„Sturmhöhe“ von Emely Bronte kann ja auf alle Fälle zu den Klassikern gezählt werden. Die Geschichte rund um Heathcliff und Catherine auf dem Gutshof Wuthering Heights ist bekannt. Es geht um zwei Familien, die Earnshaws und die Lintons, sowie um den Findling Heathcliff, der, nachdem Catherine Earnshaw sich entgegen ihrer Gefühle dafür entscheidet, Edgar Linton zu heiraten, sich an beiden Familien rächen will.
Der Roman ist ja schon ganz interessant aufgebaut: Statt einem gibt es gleich zwei Erzähler. Zum einen Mr. Lockwood, der Thrushcross Grange pachtet und so Heathcliff kennenlernt. Das geschieht zeitlich nach dem Großteil der Ereignisse. Die zweite Erzählerin ist Nelly Dean, die Mr. Lockwood den Hauptteil der Geschichte erzählt. Sie lebt schon lange in der Gegend, erst auf Wuthering Heights, dann auf der Grange und kennt somit die beiden Familien, um die sich das Buch dreht. Wie schon gesagt erzählt sie Mr. Lockwood, was in der Vergangenheit passiert ist und obwohl ich mir manchmal gewünscht hätte, die Ereignisse auch aus anderen Perspektiven zu erfahren, hat das so schon gepasst.
Am Anfang muss man sich erst einmal in die Handlung einfinden, es passiert noch nicht wirklich viel und man hat absolut keine Ahnung, was eigentlich los ist, wer wer ist und es kann zu Verwirrungen kommen. Aber das wird nach und nach aufgelöst und spätestens, wenn Nelly Dean mit ihrer Erzählung beginnt, wird der Roman spannender. Nach und nach erfährt man, wie es zum jetzigen Stand der Dinge gekommen ist, lernt die Abgründe der Personen kennen, die zahlreich sind, und die Gründe, warum sie so handeln, wie sie es eben tun.
Die Charaktere fand ich sowieso fast alle unglaublich interessant, was an ihrer Vielschichtigkeit lag. Sympathisch? Nicht immer. Aber dafür ist die Geschichte dieser eckigen Charaktere viel spannender zu verfolgen als wenn sie alle nett und freundlich gewesen wären. Bei manchen sind die Macken sehr witzig, wie bei Joseph, bei anderen nehmen sie fast schon unheimlich Züge an. Dafür ist Heathcliff das beste Beispiel. Manchmal wirkt er fast wie ein Wahnsinniger, vor allem in seiner Besessenheit von Catherine. Trotzdem fand ich seine Gefühle noch nachvollziehbar, auch wenn seine Taten es nicht mehr waren. Er muss eine schreckliche Kindheit hinter sich gehabt haben und Catherine war quasi der einzige Lichtblick darin. Als selbst sie sich von ihm abwendet, ist er vor allem auf Rache aus und will den meisten Menschen nur noch Schaden zufügen. Er ist wirklich alles andere als ein sympathischer Charakter.
Doch auch die anderen Figuren laden nicht gerade zum Knuddeln ein. Catherine ist zum Beispiel unfassbar selbstsüchtig und launisch, ihre Anfälle wirken manchmal wirklich seltsam. Oder Hareton, der so ungebildet ist und jeden beleidigt, der ihm über den Weg läuft. Edgar, der im Vergleich zu anderen Charakteren fast schon langweilig wirkt, und Linton, der in seiner Selbstsucht sogar noch die von Catherine übertrifft.
Es gibt jedoch einen Charakter, der schon eher Pluspunkte sammeln kann, und das ist die junge Catherine. Sie ist auch kein Engel. Zwar naiv und süß, aber gleichzeitig verwöhnt und daran gewöhnt, dass immer alles nach ihrem Willen geschieht.
Die Charakterdarstellung fand ich allgemein sehr mutig von der Autorin, nicht jeder traut sich, so eckige Persönlichkeiten zu erschaffen, die garantiert nicht für jeden Leser etwas sind. Mir hat das unglaublich gut gefallen, so wirken sie viel echter, und die Entwicklungen der Personen sind auch interessant mitzuverfolgen.
Wer sich von „Sturmhöhe“ eine schöne Romanze erhofft, wird wahrscheinlich enttäuscht werden, denn obwohl es auch eine Liebesgeschichte ist, ist diese nicht im konventionellen Sinne romantisch, sondern eher tragisch. Ich hatte zwar eigentlich auch etwas anderes erwartet, fand es aber dann nicht mehr so schlimm, da die Ereignisse alle unfassbar spannend sind.
Insgesamt kann ich den Roman nur empfehlen. Er ist düster, verworren und ein bisschen verrückt, aber sehr spannend, wenn man erstmal hineingefunden hat.