Nicht einfach, aber lohnenswert
Zerrissene Erde"Ich möchte diese Leute treffen", sagst du. Es besteht die kleine Chance, dass Jija oder Nassun vorgeben, jemand anders zu sein. Oder dass jemand anders sie gesehen hat, auf der Straße. Oder dass...nun ...
"Ich möchte diese Leute treffen", sagst du. Es besteht die kleine Chance, dass Jija oder Nassun vorgeben, jemand anders zu sein. Oder dass jemand anders sie gesehen hat, auf der Straße. Oder dass...nun ja. Es ist wahrlich nur eine kleine Chance. Du ergreifst sie trotzdem. Sie ist deine Tochter. Du wirst alles tun, um sie zu finden.
"Gut." Ykka dreht sich um und winkt. "Kommt, ich zeige euch ein oder drei Wunder." Als hätte sie das nicht bereits getan.
Du folgst ihr, denn weder Mythen noch Mysterien können einem noch so winzigen Hoffnungsfunken das Wasser reichen.
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INHALT:
Es ist eine Welt, wie sie schrecklicher kaum sein könnte: Alle paar Jahrhunderte kommt eine schreckliche Zeit des Leidens und Verderbens, die auf dem ein oder anderen Wege viele Menschenleben fordert. Schon lange legt die Bevölkerung deshalb Vorräte an, um zu überleben. Doch als sich ein Riss mitten im Land Sansia auftut, der nicht nur Asche in den Himmel spuckt, sondern auch jegliche Lebewesen verrückt werden lässt, scheinen alle Schutzmaßnahmen hinfällig: Diese sogenannte Fünfzeit könnte länger dauern als alle zuvor. Essun, eine Mutter aus einem kleinen Dorf mit Fähigkeiten, von denen niemand wissen darf, macht sich trotz dieser Gefahren auf eine Reise. Denn ihr Ehemann hat ihren kleinen Sohn getötet und ihre Tochter mitgenommen. Um jeden Preis will sie die beiden finden. Doch das Grauen hat noch gar nicht richtig angefangen.
MEINE MEINUNG:
"Zerrissene Erde" hat 2016 den HUGO Award erhalten, den Preis schlechthin für Sciene Fiction-Romane. Science Fiction? Das ist eigentlich nicht das Genre, das einem bei dem Inhalt als Erstes in den Sinn kommt. Wahrscheinlich nicht einmal als Letztes. N. K. Jemisin erschafft in ihrer Trilogie um die "Broken Earth" eine Welt, die man als Leser nur langsam durchschaut, und dieser erste Teil ist gewissermaßen eine Einführung in Charaktere und Aufbau. Es gibt nur wenige Antworten - ganz einfach, weil auch die Protagonisten die meiste Zeit im Dunkeln tappen und erst herausfinden müssen, was es mit all dem auf sich hat. Wir begleiten drei Frauen, deren einzelne Handlungsstränge lange vollkommen autark verlaufen, um dann zum Ende hin teilweise überraschend, vor allem aber sehr überzeugend zusammenzulaufen.
Gewöhnungsbedürftig ist die Art der Erzählung: Während die junge Damaya und die begabte Syenit aus der personalen Sicht erzählen, wird Essun mit "Du" angesprochen - warum, wird schließlich sogar erklärt. So ist es trotzdem erst einmal schwierig, zu Essun, dieser Mutter, die so verzweifelt ihr Kind sucht, eine Bindung aufzubauen, aber das bessert sich nach einer Gewöhnungsphase. Beeindruckend ist allerdings vor allem die Diversität, die die Autorin in ihrer Geschichte unterbringt, ohne dass es erzwungen wirkt - selten habe ich erlebt, wie auf so vollkommen natürliche Art Menschen jeder ethnischen Zugehörigkeit oder auch Transgender miteinbezogen werden. Außerdem begeistern die starken Frauenfiguren, die nicht nur mit ihren Fähigkeiten, der sogenannten Orogenie, beeindrucken, sondern auch mit ihrem eisernen Willen. Schon allein dafür lohnt sich das Lesen!
Dennoch sorgt die erste Hälfte vor allem für eines: Verwirrung. Während Damaya sich in einer Ausbildung befindet, um ihre Kräfte kontrollieren zu können, sind Essun und Syenit auf zwei sehr unterschiedlichen Reisen mit vollkommen unterschiedlichen Zielen. Die Welt, die wir erleben ist eine düstere, brutale, deren wenige lichte Momente immer wieder zerstört werden. Kein Wunder also, dass Essun ohne Rücksicht auf Verluste handelt; dass Syenit jeden hasst; dass Damaya bald alles Vertrauen verliert. Die gesamte Geschichte ist keine leichte Kost, so viel ist sicher. Aber sie ist gleichzeitig auch absolut spannend: Nicht nur gibt es unzählige Gefahren, auch viele offene Fragen müssen geklärt werden - Fragen, auf die nicht einmal die Protagonisten eine Antwort wissen und die man als Leser also mit diesen gemeinsam suchen muss. Der erste Band schließt dann mit einer Enthüllung, die wohl erst im Nachfolger ihre volle Wirkung entfalten wird. Gespannt sein darf man auf jeden Fall.
FAZIT:
"Zerrissene Erde" ist kein einfaches Buch, und es ist auch keine typische Science Fiction. Für die erste Hälfte muss man Geduld mitbringen, um sich in dieser seltsamen, düsteren Welt zurechtzufinden und nicht verloren zu gehen. Toll ausgearbeitete Charaktere, viel Diversität und unglaubliche Ideen helfen dabei. 4 Punkte!