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Veröffentlicht am 05.02.2018

Berührende, realistische Familiengeschichte

All die Jahre
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Vorab: Ich mag die Bücher dieser Autorin einfach!

Warum? Die Schreibweise ist klar und verständlich, ohne oberflächlich zu sein. Die Geschichten sind überaus kunstvoll konstruier. Man kann in den Büchern ...

Vorab: Ich mag die Bücher dieser Autorin einfach!

Warum? Die Schreibweise ist klar und verständlich, ohne oberflächlich zu sein. Die Geschichten sind überaus kunstvoll konstruier. Man kann in den Büchern einfach versinken. Und die Geschichten haben Tiefgang. Schon "Die Verlobungen" hat mich damals sehr begeistert. Und auch dieses Buch habe ich sehr gerne gelesen - und war am Ende traurig, dass ich die Figuren nun gehen lassen musste - sehr gerne hätte ich noch erfahren, wie es weitergeht.

Für mich ist es genial, wie die Autorin es schafft, Protagonisten zu erschaffen, die bei weitem keine Helden sind. Und die den Leser doch sehr berühren.

Erzählt wird die Geschichte der beiden Schwestern Nora und Theresa und ihrer Familien. Sie wachsen in Irland auf. Und als es dort keine Zukunft mehr gibt, wandern sie in die USA aus. Der Verlobte von Nora wohnt schon dort und für Theresa gäbe es dort eine Chance, eine Ausbildung als Lehrerin zu beginnen. Eigentlich wäre Nora lieber in Irland geblieben, sie geht nur ihrer Schwester zuliebe mit. Denn die Verbindung zum Verlobten Charlie ist nicht die große Liebe. Es hätte eben nur gepasst, weil die Farmen nebeneinander lagen. Aber jetzt geht die Farm an den Bruder - und Charlie will sich in den USA eine Existenz aufbauen und dann wieder als gemachter Mann nach Irland zurückkehren. Aber man erfährt direkt zu Anfang des Buches, dass Charlie in den USA geblieben ist. Und, dass Nora und Charlie zusammen geblieben sind.

Für Nora scheinen sich also viele Träume nicht erfüllt zu haben. Und direkt am Anfang des Buches wird vom Tod ihres ältesten Sohnes berichtet.
Und was ist aus ihrer Schwester geworden? Und warum ist alles so gekommen, obwohl Theresa und Nora doch so viele Pläne hatten?

Die Geschichte wird in mehreren Zeit-Ebenen und mit Rückblenden erzählt, was die Geschichte gut gliedert und für Spannung sorgt.

Es zeigt sich, dass es ein großes Familiengeheimnis um den ältesten Sohn gibt. Der Leser merkt recht schnell, um welches Geheimnis es sich handelt. Aber die Familie weiß nicht Bescheid. Und im Grunde genommen geht es in diesem Buch darum: Es wird nicht genug miteinander geredet, vieles bleibt unausgesprochen: Uneheliche Kinder, Homosexualität, Alkoholsucht, begrabene Träume....
Jedes Familienmitglied kämpft mit seine eigenen Dämonen - und trotzdem gibt es auch Wärme und Zusammenhalt und Freude in der Familie. Denn eine andere Familie hat man nicht. Und jeder versucht, trotzdem seinen Lebensweg zu finden.

Und dies gilt auch für Nora und Theresa, die beiden so unterschiedlichen Schwestern, die durch Schicksalsschläge und vor allem durch die Moralvorstellungen der Zeit in den 50ern ihr Leben nicht so leben konnten, wie eigentlich erwünscht. Daher ist das Buch auch ein Zeugnis über die Einschränkungen, die ein Frauenleben noch vor wenigen Jahrzehnten bestimmten.
Und auch ein Buch darüber, wie Menschen mit dem Leben zurecht kommen, das sich eben so aus verschiedenen Gründen ergeben hat.

Veröffentlicht am 11.10.2017

Rätsel um einen Eisblock

Und es schmilzt
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Eva fährt nach langen Jahren einmal wieder in ihr flämisches Heimatdorf. Im Kofferraum hat sie eine Curver-Kiste mit einem großen Eisblock.

Was will Eva mit dem Eisblock? Und welche Geschichte verbindet ...

Eva fährt nach langen Jahren einmal wieder in ihr flämisches Heimatdorf. Im Kofferraum hat sie eine Curver-Kiste mit einem großen Eisblock.

Was will Eva mit dem Eisblock? Und welche Geschichte verbindet sie mit ihrem Heimatdorf?

Dies wird spannend in zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt, eine Ebene ist das Jetzt. Eine Ebene ist das Jahr 2002. Und als Leser gerät man in einen Sog - man liest einfach immer weiter - man will wissen, was damals passiert ist. Und was jetzt mit dem Eisblock passieren wird. Und die Autorin treibt die Geschichte immer weiter. Ohne, dass man sich als Leser entziehen kann. Und am Ende sicherlich abgekämpft und entsetzt das Buch aus der Hand legt. Aber im Kopf wird das Buch noch lange festsitzen.

Und Vorsicht: Das Buch ist spannend - aber kein harmloser Krimi.

Man fühlt als Leser, dass alles immer noch schlimmer werden kann. Angefangen vom Vater, der seiner Tochter zeigt, wie er einen Strick befestigt, mit dem man sich umbringen kann. Über die Mutter, die immer mehr trinkt, als gut ist. Über die Eltern, die nie irgendeinen ihrer Pläne richtig verwirklichen. Über Geschwister, die unter dieser Situation leiden. Über eine Kinderfreundschaft zwischen zwei Jungs und einem Mädchen, die in der Pubertät zwangläufig schwierig wird. Über Mädchenfreundschaften, die nie richtig gelingen. Über Nachbarinnen, die zwar eigentlich helfen wollen - dann aber doch nichts unternehmen.

Und vielleicht ist dies eine der Kern-Aussagen des Buches: Irgendwie schauen alle weg, wollen nicht wahrhaben, was sich hinter den nur mühsam aufrecht erhaltenen Fassaden abspielt.

Ein schonungsloses Buch, das gnadenlos weitererzählt - auch wenn man es vielleicht selbst nicht mehr so genau wissen will. Und auch darüber nachdenkt, einfach wegzuschauen. Aber das lässt die Autorin nicht zu. Zum Glück.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Familiengeschichte vor dem Hintergrund der Sklavenhaltung

Heimkehren
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Noch nie habe ich ein Buch über ein so schwieriges Thema gelesen, das literarisch so gut konzipiert und geschrieben ist.

Ehrlich gesagt habe ich vor dem Lesen ein wenig gezögert. Plötzlich war ich mir ...

Noch nie habe ich ein Buch über ein so schwieriges Thema gelesen, das literarisch so gut konzipiert und geschrieben ist.

Ehrlich gesagt habe ich vor dem Lesen ein wenig gezögert. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich so viele schlimme Dinge über Sklavenhaltung und Rassismus lesen kann und will.

Aber als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.
Dieses Buch zieht in den Bann, auch wenn natürlich viele schlimme Dinge passieren. Aber es gibt in jedem Kapitel auch etwas Herzerwärmendes, Lebens- und Liebenswertes. Und das macht die Lektüre gut erträglich. Der Schreibstil ist darüber hinaus klar und gut verständlich. Irgendwie leicht, trotz der schweren Thematik.

Das Buch erzählt chronologisch die Geschichte von zwei Familienzweigen, die aus zwei Halbschwestern entstehen (die sich übrigens nie kennen lernen).

Die ältere Schwester Effia wächst an der Goldküste - auf dem Gebiet des heutigen Ghana - als ungeliebtes Kind einer Stiefmutter auf, der das Baby untergeschoben wurde. Später wird sie mit einem weißen Kommandanten der Sklaven-Festung verheiratet. Es war wohl sehr üblich, dass die weißen Sklavenhändler eine einheimische Frau heirateten - obwohl in der Heimat eine Ehefrau und Kinder warteten. Die Ehe wird trotzdem einigermaßen glücklich. Und die Nachfahren dieser Verbindung werden reich und mächtig mit dem Sklavenhandel. Denn es war mitnichten so, dass nur die Weißen die Schwarzen gejagt und gefangen hätten - nein - diese Arbeit haben einheimische Stämme gemacht, die ihre Kriegsgefangenen meistbietend an die Weißen verkauft haben. Dies war für mich persönlich eine neue Erkenntnis, hier war ich vorher wohl uninformiert.
Dieser Erzähl-Strang reicht von Effia bis zu der Zeit, als ihre Nachfahren sich zunächst vom Sklavenhandel abwenden und spätere Generationen in die USA auswandern.

Esi, die Halbschwester von Effia, wächst zunächst mit ihrer Mutter auf. Als ihr Dorf dann aber überfallen wird, gibt die Mutter auf und Effia wird als Sklavin nach Amerika verschleppt. Das Einzige, was die Mutter ihr hinterlässt, ist ein Stein mit Goldschimmer. Den gleichen Stein hat die Mutter damals für Effia hinterlassen - und Effia wird ihn bei ihrer Heirat bekommen und dabei erfahren, dass sie nicht die Tochter ihrer Stiefmutter ist, sondern von einem Hausmädchen abstammt, die "ins Feuer gegangen" ist.

Feuer und diese Steine werden im gesamten Roman immer wieder thematisiert.
Dem Familienzweig von Effia wird es gelingen, den Stein von Generation zu Generation weiterzugeben. Esi verliert den Stein jedoch schon im Verlies der Festung, vor der Verschiffung nach Amerika. Und auch im folgenden Verlauf sind Esis Nachkommen die Opfer von Versklavung, unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Rassismus. Und der Weg hinaus in ein menschenwürdiges Leben ist hart.

Und irgendwann am Ende werden die Nachfahren der beiden Schwestern die Festung in Ghana besuchen. Und "Heimkommen".

Erzählt wird eine fulminante Familiengeschichte in recht kurzen Kapiteln, die jeweils abwechselnd von einer Person pro Generation aus jeweils einem Familien-Strang erzählen. (Ein Tipp: Hinten im Buch gibt es einen Stammbaum, der hilft bei der Übersicht).
Auch wenn auf diese Art nur Bruchstücke aus den Erlebnissen der Familien erzählt werden, wirkt die gesamte Geschichte trotzdem komplett.

Als Leser erfährt man immer kurz, was aus der Vorgängergeneration geworden ist. Dieses abwechselnde Erzählen macht die Lektüre spannend. Durch geschicktes Erzählen schafft es die Autorin, dass man als Leser den Überblick behält.
Es ist übrigens auch möglich, zunächst nur die geraden und danach die ungeraden Kapitel hintereinander zu lesen. Ich habe dies ab dem zweiten Teil des Buches gemacht und es gab keine Verständnisschwierigkeiten.

Nachdem ich in letzter Zeit recht viele Bücher über Afrika und Rassismus gelesen habe (Americanah, Jeder Tag gehört dem Dieb, Diese Dinge geschehen nicht einfach so, Swing Time), muss ich sagen, dass dieses Buch das literarisch und inhaltlich am besten gelungene Werk war.

Dieses Buch hat mich berührt und begeistert.
Und ich denke, es sollte Schullektüre werden.

Veröffentlicht am 30.11.2016

Spannende und gut erzählte Familiengeschichte

Das Erbe der Wintersteins
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Das Erbe der Familie Winterstein ist eine alte Villa an der Ostsee, in der Celine Winterstein die schönste Zeit ihrer Kindheit verbracht hat. Ihre Urgroßmutter hatte die Villa einst als Familienstammsitz ...

Das Erbe der Familie Winterstein ist eine alte Villa an der Ostsee, in der Celine Winterstein die schönste Zeit ihrer Kindheit verbracht hat. Ihre Urgroßmutter hatte die Villa einst als Familienstammsitz bestimmt und diese hatte auch den Grundstein für die Porzellanfabrikation gelegt, die zum Wohlstand der Familie führte.

Nun ist die Firma in finanziellen Schwierigkeiten und die Villa soll verkauft werden. Schweren Herzens fährt Celine an die Ostsee, um den Verkauf vorzubereiten. Und sie setzt sich noch einmal intensiv mit der Geschichte ihrer Urgroßmutter auseinander, als sie in der Villa ein altes Tagebuch findet. Und es zeigt sich, dass das "Erbe" der Wintersteins noch viel mehr umfasst und bedeutet als eine alte Villa.

Die Geschichte wird in zwei abwechselnden Zeitebenen erzählt. Einmal in der Zeit von Claire, die als Findelkind heranwächst und sich mühsam den Weg in ein selbstbestimmtes Leben bahnen muss. Und einmal in der heutigen Zeit, als Claires Urenkelin Celine herausfinden muss. wie sie ihr Leben gestalten soll. Und feststellen muss, dass das Erbe ihrer Großmutter ihr Leben bedrohen könnte....

Das alles wird gefühlvoll und spannend erzählt. Die Autorin hat den Roman sehr gut konzipiert. Trotz vieler Handlungsstränge und Handlungsorte ist alles logisch aufgebaut und alles verständlich. Als Leser kann man sich einfach in die Geschichte fallen lassen und mitfiebern.

Das Buch behandelt außerdem ernsthafte Themen, die sehr interessant waren. Es wird von den sogenannten "Sideshows" erzählt, dies waren in früheren Zeiten Shows, die auf Jahrmärkten gezeigt wurden und in denen "außergewöhnliche" Menschen vorgeführt wurden. Meist waren es Menschen mit körperlichen Besonderheiten (komplett behaart, unfassbar dick, Siamesische Zwillinge, Zwergenwuchs usw.) die in dieser Jahrmarkt-Welt ihr Leben fristen mussten. Der Einblick in diese Welt ist der Autorin sehr gut gelungen - so ein kleines Sahnhäubchen obendrauf - auf einen sehr gelungenen Unterhaltungsroman, den man gut in der Vorweihnachtszeit lesen kann. denn de Handlung im Heute spielt in der Vorweihnachtszeit.

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Veröffentlicht am 18.08.2022

Melancholische Familiengeschichte aus den Elbmarschen

Die Rückkehr der Kraniche
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Die vier Frauen der Hansen-Familie treffen sich wieder in dem alten Reetdachhaus in den Elbmarschen, das ihrer aller Heimat ist. Es liegt viel Unausgesprochenes in der Luft. Wie das in Norddeutschland ...

Die vier Frauen der Hansen-Familie treffen sich wieder in dem alten Reetdachhaus in den Elbmarschen, das ihrer aller Heimat ist. Es liegt viel Unausgesprochenes in der Luft. Wie das in Norddeutschland eben so ist. Hier redet man eher wenig und das harte Leben auf dem Land fordert seinen Tribut. Dazu kommen einige Familiengeheimnisse, die eine Annäherung erschwerden.
Da ist Wilhelmine, die älteste Frau. Sie wurde früh Witwe und musste ihre Töchter alleine erziehen. Das hat sie hart gemacht. Grete, die älteste Tochter, hat früh erwachsen werden müssen und sich immer liebevoll um ihre jüngere Schwester Freya gekümmert. Bis diese irgendwann der Enge entflohen ist und in Berlin Karriere gemacht hat. Das hat Grete ihr übel genommen. Dazu kam, dass Grete nie aus dem Dorf herausgekommen ist, da sie früh schwanger geworden ist und ihre Studienpläne nicht verwirklicht hat. Anne, die Tochter von Grete, will gerne richtig selbständig werden, schafft es aber nicht. Auch sie hat ihre Geheimnisse und außerdem will sie endlich wissen, wer ihr Vater ist....Und Freya? Sie ist nach außen hin erfolgreich, innerlich aber in einer Krise, denn sie wurde gerade verlassen und ihr Kinderwunsch hat sich nicht erfüllt.
Als Wilhelmine erkrankt, sind alle Familienmitglieder genötigt, sich auseinanderzusetzen und (vielleicht?) eine neue Nähe zu entwickeln und neue Weichen für die Zukunft zu stellen. Wird Wilhelmine ihren Töchtern gegenüber endlich offen reden? Wird Grete neue Wege gehen? Was ist mit dem Vater von Anne? Und was wird aus Freya und dem neuen Nachbarn?

Dieses Buch beschreibt sehr stimmungsvoll die Landschaft der Elbmarschen, was mir schon in den Krimis der Autorin sehr gut gefallen hat. Diese raue Landschaft, ganz nah bei Hamburg und doch so weit weg. Die Figurenzeichnungen sind sehr authentisch, typisch norddeutsch und ein wenig herb. Dieser Familienroman zeigt sehr eindrucksvoll die Macht und die Auswirkungen von Familienverstrickungen, Geheimnissen und mangelnder Kommunikation. Realistisch, ungeschönt und lebensecht. Die Grundstimmung ist eher melancholisch. Ein romantisch-seichte Lektüre ist es nicht. Aber ein stimmungsvoller Roman inklusive wunderbarer Landschaftsbeschreibungen. Und wer Vögel liebt, der wird auch dieses Buch lieben. Und sofort in die Naturschutzgebiete der Elbmarschen aufbrechen wollen.

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