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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.02.2018

Ferragosto

Hinrichtung
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Dieser Krimi ist der erste einer Reihe rund um den sympathischen Commissario Bruno Vossi, der mit seinem Team in Gorizia stationiert ist.

Kurz zum Inhalt:

Es ist August, der Ferragosto (15.08.) naht. ...

Dieser Krimi ist der erste einer Reihe rund um den sympathischen Commissario Bruno Vossi, der mit seinem Team in Gorizia stationiert ist.

Kurz zum Inhalt:

Es ist August, der Ferragosto (15.08.) naht. Die italienischen Familien planen ihren Urlaub. Die Hitze ist schier unerträglich, da wird unter lautem Glockengeläute ein Mann in der kleinen norditalienischen Stadt Cormons gesteinigt. Steinigung? Das kann nur mit den Islamisten zu tun haben, oder?

Bevor Commissario Vossi Licht ins Dunkel bringen kann, verdichten sich die Hinweise auf einen solchen Hintergrund. Ein zweiter Mord passiert und wieder ist ein Zusammenhang mit religiösen Motiven sichtbar. Ob Sure des Korans oder Zitate aus der Bibel – Vossi und sein Team ermitteln. Erschwert wird ihre Arbeit durch den bevorstehenden Besuch des Papstes bei der Gedenkstelle der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten. Auch der Vatikanische Geheimdienst und die NSA aus Rom schalten sich ein und behindern Vossis Arbeit.

Meine Meinung:

Werner Stanzl hat einen sehr angenehmen Schreibstil. Nichts wird reißerisch aufgemacht, obwohl er sich schwieriger Themen annimmt. Seine Art zu Schreiben ist niveauvoll, detailliert und authentisch. Der Ermittler stellt die richtigen Fragen und siegt gewissermaßen durch seine Bauernschläue.

Die vielen Fäden sind elegant verknüpft und das Ende ist, auch wenn es hier und da eine Überraschung gibt, schön schlüssig.

Mir gefallen die Seitenblicke auf die Geschichte Triests und Gorizia sehr. Einstmals zu Österreich-Ungarn gehörend, dann zum SHA-Staat (Jugoslawien) später dann zu Italien. Die Familie Vossi, ursprünglich Voss, musste aus der nunmehr jugoslawischen Heimat fliehen und wurden in Italien alles andere als mit offenen Armen empfangen. Dieser Hintergrund lässt Bruno Vossi anders agieren als die „echten“ Italiener. Hin und wieder glaube ich, ein wenig seine Sehnsucht nach Österreich-Ungarn zu verspüren.
Stanzls Gespür für Land und Leute machen den Krimi zu einem besonderen Leseerlebnis.

Die Charaktere sind anschaulich dargestellt. Vossi wird als „Werbefigur auf den Plakaten für Birra Moretti“ beschrieben, der gerne gut ist und sich an lokalen Spezialitäten labt. Er ist das krasse Gegenteil zu den Mitarbeiten der Sicherheitsabteilungen des Vatikans bzw. Roms, die „zuerst schießen und dann fragen.

Fazit:

Fünf Sterne und eine klare Empfehlung für Freunde des gepflegten Kriminalfalls mit Niveau.

Veröffentlicht am 14.02.2018

Die im Dunklen sieht man nicht

Hintermänner
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Werner Stanzl lässt seinen charmanten, aber doch bodenständigen Commissario in seinem zweiten Fall ermitteln.

Als in einem Kühllaster eine tief gefrorene Frauenleiche gefunden wird, ahnt Commissario Bruno ...

Werner Stanzl lässt seinen charmanten, aber doch bodenständigen Commissario in seinem zweiten Fall ermitteln.

Als in einem Kühllaster eine tief gefrorene Frauenleiche gefunden wird, ahnt Commissario Bruno Vossi noch nicht das gesamte Ausmaß der Verbrechen, die mit diesem Mord in Zusammenhang stehen.

Kriegsverbrechen im Jugoslawienkrieg, die Beinahe-Pleite der österreichischen Montana-Maritim-Bank, ein umtriebiger Kärntner Landeshauptmann, der Landeshaftungen für die Bank abgibt sowie mehrere Kleinkriminelle all das spielt in diesem Krimi eine bedeutende Rolle.

Wer die eine oder andere Begebenheit aus den Nachrichten zu kennen glaubt, liegt nicht ganz falsch. Autor Werner Stanzl hat sich Anregungen aus der Wirklichkeit geholt. Als Österreicherin sind mir die echten Akteure natürlich bekannt.

Gespickt mit humorvollen Passagen z.B. dieser hier: „.. Roberto, ohnedies immer ganz süditalienische Eleganz, hatte ein paar Spritzer Brillantine mehr im Haar“ (S.135) erzählt der Autor eine Geschichte von Wirtschaftskriminalität und Kriegsverbrechen. Geschickt sind die historischen Details in die Geschichte eingewoben.

Die Charaktere haben Ecken und Kanten. Vossis Team setzt sich aus sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammen, die jedoch gut miteinander können. Teamgeist wird großgeschrieben.

Fazit:

Ein vielschichtiger Krimi, dem ich gerne wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Veröffentlicht am 14.02.2018

Ein Kardinal für alle

König - Kaiser - Kardinal
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„Ich bin kein Bischof der ÖVP und kein Bischof der SPÖ, kein Bischof der Unternehmer und keiner der Gewerkschafter, nicht ein Bischof der Bauern und nicht einer der Städter: Ich bin ein Bischof ALLER Katholiken. ...

„Ich bin kein Bischof der ÖVP und kein Bischof der SPÖ, kein Bischof der Unternehmer und keiner der Gewerkschafter, nicht ein Bischof der Bauern und nicht einer der Städter: Ich bin ein Bischof ALLER Katholiken. Die Kirche ist für alle da, sie fühlt sich verantwortlich für alle Menschen, auch für jene, die ihr formell nicht zugehören.“ Diese Worte spricht Kardinal Franz König vor Politikern und Gewerkschaftern im Jahre 1973 und festigt damit seinen Ruf als „roter Kardinal“.

Wer ist er nun der Kardinal, der offen auf die Menschen zugeht und keine Scheu vor Politikern und anders Denkenden hat?

1905 als erster Sohn einer Bauernfamilie in Niederösterreich geboren, ist es der Mutter sehr wichtig, dem aufgeweckten Knaben eine ordentliche Schulbildung zu ermöglichen. Er besucht das Stiftsgymnasium in Melk und studiert anschließend Philosophie und Theologie in Rom. 1933 zum Priester geweiht, beginnt seine seelsorgerische Tätigkeit in einer Zeit des Grauens. Mit der indifferenten Haltung der Kirche zum Nationalsozialismus hat König seine liebe Not. Er wird Militärvikar und Jugendseelsorger. Die Jugend, entwurzelt durch die Nazi-Zeit, ist ihm ein besonderes Anliegen. Er geht auf die jungen Menschen vorurteilslos zu.
Später wird ihm seine Offenheit, auf andere zuzugehen zum Vorwurf gemacht. Ja, sie bringt ihn sogar um die Chance Papst zu werden, gilt er doch als „papabile“. Doch nach dem Tod von Papst Paul VI. ist die Zeit für einen nicht italienischen Papst noch nicht gekommen.
Franz König geht, sehr zum Missfallen der Rom treuen Kleriker auf die Ostkirche zu und die Politiker zu. Er ist der erste Kardinal, der eine Fabrik besucht und mit den Arbeitern spricht.

Er gestaltet das Zweite Vatikanische Konzil mit, lehnt aber eine Dauerstellung in Rom ab.
Ökumene und das Miteinander sind ihm wichtig.

Als er 1960 auf dem Weg zum Begräbnis des verfemten Zagreber Kardinal Stepinac einen schweren Autounfall erlitt, sah er dies als göttliches Zeichen, sich um die Kirchen im östlichen Europas zu kümmern.

Während des Kalten Krieges reist er häufig in den Ostblock. Er zählt zu den Wegbereitern von Johannes Paul II., mit dem er dann später den einen oder anderen Disput haben wird.

Die Skandale rund um Hans Hermann Groer und Kurt Krenn haben ihn tief getroffen. Über deren Berufung war er Johannes Paul II., lange gram.

Autor Thomas J. Nagy, Sohn eines Ungarnflüchtlings von 1956, hat rund 50 Zeitzeugen und Weggefährten für diese Biographie aufgeboten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zum einem Königs langjährige Sekretärin Annemarie Fenzl und zum anderen einige sozialdemokratische Politiker wie Karl Blecha.
Viele Fotos und Ausschnitte aus Briefen und anderen Dokumenten ergänzen dieses Buch.
Der Autor ist ein grenzenloser Bewunderer (um nicht zu sagen Fan) von Franz, Kardinal König, wie er immer bezeichnet wird. Daher sind nur wenig kritische Töne zu verspüren.

Ich finde diese Biographie, die anlässlich des 110. Geburtstag dieses auf Ausgleich bedachten Mannes erschienen ist, sehr aufschlussreich.

Zum Wortspiel des Titels:

König = sein Geburtsname
Kaiser = der Name seines Stiefvaters
Kardinal = seine Berufung


Einen Denkanstoß habe ich durch diese Biographie auch erhalten: Kardinal Innitzer, ein Befürworter des Anschlusses, war sich der Tragweite dieses Entschlusses damals nicht bewusst. Im Stillen hat er, als die Gräuel der Nazis ruchbar wurden, zahlreichen Verfolgten Hilfe gewährt. Da werde ich noch nachlesen.

Veröffentlicht am 14.02.2018

Eine Wiener Institution: Der Salon

Die Salonièren und die Salons in Wien
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Es finden so bekannte Damen und ihre Runden wie Charlotte von Greiner, ihrer Tochter Karoline Pichler, Berta Zuckerkandl, Alma Mahler-Werfel sowie Ina Loos und Grete Wiesenthal Aufnahme in das Buch von ...

Es finden so bekannte Damen und ihre Runden wie Charlotte von Greiner, ihrer Tochter Karoline Pichler, Berta Zuckerkandl, Alma Mahler-Werfel sowie Ina Loos und Grete Wiesenthal Aufnahme in das Buch von Helga Peham.

In vielen Details wird der Werdegang der Salons geschildert. Bemerkenswert ist der Zeitbogen über 200 Jahren, den die Autorin spannt. Von der Regentschaft Maria Theresias (Charlotte von Greiner war eine von Maria Theresias Hofdamen), bis hin zur Tänzerin Grete Wiesenthal (verstorben 1970), die Wien der Nachkriegszeit die Institution des Salon wiederaufleben ließ.

Ein besonders Augenmerk legt die Autorin auf die jüdischen Salons wie den der Fanny Arnstein, Cäcilie von Eskeles und Mutter und Tochter Wertheimstein.
Viele bislang unbekannte Originalquellen werden zitiert. Die Salons und ihre (oft männlichen) Besucher werden recht eindrucksvoll geschildert.
Geschichte und Anekdoten werden dem Leser unaufdringlich näher gebracht.
Ausgesuchtes Bildmaterial ergänzt das „erlesene“ Buch.

Fazit:

Wer sich für die großbürgerliche (Salon)Kultur von Wien zwischen 1770 und 1970 interessiert, wird von diesem Buch nicht enttäuscht sein. Hilfreich sind die Quellen und Querverweise.

Veröffentlicht am 13.02.2018

Penibel recherchiert

Die Spanische Grippe
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Autor Harald Salfeller ist Mediziner und das merkt in seinem Buch über die Spanische Grippe, jener Pandemie, die zwischen 1918 und 1920 in drei großen Wellen über den Erdball gerast ist und bis zu 100 ...

Autor Harald Salfeller ist Mediziner und das merkt in seinem Buch über die Spanische Grippe, jener Pandemie, die zwischen 1918 und 1920 in drei großen Wellen über den Erdball gerast ist und bis zu 100 Millionen Tote gefordert hat.


Der Autor hat einen hohen Aufwand bei seinen Recherchen betrieben und untermauert seine Thesen mit einer Fülle von Zitaten und Bildmaterial. Dabei erklärt er medizinische Gegebenheiten ohne die den Fachleuten oft anhaftende Überheblichkeit in ihr eigenes Wissen. Er erklärt, analysiert und gibt Beispiele.



Der Mediziner Salfellner spricht auch die Hilflosigkeit der Ärzte an. Niemand weiß, woher die tödliche Pandemie wirklich kommt. Spanien ist es nämlich nicht. Der eine oder andere genaue Beobachter entdeckt Zusammenhänge mit Menschenansammlungen, mit der engen Symbiose Vögel – Schweine – Menschen. Wird die Krankheit durch Haustiere verursacht und verbreitet? Es entstehen krude Gerüchte. Eines davon besagt, „den Soldaten fehle der Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht, so käme es zum Rückstau pathogener Stoffe.“ S. 58).

Es gibt kein wirksames Heilmittel. Wie auch, man kennt ja die Erreger nicht, nur Bakterien, die ein Vielfaches größer als Viren sind. Das ruft natürlich alle möglichen Wunderheiler und Quacksalber auf den Plan. Als entdeckt wird, dass Syphiliskranke nicht oder nur leicht erkranken, nehmen die Menschen Quecksilber haltige Präparate ein und vergiften sich damit. Der „gute, alte“ Aderlass feiert eine fröhliche Renaissance.


Wir erfahren einiges über Einzelschicksale und die Bedeutung dieser Pandemie, die nicht alte oder junge Menschen getötet hat, sondern und vor allem Männer und Frauen zwischen 20 und 40. Was dieser Ausfall einer ganzen Generation bedeutet, die weder eine Familie gründen noch ihren Beitrag zur Volkswirtschaft ihres Landes beitragen konnte, wird ebenfalls angerissen.


Mich persönlich hat die Akribie mit der Salfellner die Archive nach aussagekräftigen Fotos durchstöbert hat, beeindruckt. Es sterben ja nicht nur namenlose Massen, sondern auch bekannte Schauspieler, Dichter wie Edmond Rostand oder Maler Egon Schiele. Auch Woodrow Wilson erkrankt während der Friedensverhandlungen zum Ersten Weltkrieg an der Spanischen Grippe. So gibt es die gewagte (?) Hypothese, dass er geschwächt durch die Krankheit, seine maßvollen Bedingungen für einen Friedenschluss mit den Mittelmächten, dem französischen Premier Clemenceau nicht durchsetzen konnte.


Fazit:


Ein rundum gelungenes Werk, dass sich durch die sorgfältige Recherchearbeit auszeichnet. Dafür vergebe ich eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.