Der Roman „Der Lügenpresser“ von Livia Klingl ist 2018 im Verlag Kremayr & Scheriau in Wien erschienen und kann als aktuelle Gesellschaftskritik verstanden werden.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Hauptprotagonisten Dr. Karl Schmied. Der 62-jährige Boulevard-Journalist lässt die LeserInnen teilhaben an einer Woche voller innerer Monologe seiner selbst. Beginnend mit Montag in der früh, zuhause im Bett begleiten die LeserInnen Karl bis Freitag im Büro des Online-Chefs seiner Zeitung.
Nach „Lauter Fremde!“ war es bereits mein zweites Buch der Autorin, die ganz nebenbei auch noch Journalistin der österreichischen Qualitätszeitung „Kurier“ ist. Aus der Sicht eines Konkurrenzjournalisten erzählt Livia Klingl ein Sittenbild unserer Zeit. Themen wie EU, Migranten, Flüchtlinge, Roboterisierung, Social Media, die Krise der Politik und der Zeitungen behandelt sie ganz nebenbei und doch eindringlich.
Dr. Karl Schmied findet die Zukunft verheißungsvoll und schaut deshalb gerne in die Vergangenheit zurück. Da besingt er die Urlaube mit seiner Mutter in Grado und würde zu gerne auch mit seiner Geliebten Sonja aus Moldawien einen Urlaub im italienischen Küstenort verbringen. Nur schade, dass sich im Hotel seiner Kindheit mittlerweile ein Bankinstitut befindet. Dass die „Jungen“ die typisch wienerische Sprache mit den vielen Synonymen fürs Sterben nicht mehr schätzen können, findet er schade: „Mittlerweile kenne ich diese Englisch-Schmähs, aber am Anfang war das eine Fremdsprache für mich. Nicht das Englische, mein Englisch ist ganz passabel, sondern seine vertrottelte Invasion ins Deutsche.“, aber auch die deutsche Sprache findet er gewöhnungsbedürftig: „Diese deutsche Sprache mit ihren Zehntausenden Wörtern, hat schon seltsame Eigenheiten!“. In seinen inneren Monologen kann sich Dr. Karl Schmied auch nicht entscheiden, ob früher wirklich alles besser war und ob die Stammtischparolen nun stimmen oder nicht, denn zu gerne verfällt auch er in diese Denkmuster. An anderer Stelle kritisiert er dann aber auch wieder die Vorgängergenerationen und zeigt eine Denkweise, die so an Stammtischen sicher nicht zu finden ist: „Hätten’s es nicht zusammengehauen, hätten`s es nicht wieder aufbauen müssen, unsere Eltern und Großeltern!“
Dr. Karl Schmied sieht aber auch die Rolle seines Berufsstands im Weltgeschehen kritisch. So gibt er sehr wohl den amtierenden PolitikerInnen Schuld an der Flüchtlingswelle, die sie ja nicht kommen sehen wollten. Beschwört auch Klimaflüchtlinge durch den Klimawandel, der wie ein Damokles Schwert über unseren Köpfen schwebt, aber im Boulevard keine Erwähnung findet, weil die LeserInnen wissenschaftliche Berichte nicht verstehen würden und die Zeitungen „Klicks!“ brauchen und deshalb die Wahrheit überspitzen oder nur die Sichtweise der Mehrheit wiedergeben immer mit dem Anhimmeln eines Politikers bzw. dessen Verteufelung.
„Der Lügenpresser“ ist ein wirklich lesenswertes Zeit- und Sittenbild, das mich nicht nur einmal den Kopf schütteln lies. Alle handelnden Personen sind frei erfunden, könnten aber genauso gut in der Realität existieren. Dr. Karl Schmied zeigt die typische Mitte-Rechts Stimmung in unserem Land wieder und spielt auch mit einigen Klischees. So trinkt er beispielsweise ohne natürlich ein Alkoholproblem zu haben und seine Freundin Sonja aus Moldawien arbeitet in einem ganz besonderen Milieu. Einmal werden sogar Boulevard-Zeitungen (und österreichische LeserInnen wissen, von welcher Zeitung gesprochen wird) als „seriös“ bezeichnet, welch blanker Hohn, der dann doch Satire ist.
„Von mir aus könnte einfach wieder Vernunft einkehren, besser heute als morgen, von mir aus könnte die Welt einfach wieder geordnet sein und die Leute friedlich und zufrieden.“