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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2018

Wiener Küche einmal anders...

111 Orte der Wiener Küche, die man gesehen haben muss
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Gleich einmal vorweg – das Buch ist KEIN Restaurantführer oder Kochbuch. Trotzdem lernen wir Orte kennen, an denen es Köstliches zu speisen gibt. Wir spazieren kreuz und quer durch Österreichs Hauptstadt. ...

Gleich einmal vorweg – das Buch ist KEIN Restaurantführer oder Kochbuch. Trotzdem lernen wir Orte kennen, an denen es Köstliches zu speisen gibt. Wir spazieren kreuz und quer durch Österreichs Hauptstadt. Eine Anekdote (oder wie man hierzulange sagt „G’schichtl“) nach der anderen wird erzählt, immer ergänzt durch ein interessantes Foto dazu.

Wer kennt schon ein „Schmauswaberl“ (Tipp 85/S. 178)? Maria Theresia hat verfügt, dass die Reste der täglichen Tafelfreuden bei Hofe billig an Gasthäuser abgegeben werden. Diese Speisereste verkauften die Wirte dann, neu zusammengestellt, an ihre Gäste.

Ein verlorener Ort soll wieder auferstehen: der Fischmarkt. Ursprünglich bei der „Fischerstiege“ (Tipp 30/S. 68) gelegen, wurde er zum Schanzlmarkt (Tipp 83/S.174) verlegt, wo man ihn mangels Bedarf 1972 geschlossen hat. Jetzt scheint das Interesse von Verkäufern und Käufer (und der Stadt) wieder erwacht zu sein.

Doch auch auf Kaffeehäuser und Konditoreien darf nicht vergessen werden. Eine ganz spezielle Wiener Tradition ist der Weinbau und der „G’mischte Satz“ (Tipp 109/S. 226). Anders als bei einer Cuvée werden beim Gemischten Satz die Trauben unterschiedlicher Weißweinsorten gemeinsam gepresst und vergoren. (Die Cuvée ist ein Verschnitt fertiger Weine.)

Ja, die Wiener Küche hat einiges zu bieten. Kulinarik und Literatur, Getränke und Bauwerke. Hier lohnt es sich, einmal näher hinzusehen.

Das Buch ist im Emons-Verlag erschienen. Es gibt eine Vielzahl von „111 Orten, die man gesehen haben muss“.
Ein elegantes Mitbringsel aus Wien oder eine nette Erinnerung für Wien-Besucher.

Veröffentlicht am 04.02.2018

Ein toller Regionalkrimi

Wurzelfleisch
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Herbert Rohrer entführt seine Leser in ein fiktives Dorf, das in jeder Ecke der schönen Steiermark existieren könnte: Schilfling.

Mit spitzer Feder und viel schwarzem Humor beschreibt der Autor den Alltag ...

Herbert Rohrer entführt seine Leser in ein fiktives Dorf, das in jeder Ecke der schönen Steiermark existieren könnte: Schilfling.

Mit spitzer Feder und viel schwarzem Humor beschreibt der Autor den Alltag der Dorfbewohner: Tristesse pur, Alkohol in rauen Mengen und einige wenige, die durch mehr oder weniger saubere Geschäfte zu Macht, Einfluss und Geld gekommen sind.

Hautpfigur ist der versoffene und arbeitslose “Mekong”, der von einer Leiche zur anderen stolpert. Dennoch gehen letztendlich in seinem vernebelten Gehirn die Lichter an. Er erkennt die Zusammenhänge zwischen den Toten und danach ist im Dorf nichts mehr so wie vorher…

Meine Meinung:

Der Krimi ist für Fans des österreichischen Humors eine Empfehlung. Der Leser entdeckt die komplexen Verstrickungen zwischenmenschlicher Beziehungen. Das soziale Zusammenleben zwischen Wirtshaus, Bierzelt, Puff und Kirche wird dabei ironisch und humorvoll auf die Schaufel genommen.
Herrlich sind die Spitznamen der einzelnen Figuren wie eben Mekong oder Bonanza in einer Gegend wo alle Franz, Hans oder Karl heißen.

Die teilweise derbe Sprache (auch im Dialekt) und das schon tiefe Niveau der Dorfbewohner ist gleichzeitig Stärke und Schwäche des Krimis. Stärke, weil man ähnliche Charaktere und/oder Episoden (Bierzelt, versiffte Wirthäuser) in jedem Landstrich finden kann. Schwäche, weil eben genau dieses, außerhalb der Region nicht oder nur schwer verständlich ist.
Lachen musste ich über die Erwähnung eines deutsch singenden Argentiniers, Rosino Messi.

Die handelnden Personen sind detailreich beschrieben und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Das gilt besonders der durchs Leben stolpernden und wider Willen zum Detektiv mutierenden Hauptfigur, Mekong.

Ach ja, eine Info für die, die sich über den Titel wundern” Steirisches Wurzelfleisch” ist eine regionale Spezialtät.

Fazit:

Ein durchaus witziger Krimi mit ernsten Hintergrund, dem ich 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 03.02.2018

Fesselnd bis zur letzten Seite

Wetterleuchten im Roussillon (Roussillon-Krimi 2)
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Philippe Georget entführt seine Leser nun zum zweiten Mal in die französisch-spanische Grenzregion Roussillon, nach Perpignan.

Inspecteur Gilles Sebag bekommt es mit einem Mord zu tun, dessen Ursprung, ...

Philippe Georget entführt seine Leser nun zum zweiten Mal in die französisch-spanische Grenzregion Roussillon, nach Perpignan.

Inspecteur Gilles Sebag bekommt es mit einem Mord zu tun, dessen Ursprung, allem Anschein nach, im mehr als sechzig Jahre zurückliegenden Algerienkrieg liegt. Hat doch der Mörder die drei Buchstaben „OAS“ (=Organisation de l’armée secrète) hinterlassen.
Das Opfer ist ein einfacher algerisch stämmiger Franzose im Rentenalter, ein sogenannter „pied noir“.
Während sich Sebag auf Mördersuche begibt, wird der Schulfreund seiner Tochter beerdigt. Der junge Mann ist bei einem Verkehrsunfall gestorben. Niemand will dem Unfalllenker, einem geeichten Trinker glauben, dass er von einem anderen Auto geschnitten wurde.

Wie hängen die beiden Vorfälle zusammen? Hängen sie überhaupt zusammen?

Als dann ein zweiter Mord passiert, das Denkmal das den Opfern der OAS gewidmet ist, geschändet wird, geraten Sebags private Probleme in den Hintergrund. Gilles zweifelt nämlich an der Treue seiner Gemahlin.

Inspecteur Gilles Sebag ermittelt und geht jeder noch so kleinen und abstrus scheinenden Spur nach. Diese Hartnäcktigkeit macht sich letztlich bezahlt.

Interessant fand ich, dass die Ränge der Polizisten amerikanisiert wurden. Da hat wohl das Innenministerium in Paris zu viele Folgen von CSI gesehen. Sebag ärgert die Maßnahme.

Mit hat der Krimi sehr gut gefallen, wobei ich zugeben muss, dass ich den ersten Teil nicht kenne, und daher ein paar Details vermisse. (wird aber nachgeholt)

Aufschlussreich fand ich den Exkurs in den Algerienkrieg.
Sehr lobenswert ist, dass der Autor die geschichtlichen Passagen den Lesern nicht oberlehrerhaft überstülpt.

Zu meiner Schande gestehe ich, dass ich bislang so gut wie gar nichts darüber wusste. Die Kämpfe der Résistance im Zweiten Weltkrieg sind mir geläufig, aber Algerien? Da habe ich noch großen Aufholbedarf!
Das liebe ich an Büchern, dass sie dem Leser den Horizont erweitern helfen, wenn er dies zulässt.

Die Sprache des Krimis ist einfach. Das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen. Ich hatte daher Zeit, mich auf den historischen Hintergrund zu konzentrieren.

Zugegeben, es gibt rasanter aufgebaute Krimis, aber eine höhere Spannung ginge zu Lasten der Geschichtsschreibung.
Sehr gelungen fand ich den mehrmaligen Wechsel der Perspektiven.

Ein rundum kompakter Krimi - empfehelenswert.

Veröffentlicht am 03.02.2018

Nicht ganz so toll wie seine Vorgänger

Venezianische Schatten (Ein Luca-Brassoni-Krimi 3)
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Die Autorin lässt Commissario Luca Brassoni nun schon zum dritten Mal ermitteln.

Inhalt:

Schon der Prolog ist sehr aufregend: eine junge Frau verirrt sich in den engen Gassen Venedigs, begegnet einem ...

Die Autorin lässt Commissario Luca Brassoni nun schon zum dritten Mal ermitteln.

Inhalt:

Schon der Prolog ist sehr aufregend: eine junge Frau verirrt sich in den engen Gassen Venedigs, begegnet einem Fremden und ...SCHNITT
Commissario Luca Brassoni und seine Freundin, Gerichtsmedizinerin Carla Sorrenti, genießen ihre Heimatstadt Venedig, die ohne Touristen und Tauben viel erträglicher erscheint, obwohl Winter herrscht. Luca und Carla probieren seit einiger Zeit das Zusammenleben und philosophieren, jeder für sich und auch gemeinsam über eine weitere Zukunft.
Auf einem ihrer nächtlichen Spaziergänge durch die Lagunenstadt finden sie eine junge Frau, die lediglich mit einem dünnen Fähnchen bekleidet ist, Schnell stellt sich heraus, dass die Frau misshandelt wurde und an Amnesie leidet.
Ist sie es, die wir aus dem Prolog kennen? Die drei Monate vorher in den Gassen der Serenissima die Orientierung und, wie es scheint, ihr Gedächtnis verloren hat?
Doch dann findet eine Spaziergängerin eine weibliche Tote. Sie gleicht der verwirrten Frau aufs Haar. Treibt ein Serienmörder in der Serenissima sein Unwesen?

Erzählstil/Spannung

Der Einstieg im Prolog legt ein hohes Tempo vor, bevor er durch einen Cliffhanger abrupt gestoppt wird. Gemütlicher geht es da schon im Privatleben Brassonis und Sorrentis zu. Obwohl, wenn ich die Andeutungen weiterspinne, ist Carla in ihrer Zukunftsvision ein wenig weiter als Luca.

In die Ermittlungen mischen sich private Turbulenzen.

Anmerkungen:

Das kurze Verhältnis Lucas' mit Maria,der Sekretärin, hat unangenehme Folgen. Doch, dass ein Gspusi ein Disziplinarverfahren und einen Eintrag in der Personalakte mit sich bringen kann, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen.

Leider haben sich einige Tippfehler eingeschlichen, die mein Lesevergnügen trüben. Allem voran heißt es immer noch „Caffé Florian“ mit „Doppel-F“ und nicht „Café Florian“ – ärgerlich, so etwas sollte nicht passieren.
Die Sprache hat gegenüber den Vorgängerbänden („Venezianische Verwicklungen“ und „Venezianische Delikatessen“) an Präzision abgenommen. Es gibt eine erkleckliche Anzahl von Füllwörtern.

Fazit:

Ein durchaus spannender Kriminalfall, der jedoch nicht an seine Vorgänger heranreicht.

Veröffentlicht am 03.02.2018

Spannende Familiensaga

Die Frauen von La Principal
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Inhalt:

Hier in Katalonien herrschen 1893 feudalistische Strukturen wie im Mittelalter. Die Söhne einer Familie gelten ALLES, die Töchter sind nur Ballast oder manchmal schöner Zierart, der profitabel ...

Inhalt:

Hier in Katalonien herrschen 1893 feudalistische Strukturen wie im Mittelalter. Die Söhne einer Familie gelten ALLES, die Töchter sind nur Ballast oder manchmal schöner Zierart, der profitabel verheiratet werden muss.
Dies muss Maria-1 schmerzhaft zur Kenntnis nehmen, als sie als Einzige auf dem wegen des Reblausbefalls dem Untergang geweihten Weingut ausharren soll. Der Rest der Familie, Vater und vier Brüder, treten die Reise in eine verlockende Zukunft in Barcelona an. Bei der Abreise verwünscht Maria ihren Vater, ohne zu wissen, dass er wenig später sterben wird. Und siehe da, völlig unerwartet ist sie, die einzige Tochter, das Lieblingskind des Vaters gewesen und durch die vortestamentarischen Verfügungen die Erbin von La Principal.
Mit eisernem Willen und einem Hang zum Despotismus führt Maria-1 das Weingut von Erfolg zu Erfolg. Symbol für diese Macht ist die „Sedia“. Diese Sänfte ist von Arbeitern auf La Principal aus hauseigenem Material gefertigt und symbolisiert die Verbundenheit mit dem Weingut.

Ihre Tochter, Maria-2, lässt als Zeichen des Neubeginns die „Sedia“ verbrennen, führt das Weingut in guter alter Tradition weiter, bis sie die politischen Machtverhältnisse ins vorübergehende Exil nach Frankreich zwingen. Nach ihrer Rückkehr, nimmt sie sich einen unstandesgemäßen Liebhaber, Llorenc. Auf ihn hat sie schon als Fünfzehnjährige ein Auge geworfen. Die beiden verbindet ein delikates Geheimnis, dessen mögliche Enthüllung ungeahnte Folgen haben könnte.
1940, Maria und Llorenc führen ein eheähliches Verhältnis, taucht Kommissar Recader auf. Jener Ermittler, der schon 1936 einen mysteriösen Mordfall auf La Principal untersucht hat und damals von den politischen Ereignissen zurückgepfiffen wurde. Diesmal, diesmal will er den Mord aufklären Recader ist ein Fan von Agatha Christies Krimis und sieht den Mord auf La Principal als Vorlage für einen Krimi. Entsprechend geht er bei seinen Ermittlungen vor.

Wir befinden uns nun im Jahr 2001. Maria-2 ist vor Jahren friedlich im Bett gestorben und Maria-3, nunmehr auch schon sechzig Jahre alt, führt als einziges Kind das Anwesen weiter. Sie ist die letzte ihrer Familie. Vater Llorenc hat die Familiengeschichte aufgeschrieben und so erfährt seine Tochter, was sich damals, 1936, wirklich zugetragen hat.

Erzählstil/Spannung:

Schon durch den Klappentext vorgewarnt, ist klar, dass dieses Buch nichts für zwischendurch sein würde. Die Handlungsstränge, die Namensgleichheiten, nicht nur der Marien sondern auch der „Ursulas“ sowie die Rückblenden fordern dem Leser erhöhte Aufmerksamkeit ab.
Der Erzählstil ist für mich ungewohnt, bin ich doch einem sachlich, technischen Schreibstil zugeneigt. Doch nach kurzer Eingewöhnung habe ich mich an Lluis Llachs Stil Gefallen gefunden. Nicht immer wird Klartexte geschrieben. Der Autor ergeht sich häufig in Andeutungen und Verklausulierungen. Angesichts seiner revolutionären Herkunft und Haltung ist eine vorsichtige Formulierkunst, kein Wunder. Ein großes Lob muss der Übersetzerin Petra Zickmann ausgesprochen werden, die meiner Meinung nach diese Kunst aus der weichen romanischen Sprache in das harte Deutsch gekonnt umgesetzt hat.
Die Spannung eines Romans kommt natürlich an die eines Krimis nicht heran, obwohl durch den Mord an Ricard und den Ermittler Recader kriminalistische Sequenzen eingebaut wurden.

Die unterschiedlichen Handlungsstränge und Zeitebenen werden gekonnt verknüpft. Das Jahr 2001 und die dritte Maria kommen für mein Dafürhalten ein wenig zu kurz.

Charaktere:

Llach zeichnet willensstarke und entschlossene Frauen, die bereit sind, sich über Konventionen hinwegzusetzen. Entgegen aller Unkenrufen, überlebt das Weingut und steht nach drei Generationen von weiblichen Eigentümern besser da als je zuvor.

Die Männergestalten dienen nur als Mittel zum Zweck. Sei es als Vater oder missliebige Brüder und Feinde, als Liebhaber oder Bewunderer. Einzig Llorenc scheint eine generationsübergreifende Rolle zu spielen. Er arbeitet als Kind unter Maria-1, die ihn bis er zwölf ist, die Schule ermöglicht, liebt und lebt mit Maria-2 mit der ein dunkles Geheimnis teilt und ist Vater von Maria-3.

Eine liebevoll gestaltete Figur ist Ursula. Auch deren gibt es mehrere, die aber wenig Rolle spielen. Sie, ursprünglich Amme von Maria-2, kennt jedes Geheimnis auf La Principal. Sie ist Marias Vertraute und blockt Unheil so gut wie möglich von ihr ab.

Auch an Lluis Recader, dem Polizisten, habe ich Gefallen gefunden. Seine Lust, Krimis zu lesen und deshalb Polizist zu werden, ist ein schöner Einfall.

Fazit:

Eine schöne Familiensaga, die ich gerne weiterempfehle. Einziger Kritikpunkt, der allerdings dem Verlag zuzuordnen ist - diese winzige Schrift strengt ziemlich an.

Der Autor Lluis Llach , in seiner Jugend Gegner von Diktator Franco, ist eigentlich Liedermacher und votiert für die Unabhängig Kataloniens von Spanien.