Ich habe bereits einige Bücher aus der Feder von Laura Kneidl gelesen und war bislang immer sehr begeistert, dementsprechend hoch waren die Erwartungen an "Berühre mich. Nicht.", ihren ersten Ausflug ins New Adult-Genre. Letztendlich muss ich sagen, dass ich von der Geschichte wahnsinnig begeistert bin, denn nicht nur der Schreibstil war wieder einmal großartig, sondern auch die Grundstimmung in der Geschichte, die wunderbaren Figuren und eine Achterbahn der Gefühle, die die Autorin bei mir hinterlassen hat.
Obwohl sich die Geschichte an sich stets leicht und flüssig liest, ist die Thematik alles andere als einfach und hat oftmals einen dicken Kloß in meinem Hals hinterlassen. Hier wird nicht nur über Missbrauch erzählt, sondern über sämtliche Nachwirkungen, die beim Opfer mehr als deutlich spürbar sind. Dazu wurde das Thema Missbrauch, die Folgen und auch die Behandlungsmethoden sehr gut recherchiert, sodass man einen interessant Einblick zum Thema Heilungsprozess erhält. Die Figuren sind nahezu perfekt ausgearbeitet, man lernt sie ausreichend kennen, man kann mit ihnen mitfühlen, sich zum Teil in sie hineinversetzen und sie einfach nur ins Herz schließen.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der 18-jährigen Sage, die von Maine nach Nevada zieht, um dort an der hiesigen Universität zu studieren. Während viele Studenten sich auf zahlreiche Parties, Affären und jede Menge Erfahrungen freuen, möchte Sage nur eins: Freiheit! Weg von ihrer Familie, weg von ihren Ängsten und vor allem weg von den Qualen, die sie all die Jahre erlitten hat. In Nevada soll ihr Neuanfang beginnen, der sich jedoch als sehr holprig darstellt, denn Sage hat weder eine Wohnung, noch besonders viel Geld, noch sonst jemanden, an den sie sich wenden kann. Gleichzeitig möchte sie nicht, dass jemand von ihrer Vergangenheit erfährt, sodass sie sich zunächst bewusst von den anderen Studenten abschottet.
Dies ändert sich jedoch schlagartig, als sie auf April und ihren Bruder Luca trifft, die ihr Leben in jeglicher Hisicht verändern. Während Sage April direkt ins Herz schließt und sich mit ihr anfreundet, steht sie Luca noch skeptisch gegenüber und hat vor ihm und seinen Tattoos große Angst. Dass die Angst jedoch unbegründet ist, lernt Sage erst nach und nach und somit kann sie sich Luca nach einiger Zeit auch mehr öffnen, sodass man erkennt, dass die beiden doch mehr verbindet, als man zuvor geahnt hat. Aber kann eine solche Freundschaft oder gar mehr tatsächlich funktionieren, wenn Sage so viele Geheimnisse und Ängste mit sich herumträgt?
Mit Sage lernt man eine äußerst liebenswerte Figur kennen, die es im Leben bislang nicht leicht hatte. Ich konnte mich häufig in ihre Situation hineinversetzen und mit ihr mitfühlen, gleichzeitig konnte ich sie allerdings oftmals nicht verstehen, da ich ihr Verhalten manchmal nicht einschätzen konnte und ihr mehr Mut und mehr Selbstvertrauen gewünscht hätte. Dennoch ist sie eine hervorragend ausgearbeitete Figur, die man nur ins Herz schließen kann. Gleiches gilt auch für Luca und April. Während April ein absoluter Serienjunkie ist, offen auf Menschen zugeht und sich für Mode interessiert und Mathematik studiert, ist Luca das genaue Gegenteil. Er liebt Bücher über alles, wirkt aber auch gleichzeitig geheimnisvoll, da er sich nur schwer auf andere Menschen und Gefühle einlassen kann und somit lieber für sich ist. Dennoch ist er in "Berühre mich. Nicht." alles andere als ein typischer Bad Boy, sodass die Autorin bei diesem Werk zum Großteil auf die üblichen Klischees aus dem Genre verzichtet hat.
Wer bei dieser Geschichte eine einfache Liebesgeschichte erwartet, der könnte unter Umständen enttäuscht sein, denn die Geschichte ist weitaus tiefgründiger und düsterer als man zunächst denken könnte. Hier geht es nicht nur um die erste große Liebe, sondern vor allem auch um Missbrauch, Angstzustände, Selbständigkeit und Vergangenheitsbewältigung, sodass man zunächst von der Geschichte überwältigt werden könnte. Dies äußert sich besonders in Sages Gedanken und Gefühle, die manchmal aufgrund ihrer Vergangenheit nur schwer zu ertragen sind. Dennoch werden sämtliche Themen sensibel behandelt, sodass sich sicherlich auch der ein oder andere Leser in Sage wiedererkennen könnte.
Das Cover ist nicht nur typisch für das Genre, sondern auch ein wunderschöner Hingucker, der direkt einen Ehrenplatz in meinem Regal erhalten hat. Die Kurzbeschreibung liest sich vielversprechend, verrät allerdings nicht zu viel, sodass man im Laufe der Geschichte noch oftmals überrascht wird.
Kurz gesagt: "Berühre mich. Nicht." hat alles, was ein gutes Buch braucht: Einen phantastischen Schreibstil, ein tolles Setting, eine Thematik, die bestens recherchiert und erzählt wird und Figuren, in die man sich hineinversetzen und mit denen man mitfühlen kann. Ich bin somit mehr als begeistert und kann den Auftakt der "Berühre mich. Nicht."-Dilogie nur empfehlen.