1925 Vorweihnachtszeit in Ostpreußen. Die 16-jährige Frederike lebt gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihren Eltern auf Gut Fennhusen. Die Mutter ist in dritter Ehe mit Erik verheiratet und zog mit ihren ältesten drei Kindern von Potsdam auf das Gut in Ostpreußen. Frederike hat nur noch ein Jahr, bevor sie das Gut für eine weiterbildende Handelsschule für höhere Töchter verlassen wird. Sie liebt Pferde und nutzt jede Gelegenheit, mit ihrem eigenen Pony über die Felder und durch die Wälder zu reiten. Zu Caramell, der Stute ihrer Mutter, hat Frederike eine besondere Liebe entwickelt. Doch diese wurde lange Zeit nicht geritten und benimmt sich störrisch und unberechenbar. Es steht zur Diskussion, das Pferd zu verkaufen, aber Frederike unternimmt alles, damit es nicht dazu kommt, ist Caramell doch die letzte Verbindung zu ihrem bereits verstorbenen leiblichen Vater. Leider wirbt der Nachbar von Gut Fennhusen hartnäckig um das Pferd und so muss Frederike schon einiges einfallen, damit der Verkauf verhindert wird. Wird es ihr gelingen, ihren Stiefvater zu überzeugen oder findet das nahende Weihnachtsfest ohne Caramell statt?
Ulrike Renk hat mit ihrem kleinen Büchlein „Das Fest der kleinen Wunder“ die Vorgeschichte ihrer „Ostpreußensaga“ vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und bildhaft, der Leser nimmt von der ersten Seite an direkt Teil an einem Leben in vergangener Zeit auf einen alten Gutshof, der seit Generationen in Familienbesitz ist. Hautnah erlebt man das Zusammenleben von Herrschaft und Bediensteten mit, die alle hart arbeiten, aber auch gemeinsam feiern. Der Alltag wird so lebhaft und bildgewaltig beschrieben, dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein und alles mit eigenen Augen zu beobachten. Der Autorin gelingt es geschickt, den Leser mit auf die Jagd zu nehmen oder die Herstellung von Pfefferkuchen in der Gutsherrenküche gedanklich mitzuerleben. Überhaupt spiegelt die Küche den Mittelpunkt des Hauses wieder, wo sich die Kinder oft aufhalten und stibitzen, wo die Köchin mit ihrer Entourage für das leibliche Wohl der Gutsherrschaften und sämtlichen Bediensteten sorgt, womit ihr eine Schlüsselrolle zukommt.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und lebendig gestaltet, jeder von ihnen besitzt besondere Eigenheiten, die sie sehr authentisch und realitätsnah wirken lassen. Frederike ist ein liebes und aufgeschlossenes Mädchen an der Stufe zur jungen Frau. Sie ist ihrer Familie sehr verbunden, fühlt sich geborgen und wohl auf dem Gut. Ihre Leidenschaft für Pferde kann sie hier ausleben. Für ihre jüngeren Geschwister ist sie ein gutes Vorbild. Frederike setzt sich für sie ein und deckt auch so manchen Streich, der schief geht. Eigentlich hat sie genügend Menschen um sich herum, dennoch vermisst sie ihre Freundin Thea, die in Berlin lebt und nur zu besonderen Anlässen zu Gast auf dem Gutshof ist. Aber sind die beiden Mädels einmal zusammen, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Fritz, Frederikes jüngerer Bruder, hat nur Flausen im Kopf. Er interessiert sich für alles Technische und setzt sich gern und oft über Verbote hinweg, was oftmals leider gründlich schief geht. Köchin Schneider ist die Seele des Hauses und verwöhnt die Kinder gern und oft mit Leckereien. Sie trägt das Herz auf der Zunge und lebt schon seit Ewigkeiten auf dem Gut. Auch die übrigen Protagonisten tragen zum Wohlfühlfaktor dieser Geschichte bei, in der man alle Charaktere schon einmal kennenlernen kann, bevor man sich an die bereits veröffentlichten Bände der „Ostpreußen-Saga“ wagt.
„Das Fest der kleinen Wunder“ ist eine sehr schöne Einstimmung auf die Bücher „Das Lied der Störche“, „Die Jahre der Schwalben“ und „Die Zeit der Kraniche“, welches erst noch erscheinen wird. Alle, die die Saga gern lesen möchten, sollten sich dieses Buch nicht entgehen lassen, da der Einstieg in die Bücher hierdurch wunderbar erleichtert wird. Eine wirklich schöne Geschichte, die ruhig noch länger hätte sein können. Absolute Leseempfehlung!