oder andere Probleme überwinden zu können. Einfach abschalten, an etwas anderes denken, gut zugeredet bekommen, wahrgenommen werden und sich wirklich ausleben können um wieder neuen Mut und Kraft für den alltäglichen Kampf zu schöpfen - dass können viele Orte und Menschen für einen bewirken. Doch gerade wenn man als Kind nicht genug Zuwendung erhält, nicht mit genügend Stabilität und Gewissheit aufwächst, muss man sich solche Orte wo anders suchen. Diese Geschichte hat mir gezeigt, dass auch die Fantasie ein wunderbarer Ausweg sein kann und immer das real ist, was wir als solches empfinden. Wir wünschen uns so viele Dinge, malen die buntesten Bilder und Träume in unseren Köpfen, aber auch dort kommen früher oder später dunkle Wolken auf. Und um genau diese Bilder in unsere Realität zu übertragen, müssen wir den Auslöser für die dunklen Wolken finden und diesen bekämpfen. So dürfen wir zwar alle Träumer bleiben und auf unerwartete Fügungen hoffen, werden aber auch dazu angehalten uns aufzuraffen und unser Schicksal selber in die Hand zu nehmen.


"Und wenn sich unser Innerstes für eine Welt öffnet […], dann öffnet sich diese Welt auch für unser Innerstes und wird unsere Wirklichkeit – solange wir es brauchen."




Fazit:

Eine magische, berührende Geschichte über die Suche nach der eigenen Identität gepaart mit der Sehnsucht nach der Erfüllung von Träumen. Voller Magie, Witz, Ernsthaftigkeit und ein wenig Tiefsinn - für jedermann zu empfehlen!

Veröffentlicht am 17.01.2018

Voller Magie, Witz, Ernsthaftigkeit und ein wenig Tiefsinn

Imago
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Allgemeines:

Titel: Imago
Autor: Isabel Abedi
Verlag: Arena (1. Januar 2008)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3401029088
ISBN-13: 978-3401029085
ASIN: B00AAT6K9Q
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Imago
Autor: Isabel Abedi
Verlag: Arena (1. Januar 2008)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3401029088
ISBN-13: 978-3401029085
ASIN: B00AAT6K9Q
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ (gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 408 Seiten


Inhalt:

Ein geheimnisvolle Ausstellung, ein magischer Zirkus, viele fehlende Väter und zwei Jugendliche, die lernen ihre Angst zu besiegen.


Wanja liebt sie - diese Minuten vor Mitternacht, kurz bevor auf ihrem Radiowecker alle vier Ziffern auf einmal wegkippen und eine ganz neue Zeit erscheint. Doch heute um Mitternacht verändert sich nicht nur das Datum für Wanja. Sie bekommt eine geheimnisvolle Einladung zu der Ausstellung Vaterbilder. Und damit einen Schlüssel, der die Tür zu einer anderen Welt öffnet: in das Land Imago.


Bewertung:

Nachdem mich Isabel Abedi schon in "Whisper" und "Lucian" durch einen magischen Schreibstil, liebevolle Charakterzeichnungen und einer krassen Ambivalenz, die sowohl Witz und Tiefgang auf wundersame Weise zu vereinen weiß, verzaubert hat, musste ich natürlich auch "Imago" lesen. Da sich diese Geschichte um die 12-jährige Wanja dreht, die aus ihrem Teenie-Leben erzählt ist diese Geschichte eher als Jugendbuch oder sogar Kinderbuch für Leser ab 10 Jahren einzuordnen, die tiefsinnige Story mit viel Herz kann ich aber auch jedem Erwachsenen gut empfehlen! Wie auch schon in ihren vorangegangenen Romanen verbindet Isabel Abedi in ihrem Buch die eiskalte, harte Realität mit etwas Magischen, Irrealen, wodurch die Geschichte sehr abwechslungsreich ist. In "Imago" vereint die Autorin Familie, Freundschaft, Mut und die Suche nach seiner eigenen Identität, zu einem großartigen Roman.


"In drei Minuten war Mitternacht. In zwei, in einer, jetzt. Die Ziffern klappten nach hinten. 00:00 Uhr. Alles blieb still. (...) Nur ihr Herz hörte Wanja schlagen. Sie legte die Hand auf die Stelle. Es war etwas geschehen. Und Wanja fühlte, dass dieses Etwas erst der Anfang war."


Das Cover des Romans ist in nun fast schon typischer Abedi-Manier gehalten: ein schwarzer Hintergrund, der nur durch einen farblichen Highlight und ein Motiv unterbrochen wird. In diesem Fall ist das Highlight gelb und ein geheimnisvoller Bilderrahmen mit goldenen Rankenmustern lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Insgesamt also eine sehr schlichte Gestaltung, die aber dennoch Interesse weckt und durchaus ansprechend aussieht. Der Bilderrahmen passt natürlich wunderbar zur Geschichte, auch wenn er der Vollständigkeit halber eigentlich rot hätte sein müssen. Trotzdem bin ich ganz zufrieden mit der Gestaltung, die somit wunderbar zu den anderen Büchern passt, die schon von der Autorin in meinem Schrank stehen.


Erste Sätze: "Erzähl mir nicht, wie mein Vater zu sein hat. Du weißt ja noch nicht mal, wie deiner aussieht!"


Mit dieser verletzenden Aussage Brittas gegenüber ihrer Freundin wird die Grundproblematik des Buches zum ersten Mal aufgegriffen:
Die Vaterfigur spielt eine große Rolle, nach dem in "Whisper" vor allem Mutter-Tochter Beziehungen gut ausgeleuchtet wurden. Die junge Wanja hat keinen Vater, sie lebt alleine mit ihrer Mutter Jo und ihrem alten Kater Schröder in einem hübschen, alten Haus am Wald in der Nähe von Hamburg. Unter ihrem nicht vorhandenen Vater leidet Wanja nicht so sehr wie unter der Ungewissheit und dem ständigen Totschweigen ihrer Mutter. Die Geschichte beginnt ehrlich gesagt ein wenig schnarchig und relativ zurückhaltend. Während die Autorin sich sehr viel Zeit nimmt, uns die Protagonistin Wanja und ihr normales Leben mit allen Alltagsproblemen genau vorzustellen, hat mir noch das gewisse Etwas gefehlt.


"In Wanja kippte etwas. Sie stand plötzlich an der Schwelle eines Gefühls, das die meisten Menschen vielleicht in ihrem ganzen Leben nicht empfinden. Es war mehr eine Ahnung als ein Gefühl; ein seltsames Wissen darum, dass ab diesem Moment alles möglich war - und Wanja war bereit, sich darauf einzulassen."


Als Wanja dann mitten in der Nacht eine geheimnisvolle Einladung zu einer Kunstausstellung namens "Vaterbilder" bekommt, erwacht in ihr die Hoffnung, endlich mehr über ihre Wurzeln herauszufinden. In der geheimnisvollen Ausstellung stehen für die geladenen Jugendlichen Bilder mit unterschiedlichen Motiven bereit, die Portale in eine andere Welt darstellen: Imago. Mit dem Auftreten dieses Fantasy-Motivs kommt ordentlich Schwung und magische Atmosphäre in die Handlung und Realität und Fiktion vermengen sich zu einer kunterbunten, fantastischen Mischung.
Als Wanja schließlich ein Bild mit einem eleganten Akrobaten auf einem Trapez entdeckt, weiß sie sofort, dass es ihr Bild ist und schwupst landet sie im Zirkus Anima, wo sie den Akrobaten Taro und eine ganze Reihe anderer Artisten kennenlernt. Doch Wanja ist nicht allein in den Zirkus gekommen, auch Mischa, ein älterer, etwas vernachlässigt aussehender Junge aus ihrer Schule, ist mit ihr aus dem Bild gestiegen. Während sie das abenteuerliche Zirkusleben genießen, tauchen jedoch auch in Imago eine Menge Probleme auf und bald wird klar, dass die ganze Ausstellung nur einem Zweck dient: den Mut zu finden, über sich selbst hinauszuwachsen und sich der unangenehmen Wahrheiten der Realität zu stellen...


"Der Moment, in dem sich unsere tiefsten Wünsche erfüllen, erzeugt Angst."


Schnell wird klar, dass die ganze Fantasiegeschichte eigentlich mehr als Metapher dient und auf übertragener Ebene verstanden werden kann. Denn die Geschichte über zwei Kinder auf der Suche nach ihren Wurzeln ist nur voll von allen möglichen anderen Arten von Gefühlen und Gedanken, die das Erwachsenwerden und das ganze weitere Leben bestimmen. Gerade die Verbindung aus spannender und magischer Fantasiewelt voller Abenteuer, Musik und Liebe und berührenden tragischen Geschichten in der Realität, die sich immer wieder in Wanjas Hamburger Alltag mischen, macht diese Geschichte so besonders.
Wieder werden einige schwierige Themen wunderbar sanft aber dennoch direkt genug angesprochen. Der Alkoholmissbrauch und die Gewalttätigkeit Mischas Vaters zum Beispiel, oder wie schwer es sein kann, wenn man weg ziehen muss, wie beispielsweise Tina, die Eltern sich trennen wie Brittas Eltern oder ein Haustier stirbt. Viele kleine und große Probleme werden angesprochen und es ergibt sich ein stimmiger Mix aus der Suche nach der eigenen Identität, Probleme in der Familie, Angst vor dem Erwachsenwerden, Konfrontation mit Respektspersonen, Auseinandersetzung mit der Kindheit, Liebe, Freundschaft, unerfüllte Träume und die Frage, was man sich selbst zutraut und was nicht. Mut nimmt eine ganz wichtige Rolle ein und der Leser selbst wird während dem Lesen indirekt in seinen Fähigkeiten, Ängsten und Träumen bestätigt.


"Stille kann peinlich sein, drückend, verbissen oder unheimlich. Stille kann Stillstand bedeuten, wie bei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, oder sie kann durch Einsamkeit entstehen, wie bei Menschen, die niemanden mehr haben, dem sie etwas sagen können. Die Stille, die Wanja hier umgab hatte nichts on alledem. Es war eine seltene Form der Stille, die groß und vollkommen ist und die noch reicher wird, wenn man sie mit Menschen teil, die einem nahe sind."


Da verzeiht man es der Geschichte natürlich nur zu gerne, dass sie Großteils ein wenig hervorsehbar in ihrer Entwicklung ist. Was mit Brittas Eltern passieren wird, bahnt sich ganz klar an, genau wie Wanjas Verbindung zu Mischa von Anfang an nur allzu deutlich erscheint. Doch dieses Buch hat es nicht nötig, durch offensichtliche Spannung zu fesseln und mit überraschenden Wendungen bei Stange zu halten, alleine die magische Atmosphäre, die mir ständig eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat, reicht aus, um mich zu fesseln. So liegt über jeder stinknormalen Alltagshandlung eine stetige Grundspannung, welche auch gerade durch die wenigen Einschübe aus dem Land Imago aufrechterhalten wird. Das abenteuerliche Zirkusleben, welches auch in mir den Traum geweckt hat, für eine kurze Zeit Teil dieser lebendigen und schillernden Gemeinschaft zu werden, ist eine Sache, der grausam-böse erscheinende Vogel, der alle Farbe aus Imago fegt, wenn er auftaucht und die Idylle durch Attacken auf Taro stört, eine andere. Einige gruselige und sogar blutige Szenen haben mich kurz zweifeln lassen, ob man dieses Buch wirklich 10jährigen empfehlen sollte. Der leichte Anflug von Bedrohung und Panik deckt den sonst so lustigen, lebensfrohen Erzählstil ein wenig zu und flechtet düstere, melancholische Elemente mit ein. Vor allem aber die Bestätigung ihrer Talente und die Aufmerksamkeit, die die beiden Heranwachsenden im Zirkus Anima erhalten, vor allem vom Akrobaten und Musiker Taro, machen die kurzen Stunden in Imago noch kostbarer für die beiden.


"Die großen Geheimnisse sind immer offensichtlich."


Auch ich habe mich immer besonders auf die Besuche gefreut, denen immer ein Zauber und eine leichte Poesie inne wohnten.
Allgemein ist der Schreibstil jedoch von vielen liebevollen Details, einem lockeren Witz und emotionalen Szenen geprägt. So lockern zum Beispiel der Schweinetick ihrer Mutter, die vielen süße Spitznamen, die sie Wanja gibt, oder der quirlig/nervige Nachbarsjunge mit dem wohlklingenden Namen Breien alias Brian Trockenbrodt, die Atmosphäre ordentlich auf.

Neben dem Plot an sich begeistert vor allem die liebevolle Charaktergestaltung, die sehr breit gefächert ist, auch wenn auf unserer Protagonistin Wanja Walters, als personale Erzählerin, das Hauptaugenmerk liegt. Das junge Mädchen hat eine Begabung für Geschichten und das Trapez, hasst Mathematik und vor allem ihren Lehrer Herr Schönhaupt, ist ein kleiner Wirbelwind und entwickelt sich rasend schnell in dieser Geschichte. Zu Beginn hatte ich noch recht große Probleme, mich mit ihr zu identifizieren, da sie noch so jung war, dann aber doch teilweise so viel älter wirkte, weshalb ich mich schlecht auf sie einstellen konnte. Im Laufe der Geschichte wird ihre Unsicherheit immer weniger und die Geborgenheit Imagos lässt sie über sich hinauswachsen. Zu ihrer Mutter Jo hat sie ein recht schwieriges Verhältnis. Eigentlich haben sich beide sehr lieb und können auch recht viel miteinander anfangen, Jo arbeitet jedoch viel zu viel, ist fast immer gestresst und versteht ihre Tochter nicht mehr. Dazu kommt, dass zwischen den beiden die ungeklärte Vaterfrage wie eine Mauer steht, sodass man anfangs relativ wenig Verständnis für die junge Jo hat und eher zu Wanja hält, die ein wenig enttäuscht von ihrer Mutter ist. Später bekommt jedoch auch die junge Mutter eine nennenswerte Geschichte und man versteht besser, weshalb sie sich so verhält.


"Wanja verstummte. Sie sah auf Mischa herab. Tränen liefen lautlos über ihre Wangen. Es war unendlich still. Und aus dieser Stille erhob sich ein Gefühl."


Mischa Konjow ist ein Jahr älter als Wanja und in sehr schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Im Gegensatz zu Wanja hat er zwar einen Vater, er ist jedoch ein gewalttätiger, ekelhafter Trinker, der seine Familie schlecht behandelt, weshalb ihm lieber wäre, er hätte gar keinen. Wanjas oberflächliche Freundinnen nennen ihn den "Penner" und verurteilen ihn wegen seinem etwas verlotterten Äußeren, seiner zerrissenen Jeans und der abgetragenen Cordjacke, die er immer trägt. Doch während sich Wanja und er besser kennenlernen, da sie dieselben Gefühle für Imago und Taro haben, erfahren wir, wie sehr er unter seinem Vater leidet und sich deshalb in die Musik und Kunst flüchtet. Auch sein Charakter hat mich sehr berührt, auch wenn er nicht wirklich in den Altersbereich gefallen ist, mit dem ich mich sonst beschäftige.

Die erstaunlich vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten der Nebencharaktere, die vielschichtig und farbenfroh beschrieben wurden, hauchen der ganzen Geschichte ordentlich Leben ein, auch wenn es fast mehr sind, als für die eigentliche Geschichte notwendig gewesen wären. Vor allem die farbenrohe Zirkustruppe hat es mir sehr angetan. Neben Taro, der eine absolute Schlüsselrolle einnimmt, sorgen noch der Turban tragende Zirkusdirektor Baba, der mutige Feuerschlucker Perum, die wunderschöne Sängerin Noaeh, der traurige Clown Reimundo, die dunkel schillernde Schwarze Witwe Madame Nui, der witzige Zauberer Pati Tatü mit den gelben Blumenkohllocken, die stumme Schlangenfrau Sulana, der alte und geheimnisvolle Zauberer Amon, die starken Zwillinge Thyrm und Thyra und auch die katzenhafte Turnerin Gata für ordentlich Schwung. Auch Jos beste Freundin Flora war ein schillernder Charakter, der mir sehr gefallen hat.


"Und dann lächelte er. Stand da und lächelte, und Wanja fühlte, wie eine tiefe Traurigkeit in ihr aufstieg. Wie eine Welle bäumte sie sich in ihr auf, stieg höher und höher, strömte aus ihren Augen und lief ihr als Tränen die Wangen herab, groß und leise, wie das Lächeln des Clowns."


Ich denke, dass jeder einen Zirkus Anima braucht um schwere Zeiten, Findungsphasen oder andere Probleme überwinden zu können. Einfach abschalten, an etwas anderes denken, gut zugeredet bekommen, wahrgenommen werden und sich wirklich ausleben können um wieder neuen Mut und Kraft für den alltäglichen Kampf zu schöpfen - dass können viele Orte und Menschen für einen bewirken. Doch gerade wenn man als Kind nicht genug Zuwendung erhält, nicht mit genügend Stabilität und Gewissheit aufwächst, muss man sich solche Orte wo anders suchen. Diese Geschichte hat mir gezeigt, dass auch die Fantasie ein wunderbarer Ausweg sein kann und immer das real ist, was wir als solches empfinden. Wir wünschen uns so viele Dinge, malen die buntesten Bilder und Träume in unseren Köpfen, aber auch dort kommen früher oder später dunkle Wolken auf. Und um genau diese Bilder in unsere Realität zu übertragen, müssen wir den Auslöser für die dunklen Wolken finden und diesen bekämpfen. So dürfen wir zwar alle Träumer bleiben und auf unerwartete Fügungen hoffen, werden aber auch dazu angehalten uns aufzuraffen und unser Schicksal selber in die Hand zu nehmen.


"Und wenn sich unser Innerstes für eine Welt öffnet […], dann öffnet sich diese Welt auch für unser Innerstes und wird unsere Wirklichkeit – solange wir es brauchen."




Fazit:

Eine magische, berührende Geschichte über die Suche nach der eigenen Identität gepaart mit der Sehnsucht nach der Erfüllung von Träumen. Voller Magie, Witz, Ernsthaftigkeit und ein wenig Tiefsinn - für jedermann zu empfehlen!

Veröffentlicht am 17.01.2018

Voller Magie, Witz, Ernsthaftigkeit und ein wenig Tiefsinn

Imago
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Allgemeines:

Titel: Imago
Autor: Isabel Abedi
Verlag: Arena (1. Januar 2008)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3401029088
ISBN-13: 978-3401029085
ASIN: B00AAT6K9Q
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Imago
Autor: Isabel Abedi
Verlag: Arena (1. Januar 2008)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3401029088
ISBN-13: 978-3401029085
ASIN: B00AAT6K9Q
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ (gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 408 Seiten


Inhalt:

Ein geheimnisvolle Ausstellung, ein magischer Zirkus, viele fehlende Väter und zwei Jugendliche, die lernen ihre Angst zu besiegen.


Wanja liebt sie - diese Minuten vor Mitternacht, kurz bevor auf ihrem Radiowecker alle vier Ziffern auf einmal wegkippen und eine ganz neue Zeit erscheint. Doch heute um Mitternacht verändert sich nicht nur das Datum für Wanja. Sie bekommt eine geheimnisvolle Einladung zu der Ausstellung Vaterbilder. Und damit einen Schlüssel, der die Tür zu einer anderen Welt öffnet: in das Land Imago.


Bewertung:

Nachdem mich Isabel Abedi schon in "Whisper" und "Lucian" durch einen magischen Schreibstil, liebevolle Charakterzeichnungen und einer krassen Ambivalenz, die sowohl Witz und Tiefgang auf wundersame Weise zu vereinen weiß, verzaubert hat, musste ich natürlich auch "Imago" lesen. Da sich diese Geschichte um die 12-jährige Wanja dreht, die aus ihrem Teenie-Leben erzählt ist diese Geschichte eher als Jugendbuch oder sogar Kinderbuch für Leser ab 10 Jahren einzuordnen, die tiefsinnige Story mit viel Herz kann ich aber auch jedem Erwachsenen gut empfehlen! Wie auch schon in ihren vorangegangenen Romanen verbindet Isabel Abedi in ihrem Buch die eiskalte, harte Realität mit etwas Magischen, Irrealen, wodurch die Geschichte sehr abwechslungsreich ist. In "Imago" vereint die Autorin Familie, Freundschaft, Mut und die Suche nach seiner eigenen Identität, zu einem großartigen Roman.


"In drei Minuten war Mitternacht. In zwei, in einer, jetzt. Die Ziffern klappten nach hinten. 00:00 Uhr. Alles blieb still. (...) Nur ihr Herz hörte Wanja schlagen. Sie legte die Hand auf die Stelle. Es war etwas geschehen. Und Wanja fühlte, dass dieses Etwas erst der Anfang war."


Das Cover des Romans ist in nun fast schon typischer Abedi-Manier gehalten: ein schwarzer Hintergrund, der nur durch einen farblichen Highlight und ein Motiv unterbrochen wird. In diesem Fall ist das Highlight gelb und ein geheimnisvoller Bilderrahmen mit goldenen Rankenmustern lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Insgesamt also eine sehr schlichte Gestaltung, die aber dennoch Interesse weckt und durchaus ansprechend aussieht. Der Bilderrahmen passt natürlich wunderbar zur Geschichte, auch wenn er der Vollständigkeit halber eigentlich rot hätte sein müssen. Trotzdem bin ich ganz zufrieden mit der Gestaltung, die somit wunderbar zu den anderen Büchern passt, die schon von der Autorin in meinem Schrank stehen.


Erste Sätze: "Erzähl mir nicht, wie mein Vater zu sein hat. Du weißt ja noch nicht mal, wie deiner aussieht!"


Mit dieser verletzenden Aussage Brittas gegenüber ihrer Freundin wird die Grundproblematik des Buches zum ersten Mal aufgegriffen:
Die Vaterfigur spielt eine große Rolle, nach dem in "Whisper" vor allem Mutter-Tochter Beziehungen gut ausgeleuchtet wurden. Die junge Wanja hat keinen Vater, sie lebt alleine mit ihrer Mutter Jo und ihrem alten Kater Schröder in einem hübschen, alten Haus am Wald in der Nähe von Hamburg. Unter ihrem nicht vorhandenen Vater leidet Wanja nicht so sehr wie unter der Ungewissheit und dem ständigen Totschweigen ihrer Mutter. Die Geschichte beginnt ehrlich gesagt ein wenig schnarchig und relativ zurückhaltend. Während die Autorin sich sehr viel Zeit nimmt, uns die Protagonistin Wanja und ihr normales Leben mit allen Alltagsproblemen genau vorzustellen, hat mir noch das gewisse Etwas gefehlt.


"In Wanja kippte etwas. Sie stand plötzlich an der Schwelle eines Gefühls, das die meisten Menschen vielleicht in ihrem ganzen Leben nicht empfinden. Es war mehr eine Ahnung als ein Gefühl; ein seltsames Wissen darum, dass ab diesem Moment alles möglich war - und Wanja war bereit, sich darauf einzulassen."


Als Wanja dann mitten in der Nacht eine geheimnisvolle Einladung zu einer Kunstausstellung namens "Vaterbilder" bekommt, erwacht in ihr die Hoffnung, endlich mehr über ihre Wurzeln herauszufinden. In der geheimnisvollen Ausstellung stehen für die geladenen Jugendlichen Bilder mit unterschiedlichen Motiven bereit, die Portale in eine andere Welt darstellen: Imago. Mit dem Auftreten dieses Fantasy-Motivs kommt ordentlich Schwung und magische Atmosphäre in die Handlung und Realität und Fiktion vermengen sich zu einer kunterbunten, fantastischen Mischung.
Als Wanja schließlich ein Bild mit einem eleganten Akrobaten auf einem Trapez entdeckt, weiß sie sofort, dass es ihr Bild ist und schwupst landet sie im Zirkus Anima, wo sie den Akrobaten Taro und eine ganze Reihe anderer Artisten kennenlernt. Doch Wanja ist nicht allein in den Zirkus gekommen, auch Mischa, ein älterer, etwas vernachlässigt aussehender Junge aus ihrer Schule, ist mit ihr aus dem Bild gestiegen. Während sie das abenteuerliche Zirkusleben genießen, tauchen jedoch auch in Imago eine Menge Probleme auf und bald wird klar, dass die ganze Ausstellung nur einem Zweck dient: den Mut zu finden, über sich selbst hinauszuwachsen und sich der unangenehmen Wahrheiten der Realität zu stellen...


"Der Moment, in dem sich unsere tiefsten Wünsche erfüllen, erzeugt Angst."


Schnell wird klar, dass die ganze Fantasiegeschichte eigentlich mehr als Metapher dient und auf übertragener Ebene verstanden werden kann. Denn die Geschichte über zwei Kinder auf der Suche nach ihren Wurzeln ist nur voll von allen möglichen anderen Arten von Gefühlen und Gedanken, die das Erwachsenwerden und das ganze weitere Leben bestimmen. Gerade die Verbindung aus spannender und magischer Fantasiewelt voller Abenteuer, Musik und Liebe und berührenden tragischen Geschichten in der Realität, die sich immer wieder in Wanjas Hamburger Alltag mischen, macht diese Geschichte so besonders.
Wieder werden einige schwierige Themen wunderbar sanft aber dennoch direkt genug angesprochen. Der Alkoholmissbrauch und die Gewalttätigkeit Mischas Vaters zum Beispiel, oder wie schwer es sein kann, wenn man weg ziehen muss, wie beispielsweise Tina, die Eltern sich trennen wie Brittas Eltern oder ein Haustier stirbt. Viele kleine und große Probleme werden angesprochen und es ergibt sich ein stimmiger Mix aus der Suche nach der eigenen Identität, Probleme in der Familie, Angst vor dem Erwachsenwerden, Konfrontation mit Respektspersonen, Auseinandersetzung mit der Kindheit, Liebe, Freundschaft, unerfüllte Träume und die Frage, was man sich selbst zutraut und was nicht. Mut nimmt eine ganz wichtige Rolle ein und der Leser selbst wird während dem Lesen indirekt in seinen Fähigkeiten, Ängsten und Träumen bestätigt.


"Stille kann peinlich sein, drückend, verbissen oder unheimlich. Stille kann Stillstand bedeuten, wie bei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, oder sie kann durch Einsamkeit entstehen, wie bei Menschen, die niemanden mehr haben, dem sie etwas sagen können. Die Stille, die Wanja hier umgab hatte nichts on alledem. Es war eine seltene Form der Stille, die groß und vollkommen ist und die noch reicher wird, wenn man sie mit Menschen teil, die einem nahe sind."


Da verzeiht man es der Geschichte natürlich nur zu gerne, dass sie Großteils ein wenig hervorsehbar in ihrer Entwicklung ist. Was mit Brittas Eltern passieren wird, bahnt sich ganz klar an, genau wie Wanjas Verbindung zu Mischa von Anfang an nur allzu deutlich erscheint. Doch dieses Buch hat es nicht nötig, durch offensichtliche Spannung zu fesseln und mit überraschenden Wendungen bei Stange zu halten, alleine die magische Atmosphäre, die mir ständig eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat, reicht aus, um mich zu fesseln. So liegt über jeder stinknormalen Alltagshandlung eine stetige Grundspannung, welche auch gerade durch die wenigen Einschübe aus dem Land Imago aufrechterhalten wird. Das abenteuerliche Zirkusleben, welches auch in mir den Traum geweckt hat, für eine kurze Zeit Teil dieser lebendigen und schillernden Gemeinschaft zu werden, ist eine Sache, der grausam-böse erscheinende Vogel, der alle Farbe aus Imago fegt, wenn er auftaucht und die Idylle durch Attacken auf Taro stört, eine andere. Einige gruselige und sogar blutige Szenen haben mich kurz zweifeln lassen, ob man dieses Buch wirklich 10jährigen empfehlen sollte. Der leichte Anflug von Bedrohung und Panik deckt den sonst so lustigen, lebensfrohen Erzählstil ein wenig zu und flechtet düstere, melancholische Elemente mit ein. Vor allem aber die Bestätigung ihrer Talente und die Aufmerksamkeit, die die beiden Heranwachsenden im Zirkus Anima erhalten, vor allem vom Akrobaten und Musiker Taro, machen die kurzen Stunden in Imago noch kostbarer für die beiden.


"Die großen Geheimnisse sind immer offensichtlich."


Auch ich habe mich immer besonders auf die Besuche gefreut, denen immer ein Zauber und eine leichte Poesie inne wohnten.
Allgemein ist der Schreibstil jedoch von vielen liebevollen Details, einem lockeren Witz und emotionalen Szenen geprägt. So lockern zum Beispiel der Schweinetick ihrer Mutter, die vielen süße Spitznamen, die sie Wanja gibt, oder der quirlig/nervige Nachbarsjunge mit dem wohlklingenden Namen Breien alias Brian Trockenbrodt, die Atmosphäre ordentlich auf.

Neben dem Plot an sich begeistert vor allem die liebevolle Charaktergestaltung, die sehr breit gefächert ist, auch wenn auf unserer Protagonistin Wanja Walters, als personale Erzählerin, das Hauptaugenmerk liegt. Das junge Mädchen hat eine Begabung für Geschichten und das Trapez, hasst Mathematik und vor allem ihren Lehrer Herr Schönhaupt, ist ein kleiner Wirbelwind und entwickelt sich rasend schnell in dieser Geschichte. Zu Beginn hatte ich noch recht große Probleme, mich mit ihr zu identifizieren, da sie noch so jung war, dann aber doch teilweise so viel älter wirkte, weshalb ich mich schlecht auf sie einstellen konnte. Im Laufe der Geschichte wird ihre Unsicherheit immer weniger und die Geborgenheit Imagos lässt sie über sich hinauswachsen. Zu ihrer Mutter Jo hat sie ein recht schwieriges Verhältnis. Eigentlich haben sich beide sehr lieb und können auch recht viel miteinander anfangen, Jo arbeitet jedoch viel zu viel, ist fast immer gestresst und versteht ihre Tochter nicht mehr. Dazu kommt, dass zwischen den beiden die ungeklärte Vaterfrage wie eine Mauer steht, sodass man anfangs relativ wenig Verständnis für die junge Jo hat und eher zu Wanja hält, die ein wenig enttäuscht von ihrer Mutter ist. Später bekommt jedoch auch die junge Mutter eine nennenswerte Geschichte und man versteht besser, weshalb sie sich so verhält.


"Wanja verstummte. Sie sah auf Mischa herab. Tränen liefen lautlos über ihre Wangen. Es war unendlich still. Und aus dieser Stille erhob sich ein Gefühl."


Mischa Konjow ist ein Jahr älter als Wanja und in sehr schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Im Gegensatz zu Wanja hat er zwar einen Vater, er ist jedoch ein gewalttätiger, ekelhafter Trinker, der seine Familie schlecht behandelt, weshalb ihm lieber wäre, er hätte gar keinen. Wanjas oberflächliche Freundinnen nennen ihn den "Penner" und verurteilen ihn wegen seinem etwas verlotterten Äußeren, seiner zerrissenen Jeans und der abgetragenen Cordjacke, die er immer trägt. Doch während sich Wanja und er besser kennenlernen, da sie dieselben Gefühle für Imago und Taro haben, erfahren wir, wie sehr er unter seinem Vater leidet und sich deshalb in die Musik und Kunst flüchtet. Auch sein Charakter hat mich sehr berührt, auch wenn er nicht wirklich in den Altersbereich gefallen ist, mit dem ich mich sonst beschäftige.

Die erstaunlich vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten der Nebencharaktere, die vielschichtig und farbenfroh beschrieben wurden, hauchen der ganzen Geschichte ordentlich Leben ein, auch wenn es fast mehr sind, als für die eigentliche Geschichte notwendig gewesen wären. Vor allem die farbenrohe Zirkustruppe hat es mir sehr angetan. Neben Taro, der eine absolute Schlüsselrolle einnimmt, sorgen noch der Turban tragende Zirkusdirektor Baba, der mutige Feuerschlucker Perum, die wunderschöne Sängerin Noaeh, der traurige Clown Reimundo, die dunkel schillernde Schwarze Witwe Madame Nui, der witzige Zauberer Pati Tatü mit den gelben Blumenkohllocken, die stumme Schlangenfrau Sulana, der alte und geheimnisvolle Zauberer Amon, die starken Zwillinge Thyrm und Thyra und auch die katzenhafte Turnerin Gata für ordentlich Schwung. Auch Jos beste Freundin Flora war ein schillernder Charakter, der mir sehr gefallen hat.


"Und dann lächelte er. Stand da und lächelte, und Wanja fühlte, wie eine tiefe Traurigkeit in ihr aufstieg. Wie eine Welle bäumte sie sich in ihr auf, stieg höher und höher, strömte aus ihren Augen und lief ihr als Tränen die Wangen herab, groß und leise, wie das Lächeln des Clowns."


Ich denke, dass jeder einen Zirkus Anima braucht um schwere Zeiten, Findungsphasen oder andere Probleme überwinden zu können. Einfach abschalten, an etwas anderes denken, gut zugeredet bekommen, wahrgenommen werden und sich wirklich ausleben können um wieder neuen Mut und Kraft für den alltäglichen Kampf zu schöpfen - dass können viele Orte und Menschen für einen bewirken. Doch gerade wenn man als Kind nicht genug Zuwendung erhält, nicht mit genügend Stabilität und Gewissheit aufwächst, muss man sich solche Orte wo anders suchen. Diese Geschichte hat mir gezeigt, dass auch die Fantasie ein wunderbarer Ausweg sein kann und immer das real ist, was wir als solches empfinden. Wir wünschen uns so viele Dinge, malen die buntesten Bilder und Träume in unseren Köpfen, aber auch dort kommen früher oder später dunkle Wolken auf. Und um genau diese Bilder in unsere Realität zu übertragen, müssen wir den Auslöser für die dunklen Wolken finden und diesen bekämpfen. So dürfen wir zwar alle Träumer bleiben und auf unerwartete Fügungen hoffen, werden aber auch dazu angehalten uns aufzuraffen und unser Schicksal selber in die Hand zu nehmen.


"Und wenn sich unser Innerstes für eine Welt öffnet […], dann öffnet sich diese Welt auch für unser Innerstes und wird unsere Wirklichkeit – solange wir es brauchen."




Fazit:

Eine magische, berührende Geschichte über die Suche nach der eigenen Identität gepaart mit der Sehnsucht nach der Erfüllung von Träumen. Voller Magie, Witz, Ernsthaftigkeit und ein wenig Tiefsinn - für jedermann zu empfehlen!