Mit BETA hat Rachel Cohn einen wirklich guten Serienauftakt geschrieben, der zwar ein paar kleine Schwächen aufweist und somit nicht perfekt ist, aber dennoch gute Unterhaltung bietet und den Leser durch eine mitreißende Handlung sowie eine interessante Protagonistin zu fesseln vermag.
In der, vermutlich relativ weit entfernten, Zukunft, die Rachel Cohn für dieses Werk kreiert hat, gibt es scheinbar unendlich viele neue technische Entwicklungen, einige davon sind von großer Bedeutung, andere nur Spielereien, und die Reichsten der Reichen haben sich ein vollkommen isoliertes und unabhängiges Inselparadies geschaffen, in dem sogar die Luft verbessert und das Meer um die Insel herum gebändigt wurde. Der größte Unterschied zwischen Demesne und dem Festland besteht aber in den Klonen, die auf der Insel zahlreich vertreten sind.
Es gibt verschiedene Arten von Klonen für verschiedene Tätigkeiten, doch jedem von ihnen wird nach deren Erschaffung das Gleiche erzählt: Sie seien eigentlich nur seelenlose Hüllen, die keine Gefühle empfinden können, keine eigenen Wünsche haben und nur dem Zweck dienen ihre Eigentümer zufrieden zu stellen. Sie müssen widerstandslos das tun, was ihre Besitzer von ihnen verlangen, andernfalls gelten sie als defekt und werden sofort eliminiert. Aber auch den nicht defekten Klonen steht früher oder später dasselbe Schicksal bevor, denn sie altern genauso wie Menschen und sobald ihr anfangs so makelloses Äußeres zu wünschen übrig lässt und sie die ersten „Verschleißerscheinungen“ zeigen, werden sie einfach beseitigt. Den Klonen selbst macht das natürlich nichts aus, denn sie empfinden ja ohnehin nichts – so die Ansicht der meisten Bewohner von Demesne.
Die jugendliche und sympathische Protagonistin Elysia ist solch ein Klon, allerdings eine Beta, ein noch nicht ganz ausgereiftes Testmodell. Direkt nach ihrer Erschaffung, als sie nur über die Informationen auf ihrem eingebauten Chip verfügt, glaubt sie natürlich alles, was ihr über sich selbst beigebracht wird. Sie freut sich sogar darüber gekauft zu werden und ihren Eigentümern dienen zu dürfen – was sollte sie auch sonst wollen? Immerhin hat ein Klon keine eigenen Wünsche und keinen anderen Zweck.
Nach und nach bemerkt sie jedoch, dass sie offenbar anders ist als andere Klone oder aber ihre Daten falsch sind. Sie ist ziemlich neugierig und wissensdurstig, kann menschliches Essen schmecken und, was am wichtigsten ist, sie hat sehr wohl Gefühle! Zunächst schämt sie sich dafür defekt zu sein und versucht es um jeden Preis zu verbergen, mit der Zeit bemerkt sie allerdings, dass sie bei weitem nicht der einzige Klon ist, der Gefühle, eigene Wünsche, Hoffnungen und Träume hat, und will nicht länger vorgeben emotionslos zu sein. Aus dem Wunsch einfach nur zu dienen, wird ein Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung. Sie entwickelt, verständlicherweise, einen Hass auf die Menschen, die sie wie eine Sklavin behandeln und sie ohne zu zögern wie eine Maschine entsorgen würden, wenn sie von ihrem Innenleben wüssten.
Es ist teilweise wirklich erschreckend, wie manche Menschen mit ihren Klonen, die sich rein äußerlich nur durch ihre Tattoos sowie die fuchsiafarbenen Augen von ihnen unterscheiden, behandeln. Das Leben eines Klons hat für sie keinerlei Wert und ein Klon, der Gefühle zeigt, ist unerwünscht und wird sofort beseitigt. Wobei letztere sogar fast noch Glück haben, denn einige von ihnen werden zurück zu ihrer Schöpferin gebracht und dort auf grausamste Weise bei vollem Bewusstsein seziert um herauszufinden, was angeblich schief gegangen ist.
Zu diesen Menschen zählen leider auch die Mitglieder aus Elysias Familie, die sie, solange sie die brave, vorbildliche Tochter spielt, herzlich aufgenommen haben, sie aber ohne zu zögern eliminieren würden, falls das nicht mehr der Fall sein sollte. Für sie ist Elysia im Grunde nicht mehr als ein hübsches Spielzeug, das sich ihrem Willen bedingungslos zu unterwerfen hat, wie auch immer dieser Wille aussehen mag.
Glücklicherweise gibt es aber auch Menschen mit einem Gewissen, die gegen die Versklavung der Klone sind und aktiv dagegen vorgehen, indem sie die Klone bei ihrer Revolte unterstützen, was Elysia jedoch erst im späteren Verlauf der Handlung herausfindet. Sie wollen ihre Rechte stärken und ihnen dabei helfen selbst über ihr, ganz und gar nicht wertloses, Leben bestimmen zu dürfen. Sie verschließen die Augen nicht einfach vor der Wahrheit und wissen, dass viele Klone sehr wohl Gefühle haben und nicht wie Gegenstände behandelt werden wollen. Leider sind diese Menschen, insbesondere auf Demesne, aber noch in der Unterzahl.
Die Handlung selbst ist, zumindest zu Beginn, noch nicht allzu spannend, allerdings dennoch interessant. Anfangs dreht sich erst einmal alles um Elysias Leben bei ihren neuen Eigentümern und wie sie bei ihnen eine völlig neue, faszinierende Welt entdeckt. Dementsprechend dauert es eine ganze Weile bis Elysia bemerkt, dass das perfekte Paradies doch gewisse Makel hat – z.B. der exzessive und folgenschwere Drogenkonsum der gelangweilten Jugendlichen – und sie anfängt gegen gewisse Umstände aufzubegehren. Diese Entwicklung ist sehr schön zu beobachten und dauert selbstverständlich etwas länger. Elysia mag vielleicht das Äußere einer Sechzehnjährigen haben, hat aber logischerweise noch nicht die Erfahrungen sammeln können, die eine normale Jugendliche in dem Alter bereits gesammelt hat und braucht daher Zeit um alle Zusammenhänge zu begreifen und zu erkennen, dass sie in vielerlei Hinsicht belogen wurde.
Zum Ende hin, als sich die Ereignisse geradezu überschlagen, kommt dann trotzdem noch richtig Spannung auf und auf den letzten Zeilen wird man mit einer vollkommen unerwarteten Situation konfrontiert, mit der man so, im Gegensatz zu ein paar anderen vorherigen Geschehnissen, definitiv nie gerechnet hätte, die einige Annahmen völlig über den Haufen wirft und dafür sorgt, dass man den zweiten Teil am liebsten sofort im Anschluss lesen würde.
Wirklich kritikwürdig ist eigentlich nur, dass Rachel Cohn es ab und zu ein wenig übertreibt und es dadurch manchmal einfach zu viel des Guten ist. Gerade in den letzten Kapiteln wird man mit ein paar Wendungen überrascht, die alle zusammen genommen etwas überladen wirken und einen schon fast überfordern, genauso wie Elysia. Ein paar Details bzw. Entwicklungen der Zukunftsvision in BETA, wie z.B. dass es irgendwo im Weltall eine menschliche Kolonie gibt, was ohnehin nur zweimal am Rande erwähnt wird, hätte man ferner ruhig weglassen können, falls es in den folgenden Bänden keine wichtige Rolle mehr spielt, was zu bezweifeln ist. Das Klonen sowie die zahlreichen Veränderungen der natürlichen Bedingungen auf und um Demesne sind nämlich allein schon vollkommen ausreichend. Des Weiteren werden bestimmte, nicht ganz unwichtige Begebenheiten, wie z.B. die Water Wars, einer angeblich sehr wichtigen Periode in der Menschheitsgeschichte, nur genannt, aber leider nicht näher erläutert, obwohl man gern mehr darüber erfahren hätte. Wozu etwas zur Sprache bringen, auf das man dann überhaupt nicht näher eingeht? Etwas missglückt ist außerdem die Liebesgeschichte zwischen Elysia und einem anderen Klon, da er im Gegensatz zu ihr, außer unter Einfluss von Drogen, keine Gefühle (für sie) hat, was er ihr sogar sagt, und man daher nicht ganz nachvollziehen kann, warum Elysia sich ausgerechnet in ihn verliebt.
FAZIT
Insgesamt ist BETA trotz kleinerer Schwächen ein mitreißender Auftakt zu einer Tetralogie, die man auf jeden Fall weiter lesen wird. Die Welt, die Rachel Cohn, erschaffen hat, ist äußerst interessant und da man im ersten Teil natürlich noch nicht alle Antworten erhalten hat, sondern etliche neue Fragen aufgeworfen wurden, gibt es in den folgenden Bänden noch viel zu entdecken und genug Geheimnisse zu enthüllen. Vor allem die Wendungen auf den letzten Zeilen werden daher dafür sorgen, dass man schon jetzt neugierig auf die Fortsetzung ist und sie freudig erwartet.