Aufrüttelnd, erschreckend und wertvoll
Die Nickel BoysElwood wächst bei seiner Großmutter auf, nachdem seine Eltern abgehauen sind, um ihr Glück in der weiten Welt zu finden. Er ist klug, wissbegierig und möchte immer mehr lernen und erfahren. Doch ist es ...
Elwood wächst bei seiner Großmutter auf, nachdem seine Eltern abgehauen sind, um ihr Glück in der weiten Welt zu finden. Er ist klug, wissbegierig und möchte immer mehr lernen und erfahren. Doch ist es für ihn Anfang der 1960er Jahre nicht einfach in dieser Welt als schwarzer Teenager zu leben, die durch die Bürgerrechtsbewegung sich erst sehr langsam und verhalten verändert. Doch dank seines Fleißes wird ihm angeboten, das College zu besuchen. Beseelt macht er sich auf den Weg zu seiner ersten Unterrichtseinheit, kommt jedoch nie am College an, sondern wird beim Trampen gefangen genommen und kurzer Hand in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesteckt. Was Elwood dort erwartet, ist das pure Grauen.
Nach Underground Railroad ist „Die Nickel Boys“ mein zweiter Roman des Autors.
Und wie auch die Geschichte der Sklavin Cora, so ging mir die fiktive Geschichte um Elwood unter die Haut. Ich wappnete mich für die Schrecken dieses Buches und doch wurde mir passagenweise immer wieder übel auf Grund der Ungerechtigkeit, die Elwood ertragen muss., des Hasses, der durch die Seiten sickert und der Gräueltaten, die den Nickel Boys angetan wurden.
Wieder gelingt es dem Autor, einen Roman zu schreiben, den ich für unglaublich wertvoll halte. Das Buch dient auf keinem Fall der Unterhaltung, sondern soll aufrütteln, wachrütteln, für ein tieferes Verständnis und Miteinander sorgen und erneut zeigen, wie ungerecht unsere Welt ist beziehungsweise war und wie sie nie wieder werden soll.
Zugegeben, ich hatte wie auch schon bei Underground Railroad ein paar Probleme beim Folgen der Geschichte. Ich konnte das Buch einfach nicht in einem Rutsch durchlesen, ich brauchte Pausen, um etwas Abstand zu gewinnen und die Schrecken etwas verklingen zu lassen. Dadurch fiel es mir nicht immer leicht, die einzelnen Personen und Namen gezielt zuzuordnen. Viele der Nebencharaktere wurden mir auch zu ungenau eingeführt, ich konnte sie nicht ganz zu fassen kriegen, waren sie doch eher schwammig bis gar nicht beschrieben. Dann wieder wurden Nebencharaktere eingeführt, die Seite um Seite an Handlungsraum bekamen, für mich in der Situation aber eher nebensächlich wirkten. Hier hätte es mir besser gefallen, wenn alle Nebencharaktere in angemessenem Umfang vorgestellt worden wären. Da es auch ein paar Sprünge in der Zeit gab, brauchte ich immer ein paar Sätze Anlauf, um zu verstehen, wo der Leser sich nun auf der Zeitachse befindet.
Den Schreibstil von Colson Whitehead finde ich interessant, jedoch kann ich ihm nicht immer viel abgewinnen. Viele Sätze wirken so abgehackt, dass nicht immer ein guter Lesefluss entstand. Auch wurden Konflikte, Probleme und interessante Themen oftmals nur ganz kurz erwähnt, dann genauso schnell wieder fallengelassen und nie wieder aufgenommen. Schade, ein paar Ausführungen mehr hatten mir gut gefallen!
Dann jedoch war ich wieder froh über diesen nicht bildhaften Schreibstil. Vor allem die Schilderungen der Grausamkeiten waren kurz und prägnant ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Denn dies war wirklich nicht nötig, hatte ich als Leser dank seines Schreibstils ein klares Bild vor Augen.
„Wenn alle wegsahen, waren auch alle Mittäter“, dieser Satz hat es mir wirklich angetan. Colson Whitehead steht mit seinen Büchern dafür, eben nicht mehr wegzusehen, sondern aufzuarbeiten und ein besseres Miteinander anzustreben und umzusetzen. Und genau deshalb bin ich auch bei diesem Buch wieder der Meinung, dass es sich für jeden lohnt, dieses Buch zu lesen!