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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.02.2018

Jede Geschichte ein Juwel

Die Leute von Privilege Hill
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Nachdem Jane Gardam mit ihren Romane um Old Filth auch bei uns bekannt wurde, gibt es nun auch einen Band mit Erzählungen.
Hat sie schon mit den Romanen gezeigt, wie dicht und prägnant sie erzählen kann, ...

Nachdem Jane Gardam mit ihren Romane um Old Filth auch bei uns bekannt wurde, gibt es nun auch einen Band mit Erzählungen.
Hat sie schon mit den Romanen gezeigt, wie dicht und prägnant sie erzählen kann, wird dies in den Kurzgeschichten noch deutlicher. Es gelingt ihr mit einem Nebensatz aus einer Figur einen Menschen zu machen und mit einigen Worten eine Landschaft oder Atmosphäre lebendig zu werden.
Ich finde alle Erzählungen die in diesem Band gesammelt sind, sehr gut, aber einige sind geradezu exzellent. Vor allem hat mir die Geschichte um Hetty gefallen, die in den Ferien ihrer alten großen Liebe wiederbegegnet, oder auch die Geschichte des verstummten chinesischen Jungen, der einen Schwan rettet und zum ersten Mal spricht. Oder die feinen alten Damen, die ihres verstorbenen Kindermädchens gedenken, aber nicht einmal 75 Shilling aufbringen wollen, um eine Annonce zu schalten. Selten ist Überheblichkeit und englischer Standesdünkel eleganter und schwärzer in Szene gesetzt worden. Alle Geschichten sind von einer leisen Melancholie durchzogen und gleichzeitig gewürzt durch den feinen Spott, auf den sich Gardam so gut versteht.
Auch dieses Buch wurde von der Schriftstellerin Isabell Bogdan ins Deutsche übersetzt und wie ich finde, wieder sehr gelungen.

Veröffentlicht am 11.02.2018

Ein wunderbares Buch

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen
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Es ist ein Zeitungsinserat mit dem Hedy von Pyritz die Kleinstadt in Aufruhr versetzt. „Dame in den besten Jahren sucht Kavalier, der sie zum Nacktbadstrand fährt. Entgeltung garantiert.“ Fräulein von ...

Es ist ein Zeitungsinserat mit dem Hedy von Pyritz die Kleinstadt in Aufruhr versetzt. „Dame in den besten Jahren sucht Kavalier, der sie zum Nacktbadstrand fährt. Entgeltung garantiert.“ Fräulein von Pyritz, 88 Jahre alt, vermögend, erfolgreich und von eiserner Disziplin und Entschlusskraft, versteht die Aufregung nicht und bleibt bei ihrem Vorhaben. Helfen soll ihr dabei Jan, ihr schüchterner Physiotherapeut, der allerdings keinen Führerschein hat. Aber er hat viel Verständnis und Einfühlungsvermögen und so erfährt der Leser über Jan von der unglaublichen Lebensgeschichte der Hedy von Pyritz.

Es passiert mir nicht oft, dass ich der Titelheldin eines Romans gleich auf den ersten Seiten verfalle. Bei Hedy war es der Fall, ich liebe diese Figur mit ihrer Widersprüchlichkeit, ihrer Schroffheit und für ihre gut verborgene Verletzlichkeit. Aber auch alle anderen Figuren sind mir in diesem Buch sehr ans Herz gewachsen. Die Geschichte spielt auf zwei Handlungsebenen, die Gegenwart, da Hedy ihren Wunsch durchsetzen möchte und die Vergangenheit, als Hedys großer Wunsch Pilotin zu werden für ein junges Mädchen fast eine Unmöglichkeit war. Die Handlungsstränge ergänzen sich dabei wunderbar, denn Rückblick für Rückblick wird ein Stück mehr von ihrer Persönlichkeit sichtbar und ihr Charakter begreiflicher. Glück und großes Leid lagen sehr dicht beisammen, die Zeit des 2. Weltkriegs prägte ihr Leben im Guten, wie im Schlechten. Verlorene Liebe, verlorene Freundschaft und allgegenwärtigen Tod musste sie bewältigen.

Trotz aller Schicksalsschläge, die die Protagonisten bewältigen müssen, durchzieht das Buch eine heitere Gelassenheit und schenkt Glücksmomente.

Andreas Izquierdo hat einen wunderbaren Roman geschrieben, mit der Welt der Hedy von Pyritz einen ganz eigenen Kosmos erstehen lassen, der den Leser von der ersten Minute an fesselt und mitnimmt. Seine Figuren sind so menschlich beschrieben, mit ihren Stärken und Schwächen, dass sie mir sehr nahe gekommen sind. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu lesen und habe alle Emotionen mitgefühlt.

Ganz sicher ist das Buch eines meiner Highlights dieses Jahres!

Veröffentlicht am 10.02.2018

Eiskalt

Eisige Flut
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Es ist kalt geworden in Küste vor den Nordfriesischen Inseln, als John Benthien und sein Team nun zum fünften Mal ermitteln.

Wie eine Eisskulptur drapiert, mit der ausgestreckten Hand an der Klingel wird ...

Es ist kalt geworden in Küste vor den Nordfriesischen Inseln, als John Benthien und sein Team nun zum fünften Mal ermitteln.

Wie eine Eisskulptur drapiert, mit der ausgestreckten Hand an der Klingel wird die Leiche der seit einigen Tagen vermissten Anja Derling vor ihrem Elternhaus gefunden. Es wird nicht die einzige so ausgestellte Leiche bleiben.
Diese bizarren Morde stellen Benthien und seine Kollegen vor ein Rätsel, bis sich die Spuren zu einem Verdacht verbinden, die den Kommissar bis in seine eigene Vergangenheit zurückführen.

Der Krimi fesselt von der ersten Seite, die Geschichte ist nicht nur toll ausgedacht, sondern ließ mich richtig frösteln, was nicht nur an den eisigen Temperaturen lag. Die Ermittlungen des eingespielten Teams sind realistisch und nachvollziehbar beschrieben. Die einzelnen Spuren, die geheimnisvollen Beigaben bei den gefunden Leichen, das sich allmählich abzeichnende Beziehungsgeflecht – alles zusammen zog mich in Bann und ich konnte nur schwer die Lektüre unterbrechen. Sehr gelungen fand ich die Beschreibungen der mitwirkenden Figuren, ob Opfer oder Verdächtige. Sie waren sehr lebensecht charakterisiert und wirkten in ihren Handlungen immer stimmig. Lange blieb mir der Täter ein Rätsel, auch wenn sich allmählich die Beweggründe herausstellten.

Mir gefielen auch die kleinen privaten Abweichungen, die die Spannung auflockerten, Benthiens alter, aber sehr agiler Vater, der immer für ein Schmunzeln sorgt oder die noch zarte Beziehung zwischen John Benthien und seiner Kollegin Lilly, die einer Bewährungsprobe ausgesetzt wird. Das hat die Krimihandlung perfekt abgerundet.

Nina Ohlandt hat mich mit ihrem neuen Buch wieder absolut überzeugt. „Eisige Flut“ ist ein Krimi, der für mich alles beinhaltet, was ich mir für perfekte Krimiunterhaltung wünsche: einen spannenden, ausgefallenen Plot, menschlich echt gezeichnete Charaktere, eine stimmige Atmosphäre und eine überraschende, aber sehr logische Auflösung.

Eine echte Empfehlung.

  • Einzelne Kategorien
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  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Handlung
  • Spannung
Veröffentlicht am 05.02.2018

Sehr gelungen

Hafenkino
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Als eingeschworene Landratte zu einem Buch über Seglererlebnisse zu greifen, ist eher ungewöhnlich. Aber ich kannte die Autorin Steffi von Wolff und habe ich mich immer sehr gut mit ihren Büchern unterhalten. ...

Als eingeschworene Landratte zu einem Buch über Seglererlebnisse zu greifen, ist eher ungewöhnlich. Aber ich kannte die Autorin Steffi von Wolff und habe ich mich immer sehr gut mit ihren Büchern unterhalten. Deshalb habe ich auch die Leseprobe gelesen und mich bei den ausgewählten Kapiteln schon köstlich amüsiert. Das Buch hat dann auch gehalten, was die Leseprobe versprach.

Freud und Leid liegen bei allen Frauen, die das Hobby ihres Mannes nicht mit der gleichen Leidenschaft teilen, nah zusammen. Das bringt die Autorin einfach saukomisch auf den Punkt. Ihre Geschichten sind überspitzt, aber grade nur so viel, dass alles auch so passiert sein könnte. Segler und ihre Begleiter werden mit Sicherheit die Situationen wiedererkennen, die mit so viel Liebe und Humor geschildert sind und Landratten wie ich, amüsieren sich eben aufs Beste und sind froh, dass sie ein Segelboot höchstens mal bei einer Einladung an einem sonnigen Wochenende betreten müssen.

Mir haben die Geschichten um die „Alte“ ausnehmend gut gefallen, auch wenn der eine oder andere Fachausdruck mir nicht bekannt war. Meist erschließt es sich aus dem Text und sonst gibt es ja immer noch Google. Aber für die Zielgruppe des hübschen Bändchens dürfte das kein Problem sein. Besonders gut gelungen waren die Menschen, die entweder Nachbarn auf dem Liegeplatz waren oder denen man so unterwegs begegnet. Da ist alles dabei, vom Choleriker bis zum notorischen Besserwisser, vom Segler mit Helfersyndrom bis zum Theoretiker, der dann kläglich an der Realität scheitert.

Eine Empfehlung an alle Segler und ihre Begleiter, die sich sicher beim Lesen wiedererkennen.

Veröffentlicht am 31.01.2018

Hollywood Babylon

Der Mann, der nicht mitspielt
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Hollywood, Anfang der 20ger Jahre des letzten Jahrhunderts: Harry Engel hat es, wie so viele als Schauspieler nicht geschafft, mit Kleinst-und Statistenrollen hält er sich über Wasser. In seinem früheren ...

Hollywood, Anfang der 20ger Jahre des letzten Jahrhunderts: Harry Engel hat es, wie so viele als Schauspieler nicht geschafft, mit Kleinst-und Statistenrollen hält er sich über Wasser. In seinem früheren Leben in Deutschland war er Polizist, warum nicht also auch als Privatdetektiv arbeiten.
Da taucht plötzlich die attraktive und geheimnisvolle Pepper Murphy in seinem Wohnbüro auf, ihr Auftrag: er soll ihre Freundin und Kollegin, das verschwundene Starlet Virginia Rappe finden.
Harry Engel hat schon längst alle moralische Bedenken über Bord geworfen, er agiert zwischen allen Fronten, fordert Gefälligkeiten oder lässt sich selbst auf Nebengeschäfte ein. Schließlich muss auch er überleben. Dass er sich in seine attraktive Auftraggeberin verliebt, auch wenn er weiß, dass sie alles andere als ehrlich zu ihn ist, ist nur folgerichtig.
Damit ist die Handlung umrissen. Der Fall Virginia Rappe ging in die Skandalgeschichte von Hollywood ein und noch heute scheint der Kriminalfall nicht eindeutig gelöst. Die Macht der Studios und ihre Angst vor Skandalen war und ist bis heute übermächtig. Hollywood Babylon – ein Sumpf aus Korruption, Skandalen, Drogenrausch, Alkohol und sexueller Ausbeutung, das klingt auch heute noch aktuell. Der Autor taucht tief in Szene ein, die goldene Ära des Stummfilms und die Ära des „Hardboiled“ Krimis. Er hat seine Vorbilder wie Dashiell Hammett oder Chandler gut studiert und trifft genau den Ton dieser desillusionierten und hartgesottenen Detektive. Seine Sprache ist schnell, die Dialoge direkt und zynisch. Die Handlung ist komplex ausgearbeitet und die vielen Anspielungen auf reale Ereignisse und Personen der Filmgeschichte des frühen Hollywoods und der berühmten Studios machen den Detektivroman auch zu einem Buch für Filmkenner. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass für Leser so ganz ohne Interesse an Kino und Filmgeschichte die Handlung manchmal zu ausufernd wirkt.
Wenn das Buch, wie angekündigt, der Auftakt zu einer Reihe über die großen Skandale Hollywoods wird, bin ich gespannt auf die weitere Arbeit des Autors.