1918 steht die Welt im Bann des vierten Kriegsjahres. Die Vergeudung von Menschen und Maschinen hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß angenommen. Da betritt eine weitere Katastrophe die ohnehin verwüstete Weltbühne: Eine Pandemie ungeahnter Größe breitet sich in drei großen und einer kleinen Welle aus.
Die britische Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney heftet sich in ihrem Buch an die Fersen des Virus. In acht Kapiteln sowie einer ausführlichen Einleitung und einem ebensolchen Nachwort, versucht sie die Wege und Umwege der Krankheit nachzuzeichnen. Denn, obwohl „Spanische Grippe“ genannt hat die tödliche Krankheit vermutlich ihren Ausgang in Asien.
Sie folgt den Truppenbewegungen zwischen den verschiedenen Kriegsschauplätzen, entdeckt dabei, dass es aufgrund der strengen Zensur die jeweils andere Seite nichts von den tausenden Toten erfährt. Dass als die Ausbreitung der Krankheit doch durchsickert, die Krieg führenden Staaten der Meinung sind, es handle sich um „chemische Kampfstoffe“. Ja, es ging so weit, dass man glaubte die Fa. Bayer hätte das Aspirin, für Nichtdeutsche vergiftet.
Doch nicht nur unter den Soldaten, die auf engstem Raum mit Geflügel und Schweinen (als Verpflegung) zusammenleben, sondern auch unter der Zivilbevölkerung bricht die Krankheit aus. In ihre Heimat (oder was davon übriggeblieben ist) zurückkehrende Soldaten, ohnehin krank an Körper und Seele, verbreiten das Virus. Heute weiß man, dass es sich um ein Virus handelt, Anfang des 20. Jahrhunderts kennt man gerade einmal Bakterien. Viren sind zu klein, um in den gängigen Filtern in den Laboratorien hängenzubleiben.
Die Hilflosigkeit der Ärzte, ob der hohen Mortalitätsrate ihrer Patienten ruft natürlich alle möglichen Wunderheiler und Quacksalber auf den Plan. Als entdeckt wird, dass Syphiliskranke nicht oder nur leicht erkranken, nehmen die Menschen Quecksilber haltige Präparate ein und vergiften sich damit. Der „gute, alte“ Aderlass feiert eine fröhliche Renaissance.
Keine Weltgegend wird verschont. Es gibt Infektionsraten von 30-35% der Weltbevölkerung. In Alaska sterben mehr als 40% der Einwohner. In Indien, China, den USA und auch nach Südamerika wird die Grippe eingeschleppt. Einzig Australien wird verschont, weil man einen restriktiven „cordon sanitaire“ rund um die Insel einrichtet. Neuseeland folgt dem Beispiel nicht, und verzeichnet ebenfalls zehntausende Tote.
Die Durchsicht der penibel aufgezeichneten Krankenakte enthüllt, dass nicht bei Alten oder Säuglingen die größte Mortalitätsrate zu verzeichnen ist, sondern bei den 20- bis 40-jährigen. So stirbt eine ganze Generation weg und nicht nur das, sie kann sich nicht, bzw. nur unzureichend fortpflanzen. So fallen defacto zwei Generationen aus.
Laura Spinney betrachtet die Pandemie auch noch unter einen anderen Aspekt: Hat die verheerende Krankheit den Ersten Weltkriegs nachhaltig beeinflusst? Wäre der Ausgang ein anderer gewesen, hätten die Amerikaner nicht grippekranke Soldaten nach Europa verlegt? Wären die von den Siegermächten diktierten Bedingungen bei den Friedensverhandlungen weniger hart ausgefallen, wenn Woodrow Wilson nicht ebenfalls von der Grippe geschwächt, dem französischen Verhandler Clemenceau Einhalt gebieten hätte können?
Man geht heute davon aus, dass die weltweite Pandemie zwischen 50 - 100 Millionen Menschenleben gekostet.
Fazit:
Penibel recherchiert und eindringlich geschildert, gibt dieses Buch einen guten Einblick über den Einfluss der „Spanischen Grippe“. Gerne gebe ich hierfür eine Leseempfehlung und 5 Sterne.